Abmahnungen

Abmahnungen sorgen immer wieder für Schlagzeilen, nicht nur in der Welt der Juristerei. Dass die bisherige Praxis nicht nur politisch inakzeptabel, sondern auch juristisch fragwürdig ist, soll dieser Beitrag zeigen. Und auch, wenn sich das Datum anbieten würde – nichts davon ist ein Aprilscherz.

Eine kurze Erläuterung zum Sprachgebrauch: Hier wird in der Regel nur pauschal von „Abmahnung“ die Rede sein. In Wirklichkeit geht es sowohl um die Abmahnung im engeren Sinne (also die Aufforderung, ein bestimmtes rechtswidriges Handeln in Zukunft zu unterlassen) als auch um die in der Regel parallel vorliegende Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

A. Hinführung

Die Tatsache, dass die Kosten außergerichtlicher Abmahnungen ersetzt werden müssen, ist nicht etwa einer übersehenen Gesetzeslücke geschuldet. Im Gegenteil, es gibt – von der eher selten einschlägigen Sondervorschrift des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, auf die aber genauso die Ausführungen über die Erforderlichkeit (unten Ziffer 4) zutreffen – keine Vorschrift, die etwas derartiges anordnet. Es handelt sich im wesentlichen um eine richterliche Rechtsfortbildung, die aus dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) entwickelt wurde. „Abmahnungen“ weiterlesen

Historisch-synoptische Versionen von Bundesgesetzen

Auf lexetius.com werden historisch-synoptische Versionen bedeutender Bundesgesetze angeboten. Man kann sich also den Weg der Paragraphen aus Kaisers Zeiten bis in die Gegenwart anschauen:

HGB
StPO
ZPO (früher: CPO)

Ein wahrer Schatz für alle rechtsgeschichtlich Interessierten.

Bayerische Staatsangehörigkeit: Wahlberechtigt oder nicht?

In einem halben Jahr wählt Bayern einen neuen Landtag. Da stellt sich die Frage, ob unser hypothetischer nur-bayerischer Staatsbürger eigentlich wählen darf.

Stimmberechtigt sind laut bayerischem Landeswahlgesetz grundsätzlich alle volljährigen Deutschen, die seit mindestens einem Vierteljahr in Bayern wohnen (Art. 1 Abs. 1 LWG). Nun ist der Beispielbürger aber ja gerade kein Deutscher mehr, sondern nur noch Bayer. (Zur Erinnerung: Auf die deutsche Staatsangehörigkeit wurde verzichtet, auf die bayerische nicht.) Damit wäre er also kein Deutscher und somit die erste Voraussetzung des Wahlgesetzes nicht erfüllt.

Nun stellt sich die Frage, wie diese Vorschrift zu lesen ist. (Übrigens heißt es „Deutscher im Sinn des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes“, damit sind auch Flüchtlinge aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg inbegriffen, die formell keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, aber trotzdem wie Deutsche behandelt werden müssen. Das spielt heute praktisch keine Rolle mehr.) Mit „Deutsche“ ist zunächst gemeint, dass nur Staatsbürger wählen dürfen. Ausländer sind nicht wahlberechtigt, auch keine EU-Bürger. Die Trennung zwischen Bayern und Nichtbayern geschieht nicht auf der Ebene der Staatsangehörigkeit, sondern erst auf derjenigen des Wohnsitzes. Dieser muss sich seit drei Monaten auf bayerischem Staatsgebiet befinden. Dass unser Beispielbürger noch immer in Bayern wohnt, vielleicht sogar seit Geburt ununterbrochen in Bayern gewohnt hat, reicht zwar für dieses Kriterium aus. Aber es ändert nichts daran, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft nicht (mehr) besitzt. Er wurde bereits bei der Trennung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen „ausgesiebt“ und den Nicht-Wahlberechtigten zugeordnet.

Allerdings ist nicht alles, was im Gesetz steht, auch automatisch gültig und wortwörtlich anwendbar. Auch das Gesetz muss sich an höherrangigem Recht messen lassen und das ist in dem Fall die Bayerische Verfassung. Art. 7 Abs. 2 sieht vor, dass sich die bayerischen Staatsbürger durch Wahlen und verschiedene Abstimmungen politisch äußern. Art. 13 Abs. 1 der Verfassung bezeichnet die Mitglieder des Landtags als die „Abgeordneten des bayerischen Volkes“. Insofern wäre es höchst undemokratisch, bayerische Bürger von der Landtagswahl auszuschließen.

