Demokratie: Weniger Anspruch wagen

In puncto Freiheit und Demokratie sollte man nicht nur vergleichsweise zufrieden sein.
In puncto Freiheit und Demokratie sollte man nicht nur vergleichsweise zufrieden sein.
Immer, wenn sich schlimme Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen in fremden Staaten verbreiten, gibt es eine häufige Reaktion: Wie schön, dass wir es besser haben.

Das war bei den gewalttätigen Zusammenstößen in Weißrussland der Fall, aktuell angesichts der Hinrichtung eines Bloggers im Iran sowie immer wieder, wenn Oppositionelle irgendwo auf der Welt verhaftet werden.

Gerne wird das dann auch noch mit mahnenden Worten der Form „Und ihr beschwert euch, wenn hierzulande irgendwas nicht so läuft wie ihr das gerne hättet…“ garniert. Und sachliche Kritik an der eigenen Regierung und Gesetzgebung kann man stets mit dem Hinweis auf noch schlimmere Zustände in anderen Ländern ins Lächerliche ziehen.

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Wählen ab 16 Jahren, Jugendstrafrecht bis 21?

Die Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ist für das Recht nicht einfach.
Die Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ist für das Recht nicht einfach.
Aktuell hat wieder eine Diskussion darüber begonnen, ob man die Jugend nicht schon mit 16 wählen lassen soll. Ein Gegenargument ist schnell gefunden, denn dann müssten neben diesem Recht doch logischerweise auch weitere Formen der Verantwortung früher beginnen. Gern genommen wird die Anwendung des Jugend- bzw. Erwachsenenstrafrechts.

Zahlreiche verschiedene Altersgrenzen

Tatsächlich kennt unser Recht vielerlei Altersgrenzen: Mit 7 Jahren kann man schadenersatzpflichtig sein, im Straßenverkehr dagegen erst mit 10, ab 14 Jahren kann man in Geschlechtsverkehr einwilligen, mit 18 ist man volljährig, mit 40 Jahren darf man Bundespräsident werden. Strafrechtlich vollständig erwachsen ist man regelmäßig erst mit 21 Jahren, frühestens ab 18 und entsprechender persönlicher Reife.

Daran sieht man schon, dass es eben vielerlei Grenzen zwischen einem Jugendlichen und einem Erwachsenen gibt. Besonders glücklich sind diese oftmals nicht, da das Alter nicht unbedingt etwas über den Entwicklungsstand aussagt. Oder sind Sie etwa der Meinung, dass jeder ab 40 ein geeigneter Bundespräsident wäre? Insofern ist das Argument „Wahlrecht ab 16 bedeutet auch strafrechtliche Verantwortung“ ohnehin nicht durchschlagend.

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Aufgehoben: Das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen

Gesetze regeln viele Materien nur recht grob und allgemein. Daher erlauben die Gesetze für zahlreiche Einzelfragen die Regelung durch die Regierung selbst. Diese Verordnungen müssen nicht auf den komplizierten weg der Gesetzgebung gehen, sondern können recht schnell verabschiedet werden. Wer für die Verordnung zuständig ist, wird im Gesetz selbst festgelegt. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes können „die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen“ ermächtigt werden.

Nun wurde aber das „Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen“ durch Artikel 3 des „Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ (2. BMJBBG) aufgehoben. Dieser Artikel besagt schlicht und einfach:

Das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 103-1, veröffentlichten bereinigten Fassung wird aufgehoben.

Teilweise wird das etwas falsch verstanden, es wird sogar so getan als wäre damit die Kompetenz zum Verordnungserlass insgesamt aufgehoben. Das ist aber schon deswegen nicht der Fall, weil sich die Möglichkeit der Verordnungsermächtigung aus dem Grundgesetz ergibt, siehe oben. Die Ermächtigung als solche ist dann im jeweiligen Gesetz enthalten. Tatsächlich betraf dieses Gesetz nur einen ganz geringen Teil von Verordnungen. Der einzige bedeutende Paragraph dieses Gesetzes war der erste:

Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen – § 1

Soweit Bundesgesetze Ermächtigungen oberster Landesbehörden zum Erlaß von Rechtsverordnungen vorsehen, sind die Landesregierungen zum Erlaß dieser Rechtsverordnungen ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigungen auf die obersten Landesbehörden übertragen, die in den bisherigen Vorschriften bezeichnet sind, und dabei die weitere Übertragung auf nachgeordnete Behörden in dem bisher bezeichneten Umfang zulassen.

