100 % Durchfaller beim Abitur: Eltern klagen gegen Schule

Im Jahr 2013 fiel der gesamte Abiturjahrgang einer (privaten) Fachoberschule durch das (staatliche) Abitur. Ganz korrekt ist das allerdings nicht, denn zwei der 27 Schüler konnten über die mündlichen Prüfungen noch das Bestehen sichern – freilich mit nicht gerade berauschenden Noten, aber bestanden ist bestanden. Nun stellt sich die Frage nach einem Schadenersatzanspruch der Eltern gegen die Schule.

Laut FAZ klagt nun der überwiegende Teil der Eltern gegen die Schule auf Rückerstattung des Schulgelds. Wie der Prozess ausgehen wird, lässt sich freilich ohne nähere Detailkenntnis nicht vorhersagen. Man kann aber anhand des konkreten Beispiels einige grundsätzliche Fragen diskutieren. „100 % Durchfaller beim Abitur: Eltern klagen gegen Schule“ weiterlesen

Verjährung von Steuerhinterziehung wird verlängert

Wieder einmal hat die Diskussion darüber begonnen und diesmal soll es tatsächlich umgesetzt werden: Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung wird verlängert, und zwar von fünf auf zehn Jahre.

Zunächst ein kurzer Exkurs über das Wesen der Verjährung: Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann eine Straftat nicht mehr verfolgt werden, § 78 Abs. 1 StGB. Der Grund dafür ist einerseits der natürliche Schwund an Beweismitteln – Zeugen können sich nicht mehr so genau erinnern, Dokumente existieren nicht mehr usw. Andererseits hat die Zeit aber auch eine schuldtilgende Wirkung – wenn jemand vor zwölf Jahren ohne Ticket mit dem Bus gefahren ist, dann ist das heute nicht mehr wirklich bedeutsam. Aus letzterem Grund ist die Verjährungsfrist auch von der Schwere der Tat abhängig. „Verjährung von Steuerhinterziehung wird verlängert“ weiterlesen

Katze trifft Auto

Man nehme folgenden Fall: Eine Katze läuft in ein Auto. Die Katze wird verletzt, es entstehen Tierarztkosten. Das Auto wird beschädigt und muss repariert werden. Wer zahlt?

Das deutsche Schadenersatzrecht ist vom Verschuldensgrundsatz geprägt. Zahlen muss nur der, den ein Verschulden trifft, der als „etwas dafür kann“. In diesem Fall kann man (wenn sich beide ordnungsgemäß verhalten haben) weder dem Besitzer der Katze noch dem Autofahrer einen Vorwurf machen. Also müsste jeder seinen Schaden selbst zahlen und keiner hätte einen Anspruch gegen den anderen. „Katze trifft Auto“ weiterlesen

Wie viel bekommen Parlamentsfraktionen?

In wenigen Tagen beginnt die neue Legislaturperiode der Kommunalparlamente in Bayern. Zwar sind die Gemeinderäte, Stadträte und Kreistage eigentlich keine Parlamente im engeren Sinne, sondern Exekutivorgane, aber der Begriff „Parlament“ hat sich eingebürgert. Mit Parlamenten haben sie auch eines gemeinsam, worum es heute geht: Die Fraktionen.

Fraktionen sind Zusammenschlüsse mehrerer Abgeordneter der gleichen Partei oder mit gleicher politischer Zielrichtung. Innerhalb der Fraktion teilen sie sich in aller Regel die Parlamentsarbeit. Zur Unterstützung bei dieser Arbeit erhalten die Fraktionen bestimmte Gelder zugeteilt, um z.B. Personal zu beschäftigen, Bürogegenstände anzuschaffen oder ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit darzustellen. Diese Mittel sind bei kleinen Gemeinden spärlich bis nicht vorhanden, in großen Städten dagegen meist recht ansehnlich. Darum kommt es ab und zu zu kommunalrechtlichen Streitigkeiten über ihre Höhe. „Wie viel bekommen Parlamentsfraktionen?“ weiterlesen

Die nachträgliche Gesamtstrafe (II)

Fortsetzung zu: Die nachträgliche Gesamtstrafe (I)

Schwer erträglich sind aber auch die Rahmenbedingungen für die Bildung der Gesamtstrafe. Dass die Zahl der Tagessätze der Gesamtstrafe die höchste Einzelstrafe überschreiten muss, haben wir bereits festgestellt. Nach der Rechtsprechung muss aber auch die Summe der Einsatzstrafe erhöht werden. Und dies kann zu Problemen führen, wenn sich das Einkommen des Angeklagten verändert.

Beispiel:

(Zum besseren Verständnis sollte zunächst der Artikel über die Festsetzung einer Geldstrafe nach deutschem Strafrecht gelesen werden, ansonsten sind die Überlegungen bzgl. der Tagessätze und ihrer Berechnung möglicherweise schwer verständlich.)