Und es wäre auch systemwidrig. Denn Artikel 8 der Bayerischen Verfassung stellt Deutsche und Bayern in staatsbürgerlicher Hinsicht gleich:

Alle deutschen Staatsangehörigen, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen.

Und nachdem die Deutschen, unabhängig vom Besitz der bayerischen Staatsangehörigkeit, zweifellos das Wahlrecht nach dem LWG besitzen, wären die Nur-Bayern ihnen gegenüber diskriminiert, wenn sie nicht wählen dürften.

Eine verfassungskonforme Auslegung des Landeswahlgesetzes müsste also so lauten, dass die bayerischen Staatsbürger sowieso wahlberechtigt sind, auch, wenn sich dies nicht so deutlich aus dem Gesetz ergibt.

Ein derartiges Begehren würde aber mit einiger Sicherheit die beteiligten Wahlorgane vor ein erhebliches Dilemma stellen. Die bayerische Staatsangehörigkeit wird nirgends erfasst und es gibt wohl weder rechtliche noch tatsächliche Vorkehrungen, wie der Antrag eines bayerischen Staatsbürgers, doch wählen zu dürfen, zu behandeln wäre. Im Wählerverzeichnis steht er jedenfalls nicht, da dieses nach der (deutschen) Staatsangehörigkeit erstellt wird. Eine nachträgliche Eintragung (§ 13 Abs. 2 der Landeswahlordnung) geschieht nur für bestimmte Personengruppen, z. B. Beamte in Auslandstätigkeit und Strafgefangene.

Es scheint so, dass sich die Rechtswirklichkeit in Bayern ohne eine bayerische Staatsbürgerschaft eingerichtet hat.

Richtig ist, dass es aufgrund der verkümmerten Rechtslage zur bayerischen Staatsangehörigkeit keine Möglichkeit gibt, diese konkreten Personen zuzuerkennen, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof dereinst ausgeführt hat (Urteil vom 12. März 1986, Vf 23-VII-84). Aber wenigstens hat das Gericht die allgemeine Rechtsansicht, dass die bayerische Staatsbürgerschaft als Institution von Verfassung wegen existiert, bestätigt. Diese könne jedoch nur Deutschen die bayerische Staatsbürgerschaft verwehren, sie aber nicht Nicht-Deutschen zuerkennen.

An einen Fall wie den unsrigen wurde dabei jedenfalls bisher nicht gedacht. Wie dieser entschieden würde, bleibt also vorerst offen.

Bayerische Staatsangehörigkeit: Bayer, aber kein Deutscher?

Bekanntlich ist die deutsche Staatsbürgerschaft für alle Deutschen dieselbe. Es gab einmal Zeiten, in denen dies anders war und die deutsche Staatsangehörigkeit nur von den Staatsangehörigkeiten der Länder abgeleitet war. Man war also beispielsweise Sachse und daraus abgeleitet auch Deutscher. Seit nunmehr 80 Jahren besteht die aktuelle Regelung und es gibt eben nur diese eine deutsche (seit 1990: bundesdeutsche) Staatsangehörigkeit.

Das gilt aber nur für den Bund, denn nur die Staatsangehörigkeit im Bund ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes überhaupt vom Bund zu regeln. Daraus folgt denklogisch, dass es auch eine Staatsangehörigkeit der Länder gibt. Eine solche sieht z. B. Bayern in Artikel 6 seiner Verfassung vor:

(1) Die Staatsangehörigkeit wird erworben
1. durch Geburt;
2. durch Legitimation;
3. durch Eheschließung;
4. durch Einbürgerung.

(2) Die Staatsangehörigkeit kann nicht aberkannt werden.

(3) Das Nähere regelt ein Gesetz über die Staatsangehörigkeit.

