Aufgehoben: Das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen

Gesetze regeln viele Materien nur recht grob und allgemein. Daher erlauben die Gesetze für zahlreiche Einzelfragen die Regelung durch die Regierung selbst. Diese Verordnungen müssen nicht auf den komplizierten weg der Gesetzgebung gehen, sondern können recht schnell verabschiedet werden. Wer für die Verordnung zuständig ist, wird im Gesetz selbst festgelegt. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes können „die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen“ ermächtigt werden.

Nun wurde aber das „Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen“ durch Artikel 3 des „Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ (2. BMJBBG) aufgehoben. Dieser Artikel besagt schlicht und einfach:

Das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 103-1, veröffentlichten bereinigten Fassung wird aufgehoben.

Teilweise wird das etwas falsch verstanden, es wird sogar so getan als wäre damit die Kompetenz zum Verordnungserlass insgesamt aufgehoben. Das ist aber schon deswegen nicht der Fall, weil sich die Möglichkeit der Verordnungsermächtigung aus dem Grundgesetz ergibt, siehe oben. Die Ermächtigung als solche ist dann im jeweiligen Gesetz enthalten. Tatsächlich betraf dieses Gesetz nur einen ganz geringen Teil von Verordnungen. Der einzige bedeutende Paragraph dieses Gesetzes war der erste:

Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen – § 1

Soweit Bundesgesetze Ermächtigungen oberster Landesbehörden zum Erlaß von Rechtsverordnungen vorsehen, sind die Landesregierungen zum Erlaß dieser Rechtsverordnungen ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigungen auf die obersten Landesbehörden übertragen, die in den bisherigen Vorschriften bezeichnet sind, und dabei die weitere Übertragung auf nachgeordnete Behörden in dem bisher bezeichneten Umfang zulassen.

Das bedeutet also, dass in jedem Gesetz, das es obersten Landesbehörden oder einzelnen Landesministern erlaubte, Verordnungen zur Ausführung des Gesetzes zu erlassen, diese Ermächtigung so zu lesen war als hätte dort eine Ermächtigung für die gesamte Landesregierung gestanden.

Der Grund dafür lag in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, genauer gesagt im Beschluss des Zweiten Senats vom 10. Mai 1960, Az. 2 BvL 76/58, abgedruckt in BVerfGE 11, 77. Das Gericht entschied darin:

Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG kann außer an die Bundesregierung oder an einen Bundesminister nur an eine Landesregierung, nicht an einen Landesminister gegeben werden.

Eine Ermächtigung durfte also nicht z.B. den Landesjustizminister ermächtigen, sondern nur die Landesregierung insgesamt. Wenn die Landesregierung nun wollte, dass der Landesjustizminister für bestimmte Angelegenheiten allein zuständig ist, musste sie das in ihrer Geschäftsordnung oder auf andere Weise selbst beschließen. Den Bundesgesetzgeber ging diese landesinterne Aufgabenverteilung aber nichts an, so das BVerfG.

Begründet wurde dies damit:

Grundsätzlich respektiert die Bundesverfassung die Verfassungsordnung der Länder; ein Eingriff der Bundesgewalt in die Verfassungsordnung der Länder ist nur zulässig, soweit es das Grundgesetz ausdrücklich bestimmt oder zuläßt.

Um diesen Richterspruch umzusetzen, ohne alle Gesetze einzeln ändern zu müssen, wurde daher das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen erlassen. Dieses bestimmte, dass alle Gesetze, die diese „falsche“ Ermächtigung eines Landesminister beinhalteten, nun „richtig“ zu lesen waren, also die gesamte Landesregierung ermächtigten.

Weil aber seit diesem Beschluss fast 60 Jahre ins Land gegangen sind und es heute wohl kaum noch ein Gesetz gibt, das diese Zuweisung beinhaltet, konnte man das Gesetz nun endlich aufheben. Höchstvorsorglich ließ man diesen Artikel auch noch etwas später in Kraft treten, nämlich nicht schon im November 2007, sondern erst zum 1. Dezember 2010. Hätte man also noch ein fehlerhaftes Gesetz gefunden, hätte sich das noch reparieren lassen. Seitdem sind aber keine Beschwerden dahingehend bekannt, dass irgendeine Landesregierung ihrer Verordnungsermächtigung verlustig gegangen wäre.

Justitia und Corona

Das Corona-Virus stellt auch die Justiz vor organisatorische Herausforderungen.
Das Corona-Virus stellt auch die Justiz vor organisatorische Herausforderungen.
Das Coronavirus ist in der juristischen Realität angekommen und stellt den Justizbetrieb vor erhebliche Herausforderungen, die nicht immer ganz zur Zufriedenheit der Beteiligten gelöst werden.