Jemand wird zunächst zu 80 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Danach bekommt er in einem weiteren Verfahren 60 Tagessätze zu je 20 Euro, weil er mittlerweile weniger verdient. Das Gericht stellt fest, dass die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorliegen. Weil er jetzt wieder etwas mehr verdient, liegt der Tagessatz nun bei 30 Euro. Normalerweise würde das Gericht also aus 80 und 60 Tagessätzen 110 machen, das sind dann, multipliziert mit 30 Euro, 3300 Euro Geldstrafe. Jetzt stellt sich das Problem, dass das weniger ist als die 80×45=3600 Euro der ersten Verurteilung. Und das darf laut BGH nicht sein.

Was kann das Gericht nun machen? Entweder es erhöht die Höhe des Tagessatzes. Das widerspricht aber dem Sinn des Tagessatzes und damit dem Gesetz (§ 40 Abs. 2 StGB). Also muss die Mindestsumme (wir brauchen mehr als 3600 Euro) über die Anzahl der Tagessätze erreicht werden. Es müssen also mindestens 11 weitere Tagessätze zur Gesamtstrafe addiert werden, denn 121×30 ergibt 3630 Euro und damit zumindest etwas mehr als die Einsatzstrafe.

Wir erinnern uns: Die Anzahl der Tagessätze sagt etwas über die Schwere der Straftat(en) aus, nicht die Gesamtsumme der Geldstrafe. Die Gesamtsumme ist nur das Ergebnis aus Tatschwere und Einkommen des Täters. Hier wird aber von der Rechtsprechung vorgegeben, dass ein bestimmtes Ergebnis herauskommen muss. Es wird also aus mathematischen Gründen eine Tatschwere fingiert, die gar nicht vorliegt. Das Gericht muss hier 11 weitere Tagessätze festlegen, die der Täter eigentlich gar nicht verdient hat. Das ist aberwitzig.

Ein weiteres, noch aberwitzigeres Beispiel:

Jemand wird zunächst zu 80 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Danach bekommt er in einem weiteren Verfahren 60 Tagessätze zu je 20 Euro, weil er mittlerweile weniger verdient. Das Gericht stellt fest, dass die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorliegen. Weil sich seine finanziellen Verhältnisse nicht gebessert haben, liegt der Tagessatz immer noch bei 20 Euro.

Bisher betrugen die Geldstrafen 140 Tagessätze, teils zu 45 und teils zu 20 Euro. Nun muss eine Geldstrafe mit weniger als 140 Tagessätzen, alle zu 20 Euro, gebildet werden, die höher ist als die bisher höhere Strafe. Das ist mathematisch gar nicht möglich, da das Maximum von 139 Tagessätzen á 20 Euro nur 2780 Euro beträgt, also weniger als die bisher höhere Strafe. Das Gericht muss dann also doch wieder den Tagessatz anheben.

Wie könnte man das Dilemma nun lösen?

Die erste Variante würde nur auf die Summen abstellen und eine Mittelstrafe aus diesen bilden: Im Beispiel müsste also eine Gesamtstrafe zwischen 3600 und 4800 Euro festgelegt werden. Hier bietet sich eine Summe „in der Mitte“ an, also nehmen wir einmal 4200 Euro. Parallel dazu müsste man auch die Zahl der Tagessätze dergestalt ausurteilen, also landet man bei 110. Aus diesen beiden Daten kann man dann die Höhe des Tagessatzes ausrechnen, also 4200 geteilt durch 110 = ca. 38 Euro. (Damit verlässt man zwar die Linie der allgemeinen Strafzumessung, befindet sich aber auf einer Linie mit dem BGH.)

Mit diesem Ergebnis liegt sowohl die Summe als auch die Zahl der Tagessätze im üblichen Rahmen. Und die Höhe der Tagessätze würde damit auch gemittelt. Das entspricht zwar nicht den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung, aber es berücksichtigt die Tatsache, dass er ja (zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung) mehr verdient hat als jetzt und sich damit auch eine höhere Geldstrafe „leisten“ konnte.

Die Alternative wäre freilich, das Summenerfordernis fallenzulassen. Dann kann die Gesamtstrafe geringer sein als die höhere Einzelstrafe. Das mag zwar dem Rechtsempfinden so manchen Bürgers widersprechen, wäre aber systematischer. Und man muss auch keine Angst haben, dass damit so mancher sich durch eine neue Straftat eine geringere Strafe „ergaunert“. Denn die neue Straftat müsste er vor Rechtskraft der alten begangen haben. Also zu einem Zeitpunkt, wo er eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse noch vor Gericht geltend machen könnte.

Das Verschuldensprinzip bei der Mietminderung

Mit dem Verschuldungsprinzip im Mietrecht beschäftigt sich unsere Partnerseite Ver-/Mieter-Notruf. Genauer geht es um die Frage, wie sich das Verschulden des Vermieters, des Mieters oder einer sonstigen Person auf die Möglichkeit, eine Mietminderung geltend zu machen, ausüben.

Viel Spaß beim Lesen: Mietminderung: Wer ist schuld?

Die nachträgliche Gesamtstrafe (I)

Über Sinn, Berechnung und Verhängung der Gesamtstrafe haben wir bereits geschrieben. Diese kommt zur Anwendung, wenn mehrere Straftaten desselben Angeklagten vor demselben Gericht verhandelt werden. Daneben gibt es aber noch die Möglichkeit der nachträglichen Gesamtstrafe, § 55 StGB. Diese ist zwar sehr viel seltener, wirft aber ganz eigene Probleme auf.