In der Praxis spielt diese Staatsangehörigkeit keine Rolle, da gemäß Art. 8 der Bayerischen Verfassung und Art. 33 Abs. 1 des Grundgesetzes alle Deutschen in Bayern gleich zu behandeln sind. Darum hat man sich auch nicht lange aufgehalten, das Ausführungsgesetz nach Abs. 3 zu verabschieden, das das „Nähere über die Staatsangehörigkeit“ regelt. Damit ist es sehr schwierig, die bayerische Staatsangehörigkeit in der Praxis zu behandeln, da ziemlich unklar bleibt, wie und nach welchem Verfahren sie erworben und verloren wird. Nach absolut herrschender Meinung ändert das jedoch nichts daran, dass es eine bayerische Staatsangehörigkeit gemäß Verfassung gibt.

Wer also z. B. als Tochter bayerischer Eltern in Bayern geboren wird, ist Bayerin. Es mag einige Zweifelsfälle geben, vor allem, wenn sich die Staatsbürgerschaft nicht bis auf Vorfahren zurückführen lässt, die vor 1934 noch die „echte“ bayerische Staatsbürgerschaft besaßen. Mangels Relevanz gibt es auch nicht viele Gerichtsurteile, die diese feine Trennlinie herausarbeiten konnten. Aber im Großen und Ganzen dürfte schon klar sein, wer Bayer ist und wer nicht.

In dem Zusammenhang stellt sich aber eine interessante Frage, die auch praktische Bedeutung erlangen könnte: Kann man Bayer sein, ohne Deutscher zu sein?

Der Schreiber dieser Zeilen wurde in den 1970er Jahren in Niederbayern geboren. Seine Eltern lebten seit Geburt in Niederbayern, ebenso die Großelterngeneration. Die Urgroßeltern stammten größtenteils aus Niederbayern, ein Urgroßvater aus Oberbayern, eine Urgroßmutter aus Mittelfranken. Sie alle waren bayerische Staatsbürger. Ohne vernünftigen Zweifel bin damit auch ich selbst Bayer nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verfassung („durch Geburt“).

Die deutsche Staatsbürgerschaft habe ich über § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (das bis zum Anfang dieses Jahrtausends noch völlig anachronistisch „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“, RuStAG hieß) ebenfalls noch am ersten Lebenstag erhalten und besitze sie noch immer.

Ich könnte die deutsche Staatszugehörigkeit aber ablegen, wenn ich das wollen würde (§ 26 StAG). Das geht zwar nur, wenn ich mehrere Staatsbürgerschaften besäße. Die bayerische nehmen wir hier mal raus, um die Dinge nicht zu verkomplizieren; aber tun wir so als hätte ich daneben noch die österreichische Staatsbürgerschaft, weil ich mich irgendwann einmal (juristisch einwandfrei) hätte einbürgern lassen.

Was passiert dann mit meiner bayerischen Staatsbürgerschaft?

Möglicherweise ist mein Verzicht auf die bayerische Staatsbürgerschaft im Verzicht auf die deutsche schlüssig enthalten. Dahinter müsste man ein großes Fragezeichen setzen, denn so ohne Weiteres wird dieser Wille sicher nicht klar. Wenn ich in die (verpflichtend schriftliche, § 26 Abs. 1 Satz 2 StAG) Erklärung ausdrücklich hinzufüge „Dieser Verzicht erstreckt sich nicht auf die bayerische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 6 BV“, dann bleibt für eine anderweitige Auslegung keinerlei Spielraum mehr.

Unter Umständen verliert man mit der deutschen automatisch auch die bayerische Staatsbürgerschaft. Das könnte das bayerische Staatsangehörigkeitsgesetz freilich so anordnen; aber ein solches gibt es ja gerade nicht. Daher bleibt es bei der Regelung des Art. 6 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung, dass die bayerische Staatsangehörigkeit nicht aberkannt werden kann. Damit ist auch untersagt, sie demjenigen zu entziehen, der kein Deutscher sein mag.

In meinem Beispiel wäre ich also Bayer und Österreicher, aber kein Deutscher mehr.

In welchen Konstellationen dies von Bedeutung wäre, werde ich mit dem nächsten Beitrag ansprechen.

Die Bienen im BGB

Bienen müssen äußerst wichtige Tiere sein. Jedenfalls sind sie die einzigen, denen sich das BGB derart ausführlich widmet:

§. 961.
Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigenthümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigenthümer die Verfolgung aufgiebt.

§. 962.
Der Eigenthümer des Bienenschwarmes darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigenthümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.

