Notwehr (V) – Warum wird da überhaupt ermittelt?

gun-937682_640Immer wieder werden in den Medien Fälle geschildert, in denen sich das Opfer einer Straftat gewehrt und unter Umständen dem Täter auch Verletzungen beigebracht hat. Der Abschlusssatz solcher Artikel lautet dann häufig „Die Polizei ermittelt nun wegen Körperverletzung“ – und zwar gegen das Opfer. Der kleine Bruder dieses Satzes ist die juristisch ziemlich unsinnige, aber gleichbedeutend gemeinte Aussage „Ihr/ihm droht nun eine Anzeige wegen Körperverletzung“.

Häufig Unverständnis bei Beobachtern

Häufig drücken Leser des Artikels – sei es nun in sozialen Netzwerken oder in den Kommentarsektionen der Presse selbst – dann ihr Unverständnis darüber aus, dass hier überhaupt ermittelt wird. „Notwehr (V) – Warum wird da überhaupt ermittelt?“ weiterlesen

Der Verteidiger als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft

Als Ermittlungspersonen (früher offiziell, auch heute noch gebräuchlich: „Hilfsbeamte“) der Staatsanwaltschaft bezeichnet die Strafprozessordnung die Polizei, genauer gesagt die nach Landesrecht festgelegten Polizeibeamten. In Bayern legt bspw. die Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft fest, dass ein ganz erheblicher Anteil der Polizisten und unter anderem auch Bedienstete von Zoll- und Bergämtern als solche Hilfsbeamten gelten.

Diese Beamten übernehmen verschiedene Aufgaben für die Staatsanwaltschaft, in der Praxis fast alles, was sich außerhalb des Büros und des Gerichtssaals abspielt: Vernehmungen, Durchsuchungen, Verhaftungen, Beweissicherung usw. „Der Verteidiger als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft“ weiterlesen

Verteidigungslinien im Strafverfahren: Berufungsverhandlung

Die Berufungsverhandlung ist prinzipiell eine zweite Hauptverhandlung. Eine vollwertige zweite Chance auf einen Freispruch für den zuvor verurteilten Angeklagten stellt sie aber nicht dar. Dass das Berufungsgericht von der Bewertung des Ausgangsgerichts abweicht, kommt insgesamt relativ selten vor. Schließlich sind es im Wesentlichen die gleichen Beweise und Argumente, die vorgebracht werden.

Auch die Tatsache, dass man nun vor der Kleinen Strafkammer sitzt, ändert wenig. Zwar ist diese auch bei kleineren Delikten, die in der ersten Instanz vom Einzelrichter entschieden wurden, mit einem Berufsrichter und zwei Laienrichtern (Schöffen) besetzt. Tatsächlich gibt aber auch hier der vorsitzende Berufsrichter aufgrund seiner Erfahrung und seiner Ausbildung den Ton an. Die Schöffen haben aber in der Praxis – trotz gleichen Stimmgewichts – relativ wenig Einfluss auf das Urteil.

Positiv kann sich die zweite Verhandlung aber dann auswirken, wenn der Angeklagte eine positive Sozialprognose ermöglichen will. Diese kann dazu führen, dass eine Bewährungsstrafe statt einer Vollzugsfreiheitsstrafe verhängt wird. Auch kann wegen dieser Sozialprognose statt einer Haftstrafe doch noch eine Geldstrafe in Frage kommen.

Die Zeit zwischen erstinstanzlichem Urteil und Berufungsverhandlung eröffnet also die Chance, noch einmal seine Lebensverhältnisse zu ordnen und sich in besserem Licht zu präsentieren. Man kann sich eine Arbeit suchen, man kann seine Wohnverhältnisse klären (z.B. wenn Mietschulden bestehen oder man nur geduldeter Untermieter ist), man kann sich um Schadenswiedergutmachung bemühen, man kann eine Therapie beginnen, man kann verschiedene Stellen für weitere Hilfe aufsuchen usw. Und vor allem sollte man tunlichst vermeiden, sich in der Zwischenzeit erneut strafbar zu machen.

Wenn man diese Zeit praktisch bereits als „Bewährungszeit“ versteht, kann man hier sicher noch einige Punkte sammeln.

Für die Frage von Schuld oder Unschuld wird das aber in den seltensten Fällen eine große Bedeutung erlangen. Was man aber keinesfalls versuchen sollte, ist, deswegen die Beweislage für die zweite Verhandlung irgendwie selbsttätig zu „verbessern“. Durch die versuchte Beeinflussung von Zeugen oder gar durch die Fälschung von Beweisen kann man seine gerichtlichen Aussichten nicht nur verschlechtern, sondern riskiert sogar Untersuchungshaft.

Verteidigungslinien im Strafverfahren: Hauptverhandlung

Die Hauptverhandlung ist, zumindest in der medialen Darstellung, die Sternstunde des Verteidigers: In einem feurigen Vortrag wird allen Anwesenden eingehämmert, was die Wahrheit war und welche Beweise wie zu deuten sind. Ein Überraschungszeuge nach dem anderen marschiert auf und leistet eine Aussage, die die gesamten Ermittlungen auf den Kopf stellt. In aller Regel kann der wahre Täter dann gleich im Gerichtssaal verhaftet werden.

