Berlin: Schwarzfahrer wegen Zwei-Minuten-Regel

Obskure Zwei-Minuten-Regel macht Sie ungewollt zum Schwarzfahrer
Schnell das Handy-Ticket lösen und gleich ab in die Bahn? Das kostet in Berlin 60 Euro wegen Schwarzfahren.

berlin-1498473_1920So titelt der „Stern“ einen Bericht, in dem es darum geht, dass ein Redakteur sind ein elektronisches Ticket gekauft hat und damit – scheinbar verbotenerweise – sofort losgefahren ist. Die Berliner Verkehrsbetriebe erklären das mit einer Regel, wonach man zuerst 120 Sekunden warten müssen, bis ein solches Handy- oder Online-Ticket seine Gültigkeit erhalte.

Die Frage ist natürlich zunächst, wo das denn festgelegt sein soll. In einem Massengeschäft wie der Personenbeförderung wird natürlich nicht mit jedem einzelnen Fahrgast individuell ein detailliert ausgehandelter, schriftlich fixierter Vertrag geschlossen. Vielmehr schließt man den Vertrag (was man noch genauer darlegen müsste, hier aber nicht relevant ist) durch das Einsteigen in die Bahn oder den Bus. „Berlin: Schwarzfahrer wegen Zwei-Minuten-Regel“ weiterlesen

Video von Einbrecher auf Youtube – Strafverfahren gegen Ladeninhaber?

thief-1562699_1920Das Regensburger Wochenblatt berichtet von einem recht skurrilen Fall: Ein Einbrecher stiehlt nachts Waren und Geld aus einem „Mix-Markt“ in Straubing. Weil er anscheinend (k)ein besonders geschickter Einbrecher ist, hatte er den Weg durch das Dach des Ladens genommen und sich bei dem Sturz (wohl durch das Dach durch) in die eigentlichen Geschäftsräume erheblich verletzt. Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen, wie er recht unvermittelt und wohl aus einiger Höhe auf den Boden knallt.

Eben diese Kameraaufnahmen sind nun aber der Anstoß eines möglichen neuen Strafverfahrens: Um den Dieb zu finden, hat der Betreiber des Getränkemarkt dieses Video nämlich auf Youtube gestellt und Hinweise zum Täter erbeten. Eine Lichtbildfahndung hatte die Polizei vorher angeblich abgelehnt. „Video von Einbrecher auf Youtube – Strafverfahren gegen Ladeninhaber?“ weiterlesen

Die geschäftsführende Bundesregierung

In den letzten Wochen hört man öfters die Aussage, Angela Merkel sei derzeit geschäftsführende Bundeskanzlerin, die anderen Regierungsmitglieder dementsprechend geschäftsführende Minister. Was bedeutet dieser ominöse Begriff nun?

Grundsätzlich ist es so, dass der Bundeskanzler vom Bundestag gewählt wird (Art. 63 GG). Diese Wahl findet regelmäßig in der ersten Sitzung des Bundestags nach einer Bundestagswahl statt. Das ist aber nicht zwingend, insbesondere, wenn – wie aktuell – noch keine Koalition mit „Kanzlermehrheit“ zustande gekommen ist.

Regierungszeit endet mit neuem Bundestag

Nun sagt aber Art. 69 Abs. 2 GG, dass das Amt des Bundeskanzlers und eines Bundesministers „endigt“, sobald der neu gewählte Bundestag zusammengetreten ist. Damit ist die Regierung Merkel also derzeit „eigentlich“ nicht mehr im Amt. „Die geschäftsführende Bundesregierung“ weiterlesen

Ein Abend im Lovelace

Telepolis„Lovelace“, benannt wohl nach Ada Lovelace, nennt sich ein neues Hotel in der Münchner Innenstadt, genauer gesagt ein „Hotel-Happening“. Denn dieses Hotel soll voraussichtlich nur ungefähr zwei Jahre existieren, danach wird das Gebäude wieder eine andere Nutzung erfahren.

Bevor das passiert, richtet das Online-Magazin Telepolis des Heise-Verlags regelmäßig Veranstaltungen der Reihe „Telepolis-Salon“ aus. Dort wird sporadisch jeweils ein bestimmtes Thema mit einigen eingeladenen Experten und vor Publikum diskutiert.