§. 963.
Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigenthümer, so werden die Eigenthümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigenthümer des eingefangenen Gesammtschwarmes; die Antheile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme.

§. 964.
Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenwohnung eingezogen, so erstrecken sich das Eigenthum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen Schwarm. Das Eigenthum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwarme erlöschen.

Und wie zeitlos die Bienen und die mit ihnen einhergehenden rechtlichen Probleme sind, zeigt auch, dass diese Paragraphen (im Gegensatz zu praktisch allen anderen Vorschriften) seit 114 Jahren unverändert sind. Bis auf eine Ausnahme natürlich: Den Eigenthümer schreibt man nicht mehr mit th.

Bundesgerichtshof, 09.06.2010, XII ZB 132/09

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Juli 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1669 €

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Abänderung eines Urteils zum nachehelichen Unterhalt aus der geschiedenen ersten Ehe des Klägers. Das Urteil des Amtsgerichts vom 5. Februar 2009 ist dem Kläger nicht in Ausfertigung, sondern in beglaubigter Abschrift am 27. März 2009 zugestellt worden. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil ist am 23. Mai 2009 beim Oberlandesgericht eingegangen, die Berufungsbegründung am 27. Mai 2009.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingegangen sei. Die Berufungsfrist habe mit Zustellung der beglaubigten Abschrift des Urteils begonnen.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begehrt.

II.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 – XII ZR 50/08 – FamRZ 2010, 357 Tz. 7 m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Sie ist auch begründet.

1. Die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung beginnt nach § 517 ZPO mit Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Die Zustellung erfolgt nach § 317 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen. Freilich bleibt das Original des Urteils stets bei den Akten. Stattdessen ist eine Ausfertigung zuzustellen (Wieczorek/Schütze/Rensen ZPO 3. Aufl. § 317 Rdn. 7).

a) Eine Ausfertigung ist eine in gesetzlich bestimmter Form gefertigte Abschrift, die dem Zweck dient, die bei den Akten verbleibende Urschrift nach außen zu vertreten (Senatsbeschluss vom 30. Mai 1990 – XII ZB 33/90 – FamRZ 1990, 1227). Durch die Ausfertigung soll dem Zustellungsempfänger die Gewähr der Übereinstimmung mit der bei den Akten verbleibenden Urteilsurschrift geboten werden (BGHZ 100, 234, 237 = NJW 1987, 2868 m.w.N. sowie BGH Beschlüsse vom 20. Juni 1989 – X ZB 12/87 und vom 28. November 2006 – VIII ZB 116/05 – jeweils veröffentlicht bei juris). Der Ausfertigungsvermerk bezeugt als eine besondere Art der Beurkundung, dass die Ausfertigung mit der Urschrift des Urteils übereinstimmt. Wegen dieser Besonderheit verlangt das Gesetz, dass die Ausfertigung von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen ist (§ 317 Abs. 4 ZPO).

Mit der Unterschrift erklärt der Urkundsbeamte, dass die in der Ausfertigung wiedergegebenen Teile des Urteils gleich lautend mit denen der Urschrift sind. Diese Erklärung braucht nicht wörtlich in dem Ausfertigungsvermerk enthalten zu sein. Das Gesetz sieht eine bestimmte äußere Form für den Ausfertigungsvermerk nicht vor (BGH Urteil vom 13. März 1969 – III ZR 178/67 – VersR 1969, 709, 710). Die Urteilsabschrift muss aber zumindest durch die Unterschrift des Urkundsbeamten, das Gerichtssiegel oder den Dienststempel und Worte wie „Ausfertigung“ oder „ausgefertigt“ erkennen lassen, dass es sich um eine Ausfertigung im Sinne des § 317 Abs. 4 ZPO handeln soll (BGH Urteil vom 18. Mai 1994 – IV ZR 8/94 – VersR 1994, 1495). Der Bundesgerichtshof hat deswegen bereits mehrfach die Zustellung beglaubigter Abschriften, die den Beglaubigungsvermerk nicht enthielten oder ihn unvollständig wiedergaben, für unwirksam gehalten, weil es damit für den Zustellungsempfänger an der Gewähr fehle, dass das ihm zugestellte Schriftstück der Urschrift entsprach (vgl. BGHZ 100, 234, 237 f. = NJW 1987, 2868).