Das bedeutet also, dass in jedem Gesetz, das es obersten Landesbehörden oder einzelnen Landesministern erlaubte, Verordnungen zur Ausführung des Gesetzes zu erlassen, diese Ermächtigung so zu lesen war als hätte dort eine Ermächtigung für die gesamte Landesregierung gestanden.

Der Grund dafür lag in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, genauer gesagt im Beschluss des Zweiten Senats vom 10. Mai 1960, Az. 2 BvL 76/58, abgedruckt in BVerfGE 11, 77. Das Gericht entschied darin:

Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG kann außer an die Bundesregierung oder an einen Bundesminister nur an eine Landesregierung, nicht an einen Landesminister gegeben werden.

Eine Ermächtigung durfte also nicht z.B. den Landesjustizminister ermächtigen, sondern nur die Landesregierung insgesamt. Wenn die Landesregierung nun wollte, dass der Landesjustizminister für bestimmte Angelegenheiten allein zuständig ist, musste sie das in ihrer Geschäftsordnung oder auf andere Weise selbst beschließen. Den Bundesgesetzgeber ging diese landesinterne Aufgabenverteilung aber nichts an, so das BVerfG.

Begründet wurde dies damit:

Grundsätzlich respektiert die Bundesverfassung die Verfassungsordnung der Länder; ein Eingriff der Bundesgewalt in die Verfassungsordnung der Länder ist nur zulässig, soweit es das Grundgesetz ausdrücklich bestimmt oder zuläßt.

Um diesen Richterspruch umzusetzen, ohne alle Gesetze einzeln ändern zu müssen, wurde daher das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen erlassen. Dieses bestimmte, dass alle Gesetze, die diese „falsche“ Ermächtigung eines Landesminister beinhalteten, nun „richtig“ zu lesen waren, also die gesamte Landesregierung ermächtigten.

Weil aber seit diesem Beschluss fast 60 Jahre ins Land gegangen sind und es heute wohl kaum noch ein Gesetz gibt, das diese Zuweisung beinhaltet, konnte man das Gesetz nun endlich aufheben. Höchstvorsorglich ließ man diesen Artikel auch noch etwas später in Kraft treten, nämlich nicht schon im November 2007, sondern erst zum 1. Dezember 2010. Hätte man also noch ein fehlerhaftes Gesetz gefunden, hätte sich das noch reparieren lassen. Seitdem sind aber keine Beschwerden dahingehend bekannt, dass irgendeine Landesregierung ihrer Verordnungsermächtigung verlustig gegangen wäre.

Eine Verfassungsbeschwerde geht ihren Weg

Der Haupteingang des Münchner Justizpalast, in dem unter anderem das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Verfassungsgerichtshof ihren Sitz haben.
Der Haupteingang des Münchner Justizpalast, in dem unter anderem das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Verfassungsgerichtshof ihren Sitz haben.
Gestern habe ich mal wieder eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Ausnahmsweise sogar persönlich, während ich ansonsten die Vorabsendung der Unterlagen per Brief und die Übersendung der Verfassungsbeschwerdeschrift per Fax bevorzuge.

Möglich war das, weil es sich um eine Verfassungsbeschwerde nach (bayerischem) Landesrecht handelte, für die der Verfassungsgerichtshof im Münchner Justizpalast zuständig ist. So konnte ich an diesem schönen Januar-Tag selbst in die Stadt fahren, das Briefkuvert einwerfen und das Ganze noch mit einem Mittagessen in Katakomben des nahe gelegenen Stachus-Untergeschosses mit einem Kollegen aus Referendariatszeiten verbringen.

Beim Spaziergang durch die Fußgängerzone habe ich dann ein paar Telephonate erledigt. Das sind eben die Vorteile einer selbstständigen Tätigkeit, dass man sich die Zeit einigermaßen frei einteilen kann und auch einmal dafür Luft im Terminkalender ist.

