Ein Abend im Lovelace

Telepolis„Lovelace“, benannt wohl nach Ada Lovelace, nennt sich ein neues Hotel in der Münchner Innenstadt, genauer gesagt ein „Hotel-Happening“. Denn dieses Hotel soll voraussichtlich nur ungefähr zwei Jahre existieren, danach wird das Gebäude wieder eine andere Nutzung erfahren.

Bevor das passiert, richtet das Online-Magazin Telepolis des Heise-Verlags regelmäßig Veranstaltungen der Reihe „Telepolis-Salon“ aus. Dort wird sporadisch jeweils ein bestimmtes Thema mit einigen eingeladenen Experten und vor Publikum diskutiert.

Mein Thema: Recht auf Sezession

Gestern kam mir, wie hier schon angekündigt, die Ehre zu, Experte zu sein. Es ging um das Thema Sezession, wobei mir der juristische Part zukam: Ich sollte aus völkerrechtlicher Sicht darlegen, ob ein Recht auf Sezession besteht. „Ein Abend im Lovelace“ weiterlesen

Das juristische Alphabet – Folge 2

Heute die zweiten Folge unserer neuen Youtube-Serie. Viel Spaß!

Überhangmandate: Sind die Bundestagswahlen ungültig?

scale-310471_1280Bei den Bundestagswahlen im September 2017 gab es 46 Überhangmandate. Teilweise wird daher nun gemutmaßt, dies müsste aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu führen, dass diese Wahl ungültig ist und eine Neuwahl stattfinden muss.

Das ist so aber nicht richtig. Es gibt bis jetzt kein Urteil, das die Gültigkeit dieser Bundestagswahl in Abrede stellen würde.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in den Jahren 2008 und 2012 das damalige Bundeswahlgesetz für verfassungswidrig erklärt, weil es danach zum sogenannten negativen Stimmgewicht kommen konnte – mehr Stimmen für eine Partei konnten in ganz speziellen Konstellationen weniger Mandate bedeuten. Dafür verantwortlich waren in erster Linie die Überhangmandate, die zu den 598 regulären Sitzen im Bundestag hinzukommen konnten. „Überhangmandate: Sind die Bundestagswahlen ungültig?“ weiterlesen

Neue Youtube-Serie: Das juristische Alphabet

In dieser Serie werden jeweils Begriffe aus der Welt der Rechtswissenschaft kurz erklärt – und zwar in jeder Folge zu (fast) jedem Buchstaben des Alphabets einer.

Was ist ein Rechtsstaat?

Im Herbstloch und/oder Wahlkampf ist wieder einmal die Debatte aufgetaucht, ob die DDR denn ein Unrechtsstaat war. Zwei sozialistisch orientierte Regierungschefs aus dem Osten haben sich dagegen verwehrt, weil dies angeblich die DDR-Bürger herabsetze.

Nun sind juristische Wertungen glücklicherweise von persönlichen Befindlichkeiten weitgehend frei. Und es stellt sich im Zusammenhang mit dieser Diskussion über Unrechtsstaaten automatisch die Frage: Was ist eigentlich ein Rechtsstaat?

Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG

Im Grundgesetz wird gemeinhin Art. 20 Abs. 3 GG als das Rechtsstaatsprinzip bezeichnet:

Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Dieser statuiert also eine umfassende Bindung an das Recht. Der Gesetzgeber muss die Verfassung beachten, die übrigen Staatsgewalten müssen die Verfassung und die Gesetze beachten. Insoweit ist der Rechtsstaat also ein Staat, der das Recht beachtet, in dem also Recht herrscht.

Da der Staat es aber ist, der das Recht setzt, ist das noch keine besondere Kunst. Viele Diktaturen wären nach dieser Definition ebenfalls Rechtsstaaten, da sie sich ihr Recht einfach so zurechtbiegen können, wie es ihnen passt. Nur müssen sich die Staatsorgane dann an eben dieses Recht halten. Keine Rechtsstaaten sind demnach nur Staaten, sie sich formal eine rechtliche Gestalt geben, in denen Recht und Gesetz aber nur Staffage sind, während tatsächlich die Willkür herrscht.

Darüber hinaus muss man den Rechtsstaat aber als allgemeines Prinzip ansehen, der gerade nicht der Definition durch eine einzelne Verfassung unterliegt. Überhaupt gibt es keinen allgemein anerkannten Kanon von Prinzipien, die den Rechtsstaat ausmachen. Wer sollte auch eine solche Definitionsmacht besitzen?

