Vermont: Ein 14-Jähriger will (und darf) Gouverneur werden

Im US-Bundesstaat Vermont kandidiert nun der 14-jährige Ethan Sonneborn für das Amt des Gouverneurs – vorerst aber in der Qualifikationsrunde („primary“) der Demokratischen Partei. Natürlich dürfen auch 14-Jährige in Vermont nicht wählen – für die Wählbarkeit gibt es in dem Staat aber keine Regelungen, also kann auch er theoretisch gewählt werden.

Im deutschen Recht sind passives und aktives Wahlrecht normalerweise parallel geregelt. So sieht Art. 38 Abs. 2 GG vor:

Wahlberechtigt [zum Deutschen Bundestag] ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

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Popularklage zur bayerischen Staatsangehörigkeit

flag-1502678_640Der Bayer Michael Lindner wohnt derzeit in der Schweiz wohnt. Deswegen ist er nach bisheriger Rechtslage nicht zum bayerischen Landtag wahlberechtigt und auch nicht wählbar. Hiergegen hat er eine Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Von diesem erhofft er sich
Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Art. 22 Satz 1 LWG, insoweit für bayerische Staatsangehörige die Wählbarkeit zum Landtag örtlich gebunden ist.
Die Verpflichtung des Landtags auf Erlass eines Staatsangehörigkeitsgesetzes nach Art. 6 Abs. 3 BV.

Bayerische Staatsangehörigkeit existiert

Die Existenz der bayerischen Staatsangehörigkeit, die in Art. 6 der Verfassung festgeschrieben ist, ist ein Symbol bayerischen Selbstverständnisses. Der Freistaat ist eben nicht nur ein Bundesland unter vielen, sondern ein Staatswesen mit reicher Historie, das sich immer noch nicht ganz damit abgefunden hat, aufgrund geschichtlicher Zufälle nun Teil Deutschlands zu sein.

Für viele Bayern hat es einen hohen Stellenwert, dass sie nicht nur rein geographisch in Bayern wohnen, sondern eben auch Bayern sind. Trotzdem gibt es bis heute keine gesetzliche Festlegung dieser Staatsbürgerschaft. Die rechtliche Regelung ergibt sich nur aus der Verfassung, die mit kargen Worten besagt: „Popularklage zur bayerischen Staatsangehörigkeit“ weiterlesen

Wie kein US-Präsident gewählt wird

presidential-election-1336480_640Heute wählen die Vereinigten Staaten einen neuen Präsidenten – so zumindest die allgemeine Meinung. Es könnte aber auch sein, dass die Amerikaner wählen und trotzdem niemand Präsident wird. Das ist zugegebenermaßen nicht besonders wahrscheinlich – aber für wie wahrscheinlich hätte man es vor ein paar Jahren gehalten, dass Hillary Clinton und Donald Trump als die beiden geeignetsten Kandidaten für das mächtigste Amt der Welt angesehen würden?

Bei dieser Wahl kann alles passieren. Ein Gedankenspiel. „Wie kein US-Präsident gewählt wird“ weiterlesen

Stell dir vor, es ist Wahl und keiner gewinnt

In den USA werden die Kandidaten der Parteien für öffentliche Wahlen fast immer im Wege sogenannter Vorwahlen („primary elections“) bestimmt. Die Mitglieder oder Sympathisanten der Partei wählen in einem solchen Vorwahlgang, wer überhaupt auf den Stimmzettel kommt. Die Vorwahlen sind dabei je nach Bundesstaat äußerst unterschiedlich geregelt, sie sind entweder

  • staatlich: Sie organisieren sich nach staatlichem Recht und werden von Behörden durchgeführt.
  • privat: Die Parteien bestimmen über ihre Satzung das Reglement und führen die Wahl durch.
  • teils/teils: Der Staat gibt Regeln vor, die nähere Durchführung obliegt aber den Parteien.

In Nevada sind die Vorwahlen eher dem staatlichen Bereich zuzuordnen. Eine Besonderheit ist dabei, dass man für „None of these Candidates“, also auch für niemanden stimmen kann. Selbstverständlich geht das in irgendeiner Form bei jeder Wahl, indem man entweder nicht hingeht oder den Stimmzettel leer lässt oder sonst ungültig macht. Diese Stimmen ergeben aber allenfalls eine Randnotiz in der Wahlstatistik und werden bei der Ergebnisermittlung nicht berücksichtigt. „Stell dir vor, es ist Wahl und keiner gewinnt“ weiterlesen

Wahlprüfung – für den Bundestag und durch den Bundestag

Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, beginnt die Vorbereitung für eine der Pflichten des Parlaments: Es prüft, ob es eigentlich korrekt gewählt wurde oder ob sich die Abgeordneten selbst wieder nach Hause schicken müssen.