Daran muss ich dann aber auch erinnern, wenn ich – wie bei dieser Verfassungsbeschwerdeschrift – wieder einmal bis zum frühen Morgen am Schriftsatz feile.

Die Verfassungsbeschwerde nach bayerischem Recht ist übrigens ein ganz interessantes rechtliches Instrument:

Zwei neue Seiten

Erläuterungen zum Grundgesetz finden Sie künftig auf das-grundgesetz.de.
Erläuterungen zum Grundgesetz finden Sie künftig auf das-grundgesetz.de.
Die vermehrte Konzentration auf das Verfassungsrecht geht weiter. Aktuell habe ich mir zwei Domains gesichert, bei denen es mich sehr gewundert hat, dass diese noch frei waren:

Auf den Seiten soll zum einen eine Art Kommentar entstehen, in dem die einzelnen Artikel dieser Verfassungen verständlich erläutert werden. Daneben werden aber auch Artikel zum jeweiligen Verfassungsrecht hierhin umziehen.

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Die Unfassbarkeit der Grundrechte

Derzeit wird meine Homepage zu Verfassungsbeschwerden (https://anwalt-verfassungsbeschwerde.de) überarbeitet. Auch wenn ich natürlich nicht jeden Handgriff daran selbst vornehme, bin ich schon in die grobe Gestaltung involviert.

Dazu gehört auch, dass ich die Texte, die die einzelnen Grundrechte erklären, zumindest selbst vorstukturiert habe, sodass dann ein Ergebnis rauskommt, mit dem ich mich gerne in der Öffentlichkeit präsentiere.

Damit das Ganze dann auch einigermaßen lesbar ist, werden pro Grundrechte zwei oder drei Bilder eingefügt. Diese haben natürlich ausschließlich illustrierenden Charakter und sorgen dafür sorgen, dass es sich nicht um reine Textwüsten handelt.

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Drei Stunden für 200 Seiten

Normalerweise lasse ich ja in den seltensten Fällen eine Gelegenheit aus, politische Fehltritte entsprechend zu kommentieren.

Aber manchmal muss ich Politiker auch in Schutz nehmen. Vor allem dann, wenn es um handfeste (verfassungs-) rechtliche Fragen geht.

Aktuell titelt der Spiegel, das Hamburger Politmagazin mit der Vorliebe für phantasievolle Reporter, auf seinem Facebook-Auftritt:

Große Koalition – Warum die CSU das Klimaschutzpaket verzögert

200 Seiten in drei Stunden durcharbeiten und prüfen? Das war der CSU offenbar ein bisschen zu viel.

Nun darf man Facebook-Kommentierungen natürlich allzu ernst nehmen. Wenn die Redaktion das aber mit dieser süffisanten Bemerkung garniert, dann sollte man es schon hinterfragen.

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AfD-Antrag zu Verfassungsbeschwerden

Wird eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, muss das Bundesverfassungsgericht über diese entscheiden. Doch längst nicht jede Verfassungsbeschwerde wird vom gesamten Senat aus acht Richtern behandelt, geschweige denn im Wege einer mündlichen Verhandlung. Die allermeisten Verfassungsbeschwerden werden nur durch eine Kammer, also durch drei Richter, entschieden. Dabei wiederum gibt ein Richter (der sogenannte Berichterstatter) den Ton an, die inhaltliche Arbeit macht meist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Gibt die Kammer der Verfassungsbeschwerde – wie meist – keine Chance auf Erfolg, wird sie gar nicht erst zur Entscheidung angenommen und unmittelbar abgewiesen. Diese Form der Entscheidung (bzw. Nicht-Entscheidung) bedarf keiner weiteren Begründung.

Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag nun den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Gesetz zur Einführung der Begründungspflicht) eingebracht.

Der Inhalt des Gesetzes ist sehr überschaubar. Aus § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

sollen nun die folgenden drei Sätzen werden:

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf einer Begründung. Es genügt, die für die Nichtannahme im konkreten Sachverhalt wesentlichen Punkte darzulegen. Sie ist zu veröffentlichen.

