Ein Schokoriegel vor Gericht

Heute mal wieder eine Schilderung aus der Praxis. Alle Angaben sind, wie immer, verfremdet bzw. anonymisiert.

Ein langjähriger Mandant meiner Kanzlei betreibt erfolgreich Einzelhandelsgeschäfte, in denen unter anderem Lebensmittel vertrieben werden. Er kennt sich damit wirklich gut aus, manche Details weiß er besser als ich.

Trotzdem wurde ihm nun von der Lebensmittelkontrollbehörde vorgeworfen, einen Schokoladenriegel falsch ausgezeichnet zu haben:

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Warum ein Anwalt kostet, was er kostet

Nicht selten wird sich über die hohen Kosten bei der Beauftragung anwaltlicher Dienste beklagt. Warum für vermeintlich überschaubare Tätigkeiten oder für einzelne Schreiben gleich mehrere hundert Euro anfallen sollen, geht Vielen nicht ein.

Daher soll dieser Artikel einmal kurz darlegen, welche Kosten mit dem Betrieb einer Anwaltskanzlei verbunden sind und wie sich diese auf das Preisniveau auswirken.

150 Arbeitsstunden pro Monat

Der durchschnittliche deutsche Arbeitnehmer arbeitet nach Abzug von Wochenende, Feiertagen, Urlaub, Krankheit und ähnlichem Ausfall knapp 1700 Stunden pro Jahr. Das sind rund 140 Stunden pro Monat. Nehmen wir nun aus Gründen kalkulatorischer Sicherheit und runder Zahlen an, dass ein freiberuflicher Rechtsanwalt durch Selbstausbeutung auf 150 Stunden im Monat kommt.

In diesen 150 Stunden muss er also die gesamten Kosten seiner Kanzlei hereinarbeiten und zudem noch seinen Lebensunterhalt verdienen. Anders gesagt: Von allen monatlichen Kosten muss man ein Hundertfünfzigstel berechnen und diesen Betrag vom Stundenlohn abziehen.

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Distracted Boyfriend: Ein Internet-Meme und das Urheberrecht

Trends auf sozialen Medien (Memes) können mit dem Urheberrecht kollidieren.
Trends auf sozialen Medien (Memes) können mit dem Urheberrecht kollidieren.
Seit einiger Zeit kursiert im Internet das „Distracted Boyfriend Meme“, ein Bild, auf dem ein Mann am Arm seiner Freundin einer anderen Frau hinterherschaut. Die Reaktion seiner Freundin darauf ist ein – milde gesagt – entgeisterter Blick. Dieses Bild wird dann mit verschiedenen Beschriftungen versehen, die ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Idee mit der einen Frau und den Wettbewerber dazu mit der anderen Frau gleichsetzen.

Bevor Sie noch weiter über diese etwas umständliche Umschreibung rätseln, schauen Sie sich einfach folgenden Artikel mit dem Originalbild und einem Beispiel-Meme an: https://petapixel.com/2017/09/18/story-behind-viral-distracted-boyfriend-meme-photo/

Vorlage stammt von professionellem Photographen

Dort kommt der Urheber des Bilds zu Wort, der katalanische Photograph Antonio Guillem. Er photographiert sogenannte Stock Photos, als Aufnahmen für Bilderdatenbanken, aus denen sich Werbeagenturen, Homepage-Designer und Journalisten bedienen können. Damit meine Artikel auf dieser Seite nicht als reine Textwüsten daherkommen, verwende ich solche Bilder ebenfalls, allerdings aus der kostenlosen Datenbank Pixabay. Guillem hingegen photographiert beruflich, die Bilder können nur gegen Bezahlung verwendet werden und der Urheber erhält einen Teil der Vergütung vom Datenbankbetreiber. „Distracted Boyfriend: Ein Internet-Meme und das Urheberrecht“ weiterlesen

Was ein Anwalt wert ist

Anwälte kosten Geld. Aber, zumindest wenn es um Gerichtsprozesse geht, nicht das Geld desjenigen, der im Recht ist. Wenn der Kläger mit seiner Klage durchkommt, muss der Beklagte alle Kosten (des Gerichts und beider Anwälte) zahlen. Siegt der Kläger nur zu einem Drittel (5.000 Euro der Klage sind begründet, die restlichen 10.000 Euro nicht), so muss er zwei Drittel der gesamten Kosten tragen. Das ist eine ziemlich gerechte Sache.

Die Gerichtskosten berechnen sich dabei nach einer festen Gebührentabelle, die im Gerichtskostengesetz (GKG) festgeschrieben ist. Je höher der Streitwert ist, also die Angelegenheit, um die es geht, wert ist, desto höher sind auch die Gebühren. Für die Gebühren der Anwälte gibt es eine ganz ähnliche Regelung im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das die frühere Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) abgelöst hat. „Was ein Anwalt wert ist“ weiterlesen

Prozesskostenhilfe aus Sicht des Gegners

Die Prozesskostenhilfe ist ein Element des Rechtsstaats. Jedem, der einen Anspruch zu haben glaubt, muss grundsätzlich auch die Möglichkeit offen stehen, vor Gericht zu gehen. Wenn er sich einen teuren Prozess eigentlich nicht leisten kann, ist dies noch kein Grund, ihm seine Rechte vorzuenthalten. Aus diesem Grund gab es bereits in der Ur-Zivilprozessordnung das sogenannte „Armenrecht“. Heute nennt es sich neutraler „Prozesskostenhilfe“ und ist in den §§ 114 bis 127 ZPO geregelt.