Formaler Rechtsstaatsbegriff

Was ein Rechtsstaat ist, wird in der Rechtswissenschaft diskutiert. Diese kennt zunächst einen formalen Rechtsstaatsbegriff. Hierzu gehören neben der Bindung an das Recht noch – je nach Ansicht – folgende Punkte:

Diese „Formalitäten“ stellen sicher, dass der Staat jedenfalls strukturell ein Rechtsstaat ist. Sie ermöglichen es dem Einzelnen, wenigstens für sein eigenes Recht gegen den Staat zu sorgen, indem Institutionen und Klagemöglichkeiten bereitgestellt werden.

DDR genügte dem sicher nicht

Schon nach diesen Kriterien war die DDR übrigens kein Rechtsstaat. Denn es gab keine gesonderte Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern lediglich ein Eingabewesen, über das sich Bürger gegen behördliche Entscheidungen beschweren konnten. In diesem Zusammenhang hatte der Bürger aber keine subjektiven durchsetzbaren Rechte, sondern musste sich darauf verlassen, dass die Verwaltung selbst ihm hilft.

Davon abgesehen hielt sich der Staat auch in vielerlei Hinsicht nicht an das eigene Recht. Plakativstes Beispiel ist das Wahlrecht. Laut Art. 54 der DDR-Verfassung von 1974 sollte die Volkskammer „in freier, allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden“. Tatsächlich gab es eine Einheitsliste der „Nationalen Front“, dominiert von der SED und unter Beteiligung anderer Parteien wie – was man dort nicht mehr gar so gern hört – der CDU. Eine Möglichkeit, Alternativlisten aufzustellen, bestand dagegen nicht. Die Wahl war also in keiner Weise frei.

Materieller Rechtsstaatsbegriff

Zur materiellen Rechtsstaatlichkeit werden noch andere, inhaltliche Anforderungen gezählt:

  • das Bestehen umfassender Grundrechte
  • Eingriffe in Grundrechte nur aufgrund von Gesetzen, nicht durch bloßes Verwaltungshandeln
  • Verhältnismäßigkeit beim Eingriff in Grundrechte
  • Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in der Formulierung von Gesetzen
  • Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot
  • das Bestehen einer prinzipiellen Haftung für staatliches Unrecht
  • Gerechtigkeit als Leitlinie für jede Rechtssetzung

Diese Kriterien werden aber häufig höchst unterschiedlich gehandhabt. Wendet man sie aber sehr stringent an, gibt es insgesamt relativ wenige Rechtsstaaten auf der Welt. Allgemein muss man wohl sagen, dass es das Wesen eines Staates ist, seine Macht ständig zu erweitern und Hinderungsgründe dagegen (die nicht nur mit dem Rechtsstaatsprinzip zu tun haben) möglichst restriktiv auszulegen.

Auch hinsichtlich der Bundesrepublik kann man hier durchaus Bedenken anmelden, was die tatsächliche Wirksamkeit der Grundrechte, die nachvollziehbare Formulierung der Gesetze, den Vertrauensschutz und die Staatshaftung angeht.

Einbürgerung mit zwei Ehefrauen

passport-1051697_640„Deutscher Pass und Zweitfrau – beides geht“ titelte beispielsweise die Stuttgarter Zeitung über ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof vom 25.04.2017 (Az. 12 S 2216/14). Wenngleich diese kurze Zusammenfassung das Urteil durchaus korrekt wiedergibt, möchten wir heute genauer beleuchten, wie es zu diesem Prozess kam und warum diese Entscheidung gefällt wurde.

Eine Ehe in Deutschland, eine in Syrien

Die tatsächlichen Hintergründe sind relativ einfach: Der Kläger ist syrischer Kurde und kam 1999 nach Deutschland. Dort hat er eine durchaus akzeptable Berufslaufbahn hingelegt und zunächst das Abitur gemacht, danach studiert und schließlich als Bauingenieur gearbeitet. Im April 2008 heiratete er in Deutschland eine deutsche Staatsbürgerin. Im Juni 2008 heiratete er in Syrien eine syrische Staatsbürgerin (seine Cousine), mit der er einige Jahre zuvor ein außereheliches Verhältnis hatte.

2010 wurde er eingebürgert; dabei gab er bei der Frage nach „früheren Ehen“ die syrische Ehe nicht an. Ende 2013 nahm die Staatsangehörigkeitsbehörde die Einbürgerung zurück, nachdem sie von der Zweitehe erfahren hatte. „Einbürgerung mit zwei Ehefrauen“ weiterlesen

NetzDG – Die Beschlussfähigkeit des Bundestags

reichstag-1358937_640Nur eine Handvoll an Abgeordneten war es, die sich im Bundestag eingefunden hat, um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das – zumindest außerhalb des Parlaments – wohl umstrittenste Gesetz in der Geschichte der Bundesrepublik, zu verabschieden. Um die 30 bis 60 Bundestagsmitglieder sollen es nur gewesen sein, die das NetzDG abgesegnet haben. Der vorhergehende Tagesordnungspunkt, die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe, wurde dagegen von einem fast vollen Plenum behandelt.