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Merkel muss weg – und so geht’s

Untertitel: Wie Frau Kramp-Karrenbauer Bundeskanzlerin werden kann

Seit dem CDU-Parteitag vom Wochenende hat die größte sozialdemokratische Partei in Deutschland eine neue Vorsitzende. Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem seit einiger Zeit zur Bundesrepublik gehörenden Saarland konnte eine Mehrheit der Delegierten für sich gewinnen, die – ohne auf persönliche Vorteile oder auf die Kompetenz der Kandidaten zu schielen – frei nach ihrem Gewissen abgestimmt haben.

Es gilt als ausgemachte Sache, dass Frau Kramp-Karrenbauer auch die Nachfolge von Angela Merkel als Bundeskanzlerin antreten wird. Ein solcher Weg verläuft jedoch verfassungsrechtlich keineswegs automatisch. Dieser Artikel soll kurz skizzieren, wie ein solcher friedlicher Machtwechsel nach den Vorschriften des Grundgesetzes ablaufen könnte. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich, egal wie man politisch zu ihr stehen mag: Merkel muss weg.

Reguläre Bundestagswahlen und anschließende Kanzlerwahl

Der naheliegendste oder wohl bislang auch präferierte Weg ist es, dass Angela Merkel vorerst Bundeskanzlerin und die CDU in die 2021 stattfindenden Bundestagswahlen mit Frau Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin geht.

Rechtlich gibt es allerdings keinen Kanzlerkandidaten. Es hat sich politisch nur durchgesetzt, dass die Parteien alle eine Person benennen, die sie – wenn das Wahlergebnis für sie positiv ausfällt und sie eine tragfähige Koalition zustande bringen – zum Kanzler wählen wollen. Denn gewählt wird der Kanzler nicht etwa durch die Bürger, sondern durch den Bundestag.

Frau Merkels Amtszeit endet spätestens mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestag (Art. 69 Abs. 2 GG). Der Bundestag muss innerhalb von 30 Tagen nach seiner Wahl erstmals zusammentreten (Art. 39 Abs. 2 GG). Und die nächste Wahl des Bundestags muss spätestens vier Jahre nach der letzten Wahl erfolgen (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 GG).

Nach diesem Zeitplan ist also bereits recht gut absehbar, wie lange Frau Merkel noch im Amt bleiben könnte. Allerdings verlängert sich ihre Amtszeit automatisch, solange kein neuer Bundeskanzler gewählt wird und der Bundespräsident sie um Weiterführung ihres Amtes bittet (Art. 69 Abs. 3 GG).

Eine Pflicht dazu, überhaupt nach Bundestagswahlen einen neuen Kanzler zu wählen, steht zumindest nicht ausdrücklich im Grundgesetz. Dies wurde auch genutzt, als nach den Wahlen 2017 keine Mehrheit in Sicht war. Üblich ist jedoch, dass der Bundespräsident relativ schnell die Wahl des Bundeskanzlers einleitet, sobald eine Koalition geschlossen ist.

Dies passiert dadurch, dass der Bundespräsident dem Bundestag einen Kandidaten für die Wahl des Kanzlers vorschlägt (Art. 63 Abs. 1 GG). Vorgeschlagen wird natürlich nicht die Person, die der Präsident für die ideale Besetzung für den Posten hält, sondern derjenige, der voraussichtlich eine Mehrheit bekommen wird. Erhält der Kandidat dann die Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten, ist er zum Bundeskanzler gewählt (Art. 63 Abs. 2 GG).

Vorgezogene Bundestagswahlen und anschließende Kanzlerwahl

Wenn man nicht mehr bis 2021 warten will, kann man die Bundestagswahlen auch vorziehen. Nun hat der Bundestag aber – im Gegensatz zu vielen anderen Parlamenten – nicht die Möglichkeit, sich einfach durch Beschluss selbst aufzulösen. Der einzige sich hier anbietende Weg wäre eine „unechte Vertrauensfrage“. Diese Vorgehensweise ist nicht unumstritten, wurde durch das Bundesverfassungsgericht aber für zulässig erklärt.