Kaum etwas ist weiter weg von der Realität. Kaum ein Anwalt wird es schaffen, die Unschuld seines Mandanten nachzuweisen, geschweige denn jemand anderen zu überführen. Es kann immer nur darum gehen, so viele Zweifel an den Tatsachen zu begründen, dass die absolute Überzeugung des Gerichts von der Schuld des Angeklagten, die Grundlage der Verurteilung sein muss, nicht entsteht. „Verteidigungslinien im Strafverfahren: Hauptverhandlung“ weiterlesen

Die Endgültigkeit verschiedener Strafverfahrensbeendigungen

Ist eine staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Entscheidung über ein Strafverfahren ergangen, stellt sich für den Betroffenen die Frage, ob diese endgültig ist und unter welchen Voraussetzungen sie ggf. wiederaufgenommen werden kann. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick hierüber:

Vorschrift Verfahren durch Strafklageverbrauch Wiederaufnahmevoraussetzungen
153 I Einstellung wg. geringer Schuld StA keine
153 II Einstellung wg. geringer Schuld Gericht nur für Vergehen (153a I 5 analog) keine
153a I Einstellung wg. geringer Schuld, Auflagenerfüllung StA nur für Vergehen (153a I 5) keine (153a II analog)
153a II Einstellung wg. geringer Schuld, Auflagenerfüllung Gericht nur für Vergehen (153a II 3, I 5) keine, auch zuerst übersehener Verbrechensvorwurf reicht (M-G, 153a, Rndr. 54)
170 II Einstellung mangels Anklageanlass StA keine, jeder „Anlass“ reicht (M-G, § 170, Rdnr. 9)
204 I Ablehnung der Verfahrenseröffnung Gericht neue Tatsachen/Beweise (211)
407 Verurteilung durch Strafbefehl Gericht nur für Vergehen (373a I) neue Tatsachen/Beweise (373a I)
260 Verurteilung durch Urteil Gericht gesamte prozessuale Tat 362

Verteidigungslinien im Strafverfahren: Zwischenverfahren

Das Zwischenverfahren dient dazu, dass das Gericht Anklagen aussortieren kann, die offentlich schlecht begründet sind, also unzureichende Beweise präsentieren oder eine Sachlage schildern, die keinen Straftatbestand erfüllt. Das kommt allerdings sehr selten vor. Die Staatsanwaltschaft ist erfahren genug, um zu wissen, wie eine rechtlich einwandfreie Anklage verfasst sein muss. „Verteidigungslinien im Strafverfahren: Zwischenverfahren“ weiterlesen

Verteidigungslinien im Strafverfahren: Ermittlungsverfahren

Im Ermittlungsverfahren prüft die Staatsanwaltschaft, meist unter weitgehender Mitwirkung der Polizei, den Tatvorwurf. Es werden der Beschuldigte, der Geschädigte sowie Zeugen vernommen. Beweise werden gesichert und zu den Akten genommen. In diesem Verfahrensabschnitt entsteht das Bild der angezeigten Handlung, das das gesamte spätere Verfahren prägen wird. Allein schon deswegen ist es wichtig, dass der Beschuldigte und sein Verteidiger frühzeitig durch Schiftsätze und Erklärungen ihre Sicht der Dinge darlegen, damit diese nicht ganz untergeht. „Verteidigungslinien im Strafverfahren: Ermittlungsverfahren“ weiterlesen

Verteidigungslinien im Strafverfahren

Im Strafverfahren stellt sich für den Beschuldigten häufig die Frage, wann man besonders aktiv sein muss, um ein für sich günstiges Ergebnis, am besten natürlich einen Freispruch, zu erreichen.

Dabei herrscht nicht selten die Vorstellung vor, von der Staatsanwaltschaft können man grundsätzlich nichts erwarten, da diese der Gegner jedes Beschuldigten sei und in diesem grundsätzlich nur einen üblen Verbrecher sehe. Im Gericht hingegen sitze ein gütiger und völlig neutraler Richter, der es immer schafft, die Wahrheit ans Licht zu bringen. „Verteidigungslinien im Strafverfahren“ weiterlesen

630 Monate Fahrverbot

drivers-license-2534805_1920630 Monate Fahrverbot – so lautete angeblich ein Strafbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf. Die daneben verhängte Geldstrafe von 750 Euro fällt da schon kaum mehr ins Gewicht. Vorgeworfen wurde dem Angeschuldigten Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Fahrerflucht) nach einem kleinen Sachschaden beim Ausparken.

Ein kleinerer Fehler hat sich in die Berichterstattung eingeschlichen, es war nämlich kein Fahrverbot, sondern die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Dies ist noch schlimmer, denn damit bekommt der Autofahrer nicht automatisch nach Ablauf der 630 Monate (52,5 Jahre) seinen Führerschein zurück, sondern muss ihn neu beantragen. Aber 630 Monate bleiben 630 Monate und die Natur des Führerscheinverlusts hätte für den Betroffenen wohl wenig Unterschied gemacht. „630 Monate Fahrverbot“ weiterlesen

Strafbefehl gegen den Notarzt

„Ein Notarzt war im Einsatz, als ein Kind zu ersticken drohte. Er wurde angezeigt, weil er andere Autofahrer in Bedrängnis gebracht haben soll. Nun soll er 4500 Euro zahlen.“ So schildert die Augsburger Allgemeine den vorläufigen Stand eines Strafverfahrens. „Strafbefehl gegen den Notarzt“ weiterlesen