Nun wurde aber teilweise die Frage gestellt, ob der Bundestag in dieser Mini-Besetzung überhaupt einen gültigen Gesetzesbeschluss fassen konnte. Denn schließlich besagt § 45 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundestags (BTGO): „NetzDG – Die Beschlussfähigkeit des Bundestags“ weiterlesen

Grundrechtseinschränkungen im BKA-Gesetz

Der Bundestag hat, zusammen mit verschiedenen anderen sicherheitsrelevanten Vorschriften, ein neues Bundeskriminalamtsgesetz beschlossen. Das Gesamtpaket nennt sich „Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes“ und setzt auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. Es ist, wie viele Änderungsgesetze, ein reines Artikelgesetz, das selbst keinen eigenständigen Inhalt hat, sondern nur in verschiedenen Artikeln verschiedene Gesetze ändert bzw. komplett neu einführt.

Im neuen BKA-Gesetz findet sich folgende Bestimmung, die schon für einiges Aufsehen gesorgt hat:

§ 89 Einschränkung von Grundrechten

Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

Hier werden also einige verfassungsmäßige Grundrechte der Bürger, vor allem solche im Hinblick auf das Privatleben, eingeschränkt. „Grundrechtseinschränkungen im BKA-Gesetz“ weiterlesen

Schule behält Handy über das Wochenende

call-877958_640Ein Berliner Schüler hatte sein Mobiltelephon im Unterricht benutzt. Der Lehrer zog das Handy daraufhin ein und gab es erst am nächsten Schultag, einem Montag heraus. Daraufhin klagten der Schüler und seine Eltern gegen die Einbehaltung des Geräts über das Wochenende. Das Verwaltungsgericht Berlin (4. April 2017, Az. VG 3 K 797.15) hat diese Klage als unzulässig abgewiesen.

Daraufhin haben zahlreiche Medien behauptet, das Gericht habe entschieden, dass die Einziehung des Handys rechtmäßig gewesen sei. Das stimmt aber in dieser Form nicht:

Warum wurde die Klage abgewiesen?

Abweisungsgrund war die Unzulässigkeit der Klage. Da das Handy längst zurückgegeben wurde, handelt es sich um eine erledigte Angelegenheit. Der Kläger hat von einem solchen Urteil grundsätzlich nichts mehr, sondern nur noch die Genugtuung, im Recht gewesen zu sein. Darum sind solche Klagen (je nach Konstellation als allgemeine Feststellungsklage oder als Fortsetzungsfeststellungsklage bezeichnet) nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig. Das wäre zum Beispiel bei Wiederholungsgefahr (hier nicht gegeben, weil der Schüler mittlerweile die Schule gewechselt hat) oder bei einem schweren Grundrechtseingriff (hier nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben) der Fall. „Schule behält Handy über das Wochenende“ weiterlesen

Verdächtiger an Baum gefesselt: Arnsdorf-Prozess eingestellt

Mehrere Personen haben einen Asylbewerber, der in einem Supermarkt Straftaten begangen haben, an einen Baum gefesselt. Darüber habe ich vor knapp einem Jahr auf Sie hören von meinem Anwalt berichtet. Der damalige Bericht endete mit der Frage:

Wie wird die Justiz über den Fall Arnstorf entscheiden?

Das weiß niemand.

Mittlerweile wissen wir es: Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld eingestellt.

Die Angeklagten haben also keine Vorstrafe und die Sache ist abgeschlossen. Sie müssen die Verfahrenskosten nicht tragen, nur die Honorare ihrer eigenen Anwälte.

Zu dieser Lösung haben sich Staatsanwaltschaft und Gericht nach nur einer Stunde Verhandlung bereit erklärt – ursprünglich waren zehn Prozesstage angesetzt. Angesichts ist aber nicht so ganz klar, warum die Staatsanwaltschaft den Fall überhaupt angeklagt und nicht gleich eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens angestrebt hat.

Tragisch ist aber, dass der Asylbewerber mittlerweile verstorben ist – natürlich ohne jeden Zusammenhang zur hier verhandelten Tat. Er wurde vor Kurzem erfroren in einem Waldstück in der Nähe gefunden.