b) Ob an Stelle einer Urteilsausfertigung auch eine beglaubigte Urteilsabschrift die Zustellungswirkung des § 517 ZPO begründen kann, ist in der Literatur umstritten (vgl. BGH Urteil vom 18. Mai 1994 – IV ZR 8/94 – VersR 1994, 1495).

aa) Teilweise wird vertreten, dass die in § 517 ZPO vorausgesetzte Amtszustellung statt in der Form einer vollständigen Urteilsausfertigung auch durch eine beglaubigte Abschrift des Urteils erfolgen kann (Thomas/Putzo/Reichold ZPO 30. Aufl. § 517 Rdn. 2; Hk-ZPO/Wöstmann 3. Aufl. § 517 Rdn. 2 und MünchKommZPO/Rimmelspacher 3. Aufl. § 517 Rdn. 9).

Überwiegend wird allerdings unter Hinweis auf die Bedeutung einer Ausfertigung und die Vorschrift des § 317 Abs. 1 und 4 ZPO vertreten, dass nur die Zustellung einer Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung die Berufungsfrist nach § 517 ZPO in Lauf setzen kann (Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 317 Rdn. 4; Musielak/Musielak ZPO 7. Aufl. § 317 Rdn. 3; Wieczorek/Schütze/ Rensen ZPO 3. Aufl. § 317 Rdn. 7 und Prütting/Gehrlein/Lemke ZPO § 517 Rdn. 5).

bb) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Die nach § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zuzustellenden Dokumente können grundsätzlich in Urschrift, Ausfertigung oder (beglaubigter) Abschrift zugestellt werden. Dabei ist die Zustellung einer beglaubigten Abschrift stets dann ausreichend, wenn das Gesetz keine andere Regelung enthält (Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 166 Rdn. 5). Denn eine besondere Form der Zustellung hat der Gesetzgeber ausdrücklich speziellen materiell- oder prozessrechtlichen Vorschriften vorbehalten (BT-Drucks. 14/4554 S. 15). Eine solche spezielle Vorschrift enthält das Gesetz in § 317 ZPO für die Zustellung von Urteilen.

Dass die Übergabe einer bloßen Abschrift des Urteils nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße und wirksame Zustellung erfüllt, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (BGH Beschluss vom 20. Juni 1989 – X ZB 12/87 – veröffentlicht bei juris). Soweit die Zustellung einer beglaubigten Abschrift für ausreichend erachtet wird, geht dies auf das frühere Recht zurück, das bis Juni 1977 eine Zustellung im Parteibetrieb vorsah. Die darauf beruhende Rechtsprechung beschränkt sich deswegen auf Fälle, in denen eine beglaubigte Abschrift einer bereits vorliegenden Urteilsausfertigung zugestellt wurde (BGH Urteil vom 10. Juni 1964 – VIII ZR 286/63 – MDR 1964, 916 und Beschlüsse vom 1. Juli 1974 – VIII ZB 17/74 – BGHWarn 1974, 475 und vom 29. September 1959 – VIII ZB 5/59 – NJW 1959, 2117, 2118 m.w.N.). Auf die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Urteils ohne vorliegende Ausfertigung des Urteils ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar. Solange keine Ausfertigung der in den Akten verbleibenden Urschrift des Urteils erstellt ist, ist der Zweck, das Urteil nach außen zu vertreten, nicht erreicht (vgl. BGH Beschluss vom 28. November 2006 – VIII ZB 116/05 – veröffentlicht bei juris). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht die Form der Ausfertigung der besonderen Bedeutung und Wichtigkeit der kundzugebenden Entscheidung. Erst der Ausfertigungsvermerk verleiht der Ausfertigung die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde und bezeugt deren Übereinstimmung mit der in den Akten verbleibenden Urschrift (BGHZ 100, 234, 237 = NJW 1987, 2868 m.w.N.; vgl. auch § 47 BeurkG). Entsprechend lautet die amtliche Überschrift des § 317 ZPO auch „Urteilszustellung und -ausfertigung“ und für schriftlich vorliegende Urteile sieht § 317 Abs. 4 ZPO lediglich die Erstellung von Ausfertigungen und Auszügen vor.