Dabei stellt der (bisherige) Bundeskanzler die Vertrauensfrage gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese Möglichkeit ist eigentlich dafür gedacht, dass ein Bundeskanzler in wackligen Verhältnissen für Klarheit sorgen kann. Denn zur Beantwortung der Vertrauensfrage stimmt jeder Bundestagsabgeordnete dahingehend ab, ob er dem Bundeskanzler noch vertraut.

Die unechte Vertrauensfrage ist dagegen nur vorgeschoben, es ist dann ausgemachte Sache, dass zumindest einige der eigenen Abgeordneten dem Bundeskanzler nicht das Vertrauen aussprechen. Kommt nämlich keine absolute Mehrheit für das Vertrauen zustande, kann der Bundespräsident – was hier Sinn der Vertrauensfrage ist – auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen und Neuwahlen anordnen.

Auf diese Weise könnte dann ein Wahlkampf mit Frau Kramp-Karrenbauer als CDU-Kanzlerkandidatin geführt werden.

Merkel-Rücktritt und anschließende Kanzlerwahl

Denkbar wäre auch ein Rücktritt von Frau Merkel. Dass der Bundeskanzler überhaupt zurücktreten kann, steht zwar nirgends im Grundgesetz. Nach praktisch unbestrittener Meinung ist das aber trotzdem der Fall. Einen amtsmüden Politiker dauerhaft gegen seinen Willen im Amt festzuhalten, erscheint schließlich kaum sinnvoll. Dies lässt sich auch aus dem schon erwähnten Art. 69 Abs. 3 schließen, dass der Kanzler (nur) vorübergehend verpflichtet ist, sein Amt weiter auszuüben.

Ebenfalls nicht geregelt ist eine Pflicht des Bundespräsidenten, nach dem Rücktritt des Kanzlers einen neuen Kanzler vorzuschlagen und zu ernennen. Auch hier muss man aber von der Logik des Grundgesetzes ausgehen, wonach es das Verfassungsorgan des Bundeskanzlers gibt. Daraus folgt dann auch, dass es einen neuen Bundeskanzler braucht, wenn der alte nicht mehr will.

Sobald also auf politischer Ebene geklärt ist, wer neuer Kanzler werden soll, wird der Bundespräsident diesen vorschlagen, sodass es zum Wahlprozedere gemäß Art. 63 GG (siehe oben) kommt.

Verfassungsrechtlich wäre diese Methode völlig legitim, allerdings würde das bedeuten, dass der Bundestag aus seiner eigenen Macht heraus einen Kanzlerwechsel durchsetzt. Möglicherweise würden sich einige Parteistrategen wohler fühlen, wenn die neue Kanzlerin quasi „vom Volk gewählt“ würde, weil sie im Wahlkampf schon als Kanzlerkandidatin auftrat und so die Stimmen für ihre Partei auch als Stimmen für ihre Person reklamieren kann. Dies würde dann eher für Neuwahlen sprechen.

Misstrauensvotum

Zuletzt wäre theoretisch auch noch ein Misstrauensvotum denkbar. Das Misstrauensvotum ist eine Kanzlerwahl ohne verfassungsrechtlichen Anlass. Dabei wird der Antrag gestellt, dem bisherigen, weiterhin amtierenden Kanzler das Misstrauen auszusprechen und zugleich einen Nachfolger zu wählen (Art. 67 Abs. 1 GG).

Allerdings ist das Misstrauensvotum eben keine neutrale Wahl. Es beinhaltet die Äußerung eines Misstrauens in den bisherigen Amtsinhaber und wird daher als ziemlich unfreundlicher Akt gesehen. Normalerweise kommt ein Misstrauensvotum nur vor, wenn eine Koalition zerbrochen ist oder sonst die Mehrheit verloren hat und so ein Politikwechsel eingeleitet werden soll.

Wenn der Kanzlerposten innerhalb einer Partei in einvernehmlicher Weise weitergegeben werden soll, kommt ein Misstrauensvotum daher unter keinen Umständen in Betracht.

Für welchen der anderen Wege man sich nun entscheidet, ist in gewisser Weise eine Geschmacksfrage – und eine Frage dessen, wie lange Frau Merkel noch im Amt bleiben will bzw. darf.