Mein Thema: Recht auf Sezession

Gestern kam mir, wie hier schon angekündigt, die Ehre zu, Experte zu sein. Es ging um das Thema Sezession, wobei mir der juristische Part zukam: Ich sollte aus völkerrechtlicher Sicht darlegen, ob ein Recht auf Sezession besteht. „Ein Abend im Lovelace“ weiterlesen

Das juristische Alphabet – Folge 2

Heute die zweiten Folge unserer neuen Youtube-Serie. Viel Spaß!

Überhangmandate: Sind die Bundestagswahlen ungültig?

scale-310471_1280Bei den Bundestagswahlen im September 2017 gab es 46 Überhangmandate. Teilweise wird daher nun gemutmaßt, dies müsste aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu führen, dass diese Wahl ungültig ist und eine Neuwahl stattfinden muss.

Das ist so aber nicht richtig. Es gibt bis jetzt kein Urteil, das die Gültigkeit dieser Bundestagswahl in Abrede stellen würde.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in den Jahren 2008 und 2012 das damalige Bundeswahlgesetz für verfassungswidrig erklärt, weil es danach zum sogenannten negativen Stimmgewicht kommen konnte – mehr Stimmen für eine Partei konnten in ganz speziellen Konstellationen weniger Mandate bedeuten. Dafür verantwortlich waren in erster Linie die Überhangmandate, die zu den 598 regulären Sitzen im Bundestag hinzukommen konnten. „Überhangmandate: Sind die Bundestagswahlen ungültig?“ weiterlesen

Neue Youtube-Serie: Das juristische Alphabet

In dieser Serie werden jeweils Begriffe aus der Welt der Rechtswissenschaft kurz erklärt – und zwar in jeder Folge zu (fast) jedem Buchstaben des Alphabets einer.

Was ist ein Rechtsstaat?

Im Herbstloch und/oder Wahlkampf ist wieder einmal die Debatte aufgetaucht, ob die DDR denn ein Unrechtsstaat war. Zwei sozialistisch orientierte Regierungschefs aus dem Osten haben sich dagegen verwehrt, weil dies angeblich die DDR-Bürger herabsetze.

Nun sind juristische Wertungen glücklicherweise von persönlichen Befindlichkeiten weitgehend frei. Und es stellt sich im Zusammenhang mit dieser Diskussion über Unrechtsstaaten automatisch die Frage: Was ist eigentlich ein Rechtsstaat?

Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG

Im Grundgesetz wird gemeinhin Art. 20 Abs. 3 GG als das Rechtsstaatsprinzip bezeichnet:

Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Dieser statuiert also eine umfassende Bindung an das Recht. Der Gesetzgeber muss die Verfassung beachten, die übrigen Staatsgewalten müssen die Verfassung und die Gesetze beachten. Insoweit ist der Rechtsstaat also ein Staat, der das Recht beachtet, in dem also Recht herrscht.

Da der Staat es aber ist, der das Recht setzt, ist das noch keine besondere Kunst. Viele Diktaturen wären nach dieser Definition ebenfalls Rechtsstaaten, da sie sich ihr Recht einfach so zurechtbiegen können, wie es ihnen passt. Nur müssen sich die Staatsorgane dann an eben dieses Recht halten. Keine Rechtsstaaten sind demnach nur Staaten, sie sich formal eine rechtliche Gestalt geben, in denen Recht und Gesetz aber nur Staffage sind, während tatsächlich die Willkür herrscht.

Darüber hinaus muss man den Rechtsstaat aber als allgemeines Prinzip ansehen, der gerade nicht der Definition durch eine einzelne Verfassung unterliegt. Überhaupt gibt es keinen allgemein anerkannten Kanon von Prinzipien, die den Rechtsstaat ausmachen. Wer sollte auch eine solche Definitionsmacht besitzen?

Formaler Rechtsstaatsbegriff

Was ein Rechtsstaat ist, wird in der Rechtswissenschaft diskutiert. Diese kennt zunächst einen formalen Rechtsstaatsbegriff. Hierzu gehören neben der Bindung an das Recht noch – je nach Ansicht – folgende Punkte:

Diese „Formalitäten“ stellen sicher, dass der Staat jedenfalls strukturell ein Rechtsstaat ist. Sie ermöglichen es dem Einzelnen, wenigstens für sein eigenes Recht gegen den Staat zu sorgen, indem Institutionen und Klagemöglichkeiten bereitgestellt werden.

DDR genügte dem sicher nicht

Schon nach diesen Kriterien war die DDR übrigens kein Rechtsstaat. Denn es gab keine gesonderte Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern lediglich ein Eingabewesen, über das sich Bürger gegen behördliche Entscheidungen beschweren konnten. In diesem Zusammenhang hatte der Bürger aber keine subjektiven durchsetzbaren Rechte, sondern musste sich darauf verlassen, dass die Verwaltung selbst ihm hilft.