Für die Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist kommt es entscheidend auf äußere Form und Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an; bei Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung ist allein die Ausfertigung maßgeblich, weil allein sie nach außen in Erscheinung tritt und die Beschwerdepartei ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 – XII ZB 75/00 – NJW 2001, 1653, 1654 und BGH Beschluss vom 25. Mai 2006 – IV ZB 47/05 – FamRZ 2006, 1114, 1115).

2. Die danach für den Beginn der Berufungsfrist nach §§ 517, 317 ZPO notwendige Ausfertigung des angefochtenen Urteils ist dem Kläger nicht bereits am 27. März 2009 zugestellt worden.

a) Allerdings mangelt es nicht schon deshalb an einer wirksamen Zustellung des Urteils, weil – wie die Rechtsbeschwerde meint – die Unterschrift der mitwirkenden Richterin in der zugestellten beglaubigten Abschrift nicht ordnungsgemäß wiedergegeben sei. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, wenn die Unterschrift in Klammern gesetzt und kein weiterer Hinweis (etwa „gez.“) hinzugefügt ist, dass der Richter das Urteil unterschrieben hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es allerdings aus, wenn in der Ausfertigung die Namen der beteiligten Richter in Maschinenschrift ohne Klammern angegeben sind. Dann ist im Allgemeinen ein weiterer auf die Unterzeichnung hinweisender Zusatz nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 30. Mai 1990 – XII ZB 33/90 – FamRZ 1990, 1227; BGH Urteil vom 18. Mai 1994 – IV ZR 8/94 – VersR 1994, 1495 und Beschluss vom 1. April 1981 – VIII ZB 24/81 – VersR 1981, 576).

b) Bei der dem Kläger zugestellten Abschrift handelt es sich jedoch nicht um eine Ausfertigung des Urteils. Denn dieser Abschrift fehlt ein Ausfertigungsvermerk, der – wie ausgeführt – nicht durch den vorhandenen Beglaubigungsvermerk ersetzt werden kann.

3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ergibt sich eine wirksame Zustellung am 27. März 2009 auch nicht aus der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Parteizustellung.

Soweit im Rahmen der bis Juni 1977 vorzunehmenden Parteizustellung eine beglaubigte Abschrift der Urteilsausfertigung zugestellt werden durfte, hing die Wirksamkeit der Zustellung davon ab, dass die beglaubigte Abschrift in allen wesentlichen Punkten mit der zuvor erteilten Ausfertigung übereinstimmte (BGH Beschluss vom 1. Juli 1974 – VIII ZB 17/74 – BGHWarn 1974, 475). Es folgt schon aus der Natur der Sache, dass eine beglaubigte Abschrift nicht erstellt werden kann, bevor das Original – und im Falle einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung die Ausfertigung selbst – erstellt ist. Entsprechend sieht § 317 Abs. 2 ZPO vor, dass Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften eines Urteils nicht erteilt werden dürfen, solange das Urteil nicht verkündet und nicht unterschrieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Mai 2007 – XII ZB 82/06 – NJW 2007, 3640 Tz. 20).

Hier wurde die vollstreckbare Ausfertigung des angefochtenen Urteils ausweislich der Gerichtsakten erst am 4. Mai 2009 erstellt. Bei der schon zuvor am 27. März 2009 zugestellten beglaubigten Abschrift kann es sich mithin nicht um die Beglaubigung der erst später erstellten Urteilsausfertigung handeln.

4. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt der Lauf der einmonatigen Berufungsfrist aus § 517 ZPO nicht, wenn den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Ausfertigung und Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu stellen sind, nicht Genüge getan ist (BGH Urteil vom 18. Mai 1994 – IV ZR 8/94 – VersR 1994, 1495). Das ist auch hier der Fall.