So will es das Grundgesetz, nämlich Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG:

Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages.

Dass der Bundestag hier zum Richter in eigener Sache wird, lässt sich wohl vor allem mit parlamentarischer Tradition begründen. Bereits US-Verfassung (1776), die österreichische Verfassung von 1848 und die Weimarer Reichsverfassung (1919) haben dies so vorgesehen. Ob diese Tradition eine gute ist, darüber kann man sicher streiten. „Wahlprüfung – für den Bundestag und durch den Bundestag“ weiterlesen

Wahlcomputer und Wahlrechtsgrundsätze

Wahlcomputer sind laut BVerfG in der bisher verwendeten Form unzulässig – so der bisherige Stand der Rechtsprechung. Der Wähler müssen nachprüfen können, dass seine Stimme korrekt gezählt werde, und nicht nur darauf vertrauen müssen, dass der Computer schon alles richtig macht. Nicht so sehr eingegangen wurde dagegen, soweit ich die Presse bisher verfolgt habe, auf die Problematik der geheimen Wahl. Denn ob die Stimme wirklich nicht dem jeweiligen Wähler zuordenbar ist, kann man auch von außen nicht sehen. Diese Diskussion gab es dagegen schon bei einer Wahlrechtsneuerung, die für uns heute völlig alltäglich ist: Als in Bayern in den 50er-Jahren auf Initiative der Bayernpartei die Briefwahl eingeführt wurde, hat sich die SPD vehement dagegen ausgesprochen – sie sah das Wahlgeheimnis in Gefahr. „Wahlcomputer und Wahlrechtsgrundsätze“ weiterlesen

Bayerische Staatsangehörigkeit: Wahlberechtigt oder nicht?

In einem halben Jahr wählt Bayern einen neuen Landtag. Da stellt sich die Frage, ob unser hypothetischer nur-bayerischer Staatsbürger eigentlich wählen darf.

Stimmberechtigt sind laut bayerischem Landeswahlgesetz grundsätzlich alle volljährigen Deutschen, die seit mindestens einem Vierteljahr in Bayern wohnen (Art. 1 Abs. 1 LWG). Nun ist der Beispielbürger aber ja gerade kein Deutscher mehr, sondern nur noch Bayer. (Zur Erinnerung: Auf die deutsche Staatsangehörigkeit wurde verzichtet, auf die bayerische nicht.) Damit wäre er also kein Deutscher und somit die erste Voraussetzung des Wahlgesetzes nicht erfüllt.

Nun stellt sich die Frage, wie diese Vorschrift zu lesen ist. (Übrigens heißt es „Deutscher im Sinn des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes“, damit sind auch Flüchtlinge aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg inbegriffen, die formell keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, aber trotzdem wie Deutsche behandelt werden müssen. Das spielt heute praktisch keine Rolle mehr.) Mit „Deutsche“ ist zunächst gemeint, dass nur Staatsbürger wählen dürfen. Ausländer sind nicht wahlberechtigt, auch keine EU-Bürger. Die Trennung zwischen Bayern und Nichtbayern geschieht nicht auf der Ebene der Staatsangehörigkeit, sondern erst auf derjenigen des Wohnsitzes. Dieser muss sich seit drei Monaten auf bayerischem Staatsgebiet befinden. Dass unser Beispielbürger noch immer in Bayern wohnt, vielleicht sogar seit Geburt ununterbrochen in Bayern gewohnt hat, reicht zwar für dieses Kriterium aus. Aber es ändert nichts daran, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft nicht (mehr) besitzt. Er wurde bereits bei der Trennung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen „ausgesiebt“ und den Nicht-Wahlberechtigten zugeordnet.

Allerdings ist nicht alles, was im Gesetz steht, auch automatisch gültig und wortwörtlich anwendbar. Auch das Gesetz muss sich an höherrangigem Recht messen lassen und das ist in dem Fall die Bayerische Verfassung. Art. 7 Abs. 2 sieht vor, dass sich die bayerischen Staatsbürger durch Wahlen und verschiedene Abstimmungen politisch äußern. Art. 13 Abs. 1 der Verfassung bezeichnet die Mitglieder des Landtags als die „Abgeordneten des bayerischen Volkes“. Insofern wäre es höchst undemokratisch, bayerische Bürger von der Landtagswahl auszuschließen.

Und es wäre auch systemwidrig. Denn Artikel 8 der Bayerischen Verfassung stellt Deutsche und Bayern in staatsbürgerlicher Hinsicht gleich:

Alle deutschen Staatsangehörigen, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen.