§ 55 StGB sagt:

Die [Vorschriften über die Bildung der Gesamtstrafe] sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat.

Es geht also um die Situation, dass mehrere Straftaten zusammentreffen, die eigentlich in einem Verfahren und damit mit einer Gesamtstrafe hätten abgeurteilt werden müssen. Dies ist aber nicht geschehen – warum auch immer; häufig wohl deswegen, weil das Gericht nicht wusste, dass noch ein anderes Verfahren anhängig ist, oder, weil die Straftat noch nicht einmal entdeckt war. Allein dieser Aspekt macht das Urteil, das wegen „nur“ eines Teils der Taten erfolgt ist, aber keineswegs ungültig.

Vielmehr versucht man, die Situation herzustellen, die bei Berücksichtigung aller Straftaten erfolgt wäre. Daher wird eine sogenannte nachträgliche Gesamtstrafe gebildet. Der Verurteilte soll also weder besser noch schlechter dastehen als wenn er „im normalen Verfahren“ verurteilt worden wäre.

Prozessual erfolgt dies durch Beschluss des zuständigen Gerichts ohne mündliche Verhandlung, § 462 Abs. 1 Satz 1. Der Verurteilte hat ein Recht darauf, angehört zu werden (schriftlich oder auf Anordnung des Gerichts auch mündlich), mehr aber auch nicht. Ein Austausch von Argumenten wie in der Hauptverhandlung findet nicht statt. Dies ist schon deswegen ungewöhnlich, weil der Grundsatz der mündlichen Verhandlung ein eherner Pfeiler des Strafrechts ist und davon nur abgewichen werden kann, wenn der Angeklagte zumindest schlüssig zustimmt, z.B. durch Verlassen der Hauptverhandlung oder durch Annahme eines Strafbefehls. Dass er hier zwingend auf den Beschlussweg verwiesen wird, ist nicht unproblematisch.

Die Sache wird dadurch etwas abgemildert, dass es ja bereits mindestens zwei in ordentlicher Verhandlung gefällte Urteile gibt, gegen die er alle für ihn sprechenden Gesichtspunkte einwenden konnte. Auch wird die Gesamtstrafe zwangsläufig niedriger als die Einzelstrafen, sodass der Verurteilte davon in jedem Fall profitiert. Trotzdem ist die Höhe der Gesamtstrafe ein rechtlicher Gesichtspunkt, zudem der Verurteilte auch entsprechendes Gehör verdient hätte.

Schwer erträglich sind aber auch die Rahmenbedingungen für die Bildung der Gesamtstrafe. Dass die Zahl der Tagessätze der Gesamtstrafe die höchste Einzelstrafe überschreiten muss, haben wir bereits festgestellt. Nach der Rechtsprechung muss aber auch die Summe der Einsatzstrafe erhöht werden. Und dies kann zu Problemen führen, wenn sich das Einkommen des Angeklagten verändert.

Historische Gesetzestexte

Immer wieder interessant, Gesetze in ihrer ursprünglichen Form zu lesen und mit der heutigen Fassung zu vergleichen:

Strafgesetzbuch (StGB, 1871)

Strafprozessordnung (StPO, 1877)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, 1900)

Civilprozessordnung (CPO, heute ZPO, 1877)

Gerichtsverfassungsgesetz (GVG, 1877)

Schlechte juristische Argumentation (III)

Die dritte Folge unserer Artikelreihe zu schlechter juristischer Argumentation. Alle Artikel, auch die künftigen, finden Sie unter dem gleichnamigen Schlagwort.

7. Vermischen Sie Tatbestand und Rechtsfolge Schlechte juristische Argumentation (III)“ weiterlesen

Die Außenwirkung des Flächennutzungsplans

Das deutsche Baurecht ist, wie das in Deutschland nunmal so ist, durchgeplant. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles muss genauestens staatlicherseits bestimmt werden. Dabei gibt es zwei Arten von Bauleitplänen, den vorbereitenden („Flächennutzungsplan“) und den verbindlichen („Bebauungsplan“).

Der Flächennutzungeplan teilt das ganze Gemeindegebiet in zu bebauende und nicht zu bebauende Flächen ein. In ihm findet man grobe Bezeichnungen wie „Wohnbaufläche“, „Gewerbefläche“, „Wald“, „Park“, „Landwirtschaft“ und so weiter. Der Bebauungsplan kümmert sich nicht um Wald, Park und Landwirtschaft, sondern nur noch um die verschiedenen Bauflächen. Diese differenziert er dann gemäß Baunutzungsverordnung weiter in Kleinsiedlungsgebiete, reine Wohngebiete, Industriegebiete und andere Nutzungstypen. Im Übrigen regelt er vielerlei Dinge wie Abstandsflächen, den Bau von Garagen, die zulässigen Quadratmeterzahlen. „Die Außenwirkung des Flächennutzungsplans“ weiterlesen