Im Zeitpunkt der Zustellung am 27. März 2009 war entgegen der zwingenden Vorschrift des § 317 ZPO noch keine Ausfertigung des angefochtenen Urteils erteilt. Die Zustellung der beglaubigten Abschrift des Urteils hat die Berufungsfrist deswegen noch nicht in Lauf gesetzt. Selbst nach Erteilung der vollstreckbaren Urteilsausfertigung am 4. Mai 2009 ist keine weitere Zustellung an den Kläger erfolgt. Er hat folglich mit der am 23. Mai 2009 eingegangenen Berufungsschrift die Berufungsfrist des § 517 ZPO und mit der am 27. Mai 2009 eingegangenen Berufungsbegründung die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO gewahrt. Das Berufungsgericht hat die Berufung deswegen zu Unrecht verworfen. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur weiteren Veranlassung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Verdachtskündigungen

Nein, keine Angst, ich will mich nicht darüber auslassen, ob es verhältnismäßig ist, eine Kassiererin wegen 1,30 Euro rauszuschmeißen. Und auch ich weiß nicht, wer da was geklaut hat und was die Motive für die Kündigung waren. Zumal es zu diesen Komplexen wohl nichts gibt, was noch nicht in den letzten Tagen in den Weiten des Internets gesagt wurde. Etwas zu kurz kam aber die Frage, warum es Verdachtskündigungen überhaupt gibt. Auf den ersten Blick sträubt sich einem da ja alles. Für einen bloßen Verdacht kann man gekündigt werden? Obwohl man vielleicht unschuldig ist? Sauerei! Inquisition! Willkür! Skandal! Mittelalter! „Verdachtskündigungen“ weiterlesen

Das Recht am eigenen Bild

Das Recht am eigenen Bild ist das Recht, selbst darüber zu bestimmen, ob, wie und wo Bilder von einem selbst veröffentlicht werden. Dabei geht es aber um Bilder, die einen selbst zeigen, nicht um solche, die man selbst aufgenommen hat.

Beispiel: Fotograf F macht vom Prominenten P ein Foto. Das Urheberrecht am Foto liegt nun bei F (§ 72, § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 7 Urheberrechtsgesetz) und er hat das volle Recht, darüber zu verfügen, wie er dies möchte (§ 15 UrhG). Er darf es also vervielfältigen (§ 16 UrhG), senden (§ 20 UrhG) und eigentlich sonst auch alles tun, was ihm in den Sinn kommt.

P ist auf diesem Bild nur das Objekt, er hat also prinzipiell keinerlei Rechte daran. Um dem entgegenzuwirken, gibt es § 22 Abs. 1 des Kunsturhebergesetzes, der dem Fotografierten ein Mitspracherecht einräumt:

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.

Diese Einwilligungsnotwendigkeit wird aber durch Absatz 2 der Vorschrift wieder relativiert, der unter anderem den „Bereich der Zeitgeschichte“ ausnimmt. Damit darf man also sehr wohl Politiker, Sportler und Prominente fotografieren und die Bilder veröffentlichen, solange dadurch kein „berechtigtes Interesse des Abgebildeten“ verletzt wird.

Diese Begriffe sind nicht nur für den Laien ziemlich unklar. Wie weit die Zeitgeschichte reicht, ob sie insbesondere auch Bilder aus privaten Lebenssituationen umfasst, beschäftigt die Gerichte immer wieder. Und auch das angesprochene berechtigte Interesse kann nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Insofern kann man nur froh sein, dass es vielen Prominenten ja durchaus recht ist, dass sie regelmäßig auf den Titelseiten von Boulevardblättern zu finden sind.

Übrigens war das Kunsturhebergesetz („Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie“) aus dem Jahr 1907 der vorläufer des heutigen Urheberrechtsgesetzes („Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“). Aus dem KunstUrhG sind nur noch ganz wenige Paragraphen in Kraft – eben jene über das Recht am eigenen Bild.

Amnesty International: Folterbericht

Im Folterbericht von Amnesty International wird teilweise tatsächliche Folter angeprangert, teilweise die Verwendung von unter Folter gemachten Aussagen. Auch bundesdeutsche Behörden wurden und werden kritisiert. Die Erzwingungen von Aussagen ist natürlich schon in pragmatischer Hinsicht sehr fragwürdig, da der Wahrheitsgehalt derartiger Beweise – ähnlich wie bei der Kronzeugenregelung – sehr unsicher ist. Darum muss man sich schon einmal fragen, wie die Folter denn überhaupt jemals ihren Weg ins Strafrecht gefunden hat. Für uns klingt das heute alles sehr düster, barbarisch und mittelalterlich. Dabei ist das Tragische, dass die Einführung der Folter im Grunde nur die Nebenwirkung einer umfassenden Modernisierung und Rationalisierung des Rechts war. „Amnesty International: Folterbericht“ weiterlesen