Und nachdem die Deutschen, unabhängig vom Besitz der bayerischen Staatsangehörigkeit, zweifellos das Wahlrecht nach dem LWG besitzen, wären die Nur-Bayern ihnen gegenüber diskriminiert, wenn sie nicht wählen dürften.

Eine verfassungskonforme Auslegung des Landeswahlgesetzes müsste also so lauten, dass die bayerischen Staatsbürger sowieso wahlberechtigt sind, auch, wenn sich dies nicht so deutlich aus dem Gesetz ergibt.

Ein derartiges Begehren würde aber mit einiger Sicherheit die beteiligten Wahlorgane vor ein erhebliches Dilemma stellen. Die bayerische Staatsangehörigkeit wird nirgends erfasst und es gibt wohl weder rechtliche noch tatsächliche Vorkehrungen, wie der Antrag eines bayerischen Staatsbürgers, doch wählen zu dürfen, zu behandeln wäre. Im Wählerverzeichnis steht er jedenfalls nicht, da dieses nach der (deutschen) Staatsangehörigkeit erstellt wird. Eine nachträgliche Eintragung (§ 13 Abs. 2 der Landeswahlordnung) geschieht nur für bestimmte Personengruppen, z. B. Beamte in Auslandstätigkeit und Strafgefangene.

Es scheint so, dass sich die Rechtswirklichkeit in Bayern ohne eine bayerische Staatsbürgerschaft eingerichtet hat.

Richtig ist, dass es aufgrund der verkümmerten Rechtslage zur bayerischen Staatsangehörigkeit keine Möglichkeit gibt, diese konkreten Personen zuzuerkennen, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof dereinst ausgeführt hat (Urteil vom 12. März 1986, Vf 23-VII-84). Aber wenigstens hat das Gericht die allgemeine Rechtsansicht, dass die bayerische Staatsbürgerschaft als Institution von Verfassung wegen existiert, bestätigt. Diese könne jedoch nur Deutschen die bayerische Staatsbürgerschaft verwehren, sie aber nicht Nicht-Deutschen zuerkennen.

An einen Fall wie den unsrigen wurde dabei jedenfalls bisher nicht gedacht. Wie dieser entschieden würde, bleibt also vorerst offen.

Bundesverfassungsgericht zu Überhangmandaten

Wenn man manche Presseartikel derzeit liest, könnte man meinen, der ganze Bundestag bestünde ausschließlich aus Überhangmandaten. Als das Bundesverfassungsgericht unser Bundestagswahlrecht für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung für 2013 verlangt hat, ist die Diskussion kurz aufgeflammt, hat sich dann aber gleich wieder beruhigt. Nun wurde auch diese Neuregelung verworfen und so wird man sich um eineverfassungskonforme Ausgestaltung bemühen müssen.

Die SPD wähnt sich aus unbekannten Gründen als Leidtragende von Überhangmandaten, will eine möglichst schnelle Reform und führt teilweise einen fast surrealen Wahlkampf auf der Meta-Ebene. Dabei sind die Überhangmandate an sich keineswegs verfassungswidrig. Nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist lediglich die Problematik des negativen Stimmgewichts. Bevor ich das lang erkläre, verweise ich einfach auf den Wikipedia-Artikel dazu.

Kurz gesagt: Bekommt eine Partei in einem Bundesland, in dem sie Überhangmandate erhält, möglichst wenige Zweitstimmen, dann bekommt sie bundesweit tendenziell mehr Gesamtsitze. Da das ganze kaum vorhersehbar ist, gibt es keine wirkliche Möglichkeit, taktisch so zu wählen, daß man „seiner“ Partei oder ggf. einer bestimmten Koalition mehr Mandate verschafft. Nur, wenn es eine isolierte Wahl in einem bestimmten Wahlkreis gibt und das Ergebnis der restlichen Abstimmung bekannt ist, kann man diese Effekte zielgerichtet nutzen. Und so ist es auch 2005 in Dresden passiert – was die erfolgreiche Klage provoziert hat. Dort rief sogar die CDU dazu auf, doch bitte mit der Zweitstimme die FDP zu wählen. Ob umgekehrt es einen Wahlaufruf seitens Rot-Grün für die CDU gegeben hat, entzieht sich meiner Kenntnis. (So ein bißchen erinnert das an das Fußballspiel Barbados gegen Grenada 1994…)

Natürlich ist diese Anomalie des Wahlrechts äußerst unglücklich. Aber man sollte nicht so tun, als wäre das ein beachtenswerter und das Abstimmungsverhalten im Regelfall beeinflussender Systemfehler. Da gibt es wirklich noch ganz andere Kritikpunkte an der Wahlgesetzgebung, um die man sich zuerst kümmern sollte.