Davon abgesehen hielt sich der Staat auch in vielerlei Hinsicht nicht an das eigene Recht. Plakativstes Beispiel ist das Wahlrecht. Laut Art. 54 der DDR-Verfassung von 1974 sollte die Volkskammer „in freier, allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden“. Tatsächlich gab es eine Einheitsliste der „Nationalen Front“, dominiert von der SED und unter Beteiligung anderer Parteien wie – was man dort nicht mehr gar so gern hört – der CDU. Eine Möglichkeit, Alternativlisten aufzustellen, bestand dagegen nicht. Die Wahl war also in keiner Weise frei.

Materieller Rechtsstaatsbegriff

Zur materiellen Rechtsstaatlichkeit werden noch andere, inhaltliche Anforderungen gezählt:

  • das Bestehen umfassender Grundrechte
  • Eingriffe in Grundrechte nur aufgrund von Gesetzen, nicht durch bloßes Verwaltungshandeln
  • Verhältnismäßigkeit beim Eingriff in Grundrechte
  • Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in der Formulierung von Gesetzen
  • Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot
  • das Bestehen einer prinzipiellen Haftung für staatliches Unrecht
  • Gerechtigkeit als Leitlinie für jede Rechtssetzung

Diese Kriterien werden aber häufig höchst unterschiedlich gehandhabt. Wendet man sie aber sehr stringent an, gibt es insgesamt relativ wenige Rechtsstaaten auf der Welt. Allgemein muss man wohl sagen, dass es das Wesen eines Staates ist, seine Macht ständig zu erweitern und Hinderungsgründe dagegen (die nicht nur mit dem Rechtsstaatsprinzip zu tun haben) möglichst restriktiv auszulegen.

Auch hinsichtlich der Bundesrepublik kann man hier durchaus Bedenken anmelden, was die tatsächliche Wirksamkeit der Grundrechte, die nachvollziehbare Formulierung der Gesetze, den Vertrauensschutz und die Staatshaftung angeht.

Einbürgerung mit zwei Ehefrauen

passport-1051697_640„Deutscher Pass und Zweitfrau – beides geht“ titelte beispielsweise die Stuttgarter Zeitung über ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof vom 25.04.2017 (Az. 12 S 2216/14). Wenngleich diese kurze Zusammenfassung das Urteil durchaus korrekt wiedergibt, möchten wir heute genauer beleuchten, wie es zu diesem Prozess kam und warum diese Entscheidung gefällt wurde.

Eine Ehe in Deutschland, eine in Syrien

Die tatsächlichen Hintergründe sind relativ einfach: Der Kläger ist syrischer Kurde und kam 1999 nach Deutschland. Dort hat er eine durchaus akzeptable Berufslaufbahn hingelegt und zunächst das Abitur gemacht, danach studiert und schließlich als Bauingenieur gearbeitet. Im April 2008 heiratete er in Deutschland eine deutsche Staatsbürgerin. Im Juni 2008 heiratete er in Syrien eine syrische Staatsbürgerin (seine Cousine), mit der er einige Jahre zuvor ein außereheliches Verhältnis hatte.

2010 wurde er eingebürgert; dabei gab er bei der Frage nach „früheren Ehen“ die syrische Ehe nicht an. Ende 2013 nahm die Staatsangehörigkeitsbehörde die Einbürgerung zurück, nachdem sie von der Zweitehe erfahren hatte. „Einbürgerung mit zwei Ehefrauen“ weiterlesen

NetzDG – Die Beschlussfähigkeit des Bundestags

reichstag-1358937_640Nur eine Handvoll an Abgeordneten war es, die sich im Bundestag eingefunden hat, um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das – zumindest außerhalb des Parlaments – wohl umstrittenste Gesetz in der Geschichte der Bundesrepublik, zu verabschieden. Um die 30 bis 60 Bundestagsmitglieder sollen es nur gewesen sein, die das NetzDG abgesegnet haben. Der vorhergehende Tagesordnungspunkt, die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe, wurde dagegen von einem fast vollen Plenum behandelt.

Nun wurde aber teilweise die Frage gestellt, ob der Bundestag in dieser Mini-Besetzung überhaupt einen gültigen Gesetzesbeschluss fassen konnte. Denn schließlich besagt § 45 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundestags (BTGO): „NetzDG – Die Beschlussfähigkeit des Bundestags“ weiterlesen