PKH kann selbstverständlich unabhängig davon gewährt werden, ob man Kläger oder Beklagter ist. Für die heutigen Betrachtungen ist aber die Klägerseite interessanter. Es geht also darum, dass der Kläger eine Forderungen gegen jemanden erhebt und selbst nicht genug Geld hat, um Gericht und Anwälte zu zahlen. Darum will er, dass der Staat ihm unter die Arme greift.

Erste Voraussetzung dafür ist die Bedürftigkeit, die nach genau festgelegten Regeln und anhand von Einkommentabellen berechnet wird. Außerdem muss die Klage zumindest gewisse Erfolgsaussichten bieten. (Ob sie auch tatsächlich Erfolg hat, muss freilich erst das Gericht der eigentlichen Verhandlung prüfen. Im PKH-Verfahren fallen also nur Klagen durch, die völlig chancenlos sind.) Und schließlich darf sie auch nicht mutwillig, also ohne vernünftigen Grund angestoßen worden sein. Diese Voraussetzungen stehen in § 114 Abs. 1 ZPO und werden in den nachfolgenden Vorschriften noch etwas präzisiert.

Wird PKH bewilligt, so muss der Kläger gemäß § 122 weder die Gerichts-, noch seine eigenen Anwaltskosten zahlen. (Theoretisch kann PKH auch so bewilligt werden, dass der Kläger immerhin Raten zahlen muss, dann ist die PKH-Leistung also mehr ein Kredit als eine Kostenübernahme. Diese Konstellation lassen wir hier aber ebenfalls weg.)

Was die Prozesskostenhilfe aber niemals deckt, sind die Anwaltskosten des Gegners, siehe § 123 ZPO. Wenn der PKH-berechtigte Kläger verliert, seine Klage also abgewiesen wird, muss er also (nur) die Anwaltskosten des Gegners zahlen. Anders gesagt: Der Beklagte muss seinen Anwalt zunächst selber zahlen und hat dann einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger – nicht etwa gegen den Staat, da die Prozesskostenhilfe eben nicht so weit geht. Diesen Erstattungsanspruch muss er aber erstmal irgendwie durchsetzen können – gegen einen „bedürftigen“ Gegner.

Unter Umständen ist dieser Anspruch also nicht viel wert, weil der Gegner so arm ist, dass man nichts pfänden kann. Nun kann er aus diesem Anspruch zwar immer wieder die Vollstreckung versuchen, also einen Gerichtsvollzieher beauftragen, aber die Aussichten sind möglicherweise nicht die besten. Und jeder Vollstreckungsversuch produziert neue Kosten, die zunächst einmal der Anspruchsinhaber selbst tragen muss.

Insgesamt nimmt es der Staat also hin, dass ein bedürftiger Kläger auf Staatskosten seinen Anspruch durchsetzen will, sich dieser aber als unbegründet herausstellt und anschließend der Beklagte (der keinen Anlass dazu geliefert hat, den Prozess durchzuführen, und zudem vor Gericht auch noch Recht bekommen hat) mit einer unter Umständen gesalzenen Rechnung allein gelassen wird. Dies widerspricht grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen.

Was könnte man nun dagegen machen?

Eine Abschaffung der Prozesskostenhilfe kommt sicher nicht in Betracht. Dieses Instrument ist verfassungsmäßig praktisch unverzichtbar.

Vielmehr sollte man an § 123 ZPO Änderungen vornehmen und es dem Gegner erlauben, seine Kosten ebenfalls dem Staat in Rechnung zu stellen. Damit hat dieser keinen Nachteil und das Insolvenzrisiko des PKH-Klägers wird nicht auf einen im Grunde unbeteiligten Dritten abgeschoben.

Bis dahin kann man jedem, der von einem PKH-Berechtigten verklagt wird, nur raten, seine Rechte wahrzunehmen. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann er sich dazu äußern, ob er „die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält“. Dabei sollte man vor allem begreifen, dass es – wie geschildert – auch um seine Position im Verfahren geht. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit zwischen Staat und Kläger, aus der man sich vornehm heraushält. Wenn man die Klage für unbegründet hält, wenn man vielleicht sogar schlagende Beweise in der Hand hält, dass man selbst im Recht ist, sollte man sich auch entsprechend äußern. Vor allem ist es nicht so, dass man dem Gegner dadurch seine wohlerworbenen Rechte wegnimmt. Denn es nützt auch dem Kläger nichts, wenn er dann erst in der mündlichen Verhandlung auf die Nase fällt.