Schlechte juristische Argumentation (III)

Die dritte Folge unserer Artikelreihe zu schlechter juristischer Argumentation. Alle Artikel, auch die künftigen, finden Sie unter dem gleichnamigen Schlagwort.

7. Vermischen Sie Tatbestand und Rechtsfolge

Tatbestand und Rechtsfolge sind zwei grundverschiedene Dinge. Wenn der Tatbestand gegeben ist, dann tritt die Rechtsfolge in Kraft: Wenn man zu schnell fährt, dann kostet das ein Bußgeld. Wenn man eine vertragliche Pflicht verletzt, dann muss man Schadenersatz zahlen. Wenn Einigung und Übergabe vorliegen, wird man Eigentümer. Das „Dann“ ist nur interessant, wenn das „Wenn“ gegeben ist.

Wer aus einem Vertrag rauskommen oder eine Rechnung ignorieren will, beruft sich gern darauf, das dazugehörige Schriftstück sei ungültig, weil es nicht gemäß § 126 Abs. 1 BGB durch eigenhändige Namensunterschrift unterzeichnet ist. Leider beinhaltet diese Vorschrift ein großes Wenn: Das gilt nur, wenn das Gesetz ausdrücklich die Schriftform anordnet. Und das ist in den allerwenigsten Situationen der Fall.

8. Blenden Sie Alternativen aus

Ein Verwaltungsakt ist häufig schriftlich. Das hat zwar mit dem gerade angesprochenen § 126 Abs. 1 BGB nichts zu tun (siehe Punkt 1. Vermischen Sie die Rechtsgebiete), denn für Verwaltungsakte gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz, entweder das des Bundes oder, wenn eine Landesbehörde handelt, das jeweilige Landesgesetz, das aber in aller Regel eine ganz ähnliche Regelung trifft. Und § 37 VwVfG ordnet in Abs. 3 Satz 1 an, dass ein Verwaltungsakt die Unterschrift des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten muss. Keine Unterschrift bedeutet also einen Formverstoß und das bedeutet Rechtswidrigkeit.

Blöderweise ist das nur eine von vielen Möglichkeiten:

  • Abs. 3 Satz 1 lässt auch eine bloße maschinenschriftliche Namenswiedergabe zu.
  • Abs. 3 Satz 2 ermöglicht auch einen elektronischen Verwaltungsakt.
  • Abs. 5 Satz 1: In einem automatisierten Verfahren kann auch auf die Namenswiedergabe verzichtete werden.
  • Abs. 2 Satz 1 erlaubt auch einen mündlichen Verwaltungsakt…
  • … und sogar einen VA „in sonstiger Weise“.

Nur, wenn man diese Optionen alle ausblendet, kann eine mangelnde Unterschrift als Problem bzw. als Chance begriffen werden.

9. Ziehen Sie Gegenargumente ins Lächerliche

Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Rufen Sie laut „Hat etwa schon mal jemand etwas von einem mündlichen Vertrag gehört!?“ und lachen Sie noch höhnisch dabei. Oder, wenn Sie in einem der zahlreichen Internetforen zum Recht diskutierten, schieben Sie noch ein paar lustige Smilies nach. Damit sind Sie viel überzeugender als diejenigen, die Ihnen entgegenhalten, dass wir alle tagtäglich nichtschriftliche Verträge abschließen (z.B. beim Busfahren, beim Einkaufen im Supermarkt oder beim Tanken) und wohl 95 % aller Rechtsgeschäfte auf jede schriftliche Fixierung verzichten.

10. Werfen Sie Ihren Gegnern Parteilichkeit vor

Wer Ihnen widerspricht, tut das grundsätzlich nur aus sinistren Motiven. Derjenige muss gekauft sein und er arbeitet für „den Staat“, „die Banken“ oder allgemeiner „die da oben“. Das hätte zwar mit dem Thema nichts zu tun, sogar, wenn es so wäre, aber es ist einfach als Argumente zu widerlegen.

11. Stellen Sie Ihre Meinung als unwiderlegt dar

Gerne wird von Personen, die eine ganze Latte an Thesen zum Besten geben, zusätzlich noch bemerkt, ihre Meinung konnte bisher noch von niemandem widerlegt werden. Das ist schon deswegen seltsam, weil es bei juristischen Theorien nie um Wahrheitsbeweise geht. Es kann also auch nichts „widerlegt“ werden, vielmehr geht es dabei nur darum, welche Seite die durchschlagenderen Argumente hat.

Wenn man das „Widerlegen“ aber sinnvoll interpretiert, dann bedeutet das also „Bisher konnte noch niemand etwas Substantielles dagegen sagen“. Das kann aber in der Rechtswissenschaft praktisch nicht sein. Jede Theorie, sei sie auch noch so anerkannt und werde sie auch noch so unumstritten Tag für Tag von den Gericht angewandt, hat Widerspruch erfahren.

Wenn Sie ernsthaft der Meinung sind, niemand habe Ihnen widersprochen, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder interessiert Ihre Meinung niemanden in der gesamten Juristerei oder Sie sind einfach nicht imstande, Gegenargumente wahrzunehmen.

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