Ich selber war davon auch betroffen, am Montag in der Früh hatte ich einen Termin beim Amtsgericht Pfaffenhofen. Nun war ich mir ziemlich sicher, dass die Verhandlung ausfallen würde. Die deutliche Verschärfung der Vorsichtsmaßnahmen wurde aber erst am Sonntag Abend (zufälligerweise nach Abschluss der bayerischen Kommunalwahlen) verkündet und sagte nichts zu Gerichtsterminen im Allgemeinen.

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Eine Verfassungsbeschwerde geht ihren Weg

Der Haupteingang des Münchner Justizpalast, in dem unter anderem das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Verfassungsgerichtshof ihren Sitz haben.
Der Haupteingang des Münchner Justizpalast, in dem unter anderem das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Verfassungsgerichtshof ihren Sitz haben.
Gestern habe ich mal wieder eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Ausnahmsweise sogar persönlich, während ich ansonsten die Vorabsendung der Unterlagen per Brief und die Übersendung der Verfassungsbeschwerdeschrift per Fax bevorzuge.

Möglich war das, weil es sich um eine Verfassungsbeschwerde nach (bayerischem) Landesrecht handelte, für die der Verfassungsgerichtshof im Münchner Justizpalast zuständig ist. So konnte ich an diesem schönen Januar-Tag selbst in die Stadt fahren, das Briefkuvert einwerfen und das Ganze noch mit einem Mittagessen in Katakomben des nahe gelegenen Stachus-Untergeschosses mit einem Kollegen aus Referendariatszeiten verbringen.

Beim Spaziergang durch die Fußgängerzone habe ich dann ein paar Telephonate erledigt. Das sind eben die Vorteile einer selbstständigen Tätigkeit, dass man sich die Zeit einigermaßen frei einteilen kann und auch einmal dafür Luft im Terminkalender ist.

Daran muss ich dann aber auch erinnern, wenn ich – wie bei dieser Verfassungsbeschwerdeschrift – wieder einmal bis zum frühen Morgen am Schriftsatz feile.

Die Verfassungsbeschwerde nach bayerischem Recht ist übrigens ein ganz interessantes rechtliches Instrument:

Zwei neue Seiten

Erläuterungen zum Grundgesetz finden Sie künftig auf das-grundgesetz.de.
Erläuterungen zum Grundgesetz finden Sie künftig auf das-grundgesetz.de.
Die vermehrte Konzentration auf das Verfassungsrecht geht weiter. Aktuell habe ich mir zwei Domains gesichert, bei denen es mich sehr gewundert hat, dass diese noch frei waren:

Auf den Seiten soll zum einen eine Art Kommentar entstehen, in dem die einzelnen Artikel dieser Verfassungen verständlich erläutert werden. Daneben werden aber auch Artikel zum jeweiligen Verfassungsrecht hierhin umziehen.

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Macht es gut, anwalt.de-Artikel!

Zahlreiche Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Hummel finden Sie auf anwalt.de
Zahlreiche Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Hummel finden Sie auf anwalt.de
Ich habe ja über die letzten Jahre eine größere Zahl von Fachartikeln bei anwalt.de geschrieben. Diese beleuchten alle Rechtsgebiete, auf denen ich bislang tätig war bzw. bin.

Weil aber die Zahl der Rechtsgebiete, auf denen ich aktuell tätig bin, sehr gering ist, haben mich immer wieder Anfragen von potentiellen Mandanten zu Themen erreicht, in denen ich praktisch nicht mehr arbeite. Dies gilt gerade für das Strafrecht sowie das Schulrecht.

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Neue Seite zum Parteienrecht

Unsere Blog-Familie erhält Zuwachs.

Im Zuge der Konzentration der Kanzlei auf das Staats- und Verfassungrecht gibt es nun ein neues Blog zum Recht der politischen Parteien. Dieses ist ab sofort auf https://parteienrecht-faq.de abrufbar.

Die Seite beruht auf dem Buch „Politische Parteien verwalten und gestalten – Praxisrelevantes Überblickswissen für Parteigründer, Amtsträger und Mitglieder“, an dem Rechtsanwalt Thomas Hummel mitgearbeitet hat.

Die Seite wird sporadisch überarbeitet und ergänzt.

Die Unfassbarkeit der Grundrechte

Derzeit wird meine Homepage zu Verfassungsbeschwerden (https://anwalt-verfassungsbeschwerde.de) überarbeitet. Auch wenn ich natürlich nicht jeden Handgriff daran selbst vornehme, bin ich schon in die grobe Gestaltung involviert.

Dazu gehört auch, dass ich die Texte, die die einzelnen Grundrechte erklären, zumindest selbst vorstukturiert habe, sodass dann ein Ergebnis rauskommt, mit dem ich mich gerne in der Öffentlichkeit präsentiere.

Damit das Ganze dann auch einigermaßen lesbar ist, werden pro Grundrechte zwei oder drei Bilder eingefügt. Diese haben natürlich ausschließlich illustrierenden Charakter und sorgen dafür sorgen, dass es sich nicht um reine Textwüsten handelt.

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