Zum Tod von Antonin Scalia

Antonin Scalia, beisitzender Richter am Obersten Bundesgericht des Vereinigten Staaten, ist gestern kurz vor seinem 80. Geburtstag verstorben. In den knapp 30 Jahren, die er im Supreme Court saß, bestimmte er die Rechtsprechung in den USA ganz entscheidend mit. Wo er in der Minderheit blieb, sorgte er durch zahlreiche ausführliche Begründungen seiner Haltung dafür, dass die gegen das Urteil sprechenden Argumente trotzdem Gehör fanden.

Interessant war vor allem sein rechtswissenschaftlicher Ansatz, die Verfassung originalistisch zu interpretieren, also den Willen des historischen Verfassungsgebers zu respektieren. Diese oft in inkorrekten politischen Dimensionen als „konservativ“ bezeichnete Haltung stammte aus der Überzeugung Scalias, dass die Verfassung nun einmal so sei, wie sie sei. Änderungen an ihr geschähen nicht durch die Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern durch die in der Verfassung selbst vorgesehene Möglichkeit der Verfassungsänderung. „Zum Tod von Antonin Scalia“ weiterlesen

Verfassungsrechtsbehelfe des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung

Die Verfassungsbeschwerde ist wohl einer der Rechtsbehelfe, der auch den meisten Normalbürgern ein Begriff sein dürfte. Dabei stellt sich in Bayern die Frage, welches von mehreren Verfahren überhaupt zur Verfügung steht und wie sich die jeweiligen Erfolgsaussichten darstellen.

Grundsätzlich sind neben der Bundes-Verfassungsbeschwerde noch zwei unterschiedliche Klagearten nach bayerischem Recht möglich: Die Landes-Verfassungsbeschwerde und die Popularklage.

Diese Rechtsbehelfe stehen grundsätzlich unverbunden und gleichwertig nebeneinander. Weder binden sich die Urteile gegenseitig noch schließt die Klageerhebung im einen Verfahren das andere aus. Allerdings sind die Arten des Rechtsschutzes, den man jeweils erlangen kann, durchaus unterschiedlich, wie nachfolgende Kurzübersicht zeigt. „Verfassungsrechtsbehelfe des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung“ weiterlesen

Warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfassungswidrig ist

sharp-1844964_640Kurzfassung: Ein öffentlich-rechtliches Rundfunkangebot verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die bloße Existenz von ARD, ZDF und anderen staatlichen Fernseh- und Radioprogrammen stellt einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit dar. Eine Rechtfertigung scheidet angesichts etablierter und pluralistischer privater Marktteilnehmer aus.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, insbesondere seine Finanzierung durch Zwangsgebühren, die noch heute als „GEZ“ im allgemeinen Sprachgebrauch fest verankert sind, ist seit Langem Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die neue, nicht mehr geräte-, sondern haushaltsbezogene Abgabe unter dem offiziellen Begriff „Rundfunkbeitrag“ wurde bereits mehrfach von verschiedensten Verwaltungs- und Verfassungsgerichten bestätigt. Daran, dass auch das Bundesverfassungsgericht diese Diskussion bald durch eine in Stein gemeißelte Rechtsprechung zu Gunsten der GEZ beenden wird, gibt es kaum einen Zweifel.

Und doch sprechen die besseren Argumente unbedingt für eine Verfassungswidrigkeit eines staatlich beeinflussten Rundfunks.

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Demokratie als Rechtfertigung

Wenn man den Sinn und die Zielrichtung staatlicher Regelungen hinterfragt, hört man oft eine Rechtfertigung in dem Sinne, dass das alles ja demokratisch beschlossen sei. Es geht also – zumindest indirekt – auf den Volkswillen zurück, der sich zwar nicht immer unmittelbar durch eine Abstimmung, aber wenigstens in der Form äußert, dass es die vom Volk gewählten Vertreter waren, die hier gehandelt haben. Nun fallen in der Realität Volkswille und Volksvertreterbeschlüsse oft genug auseinander. Aber sogar, wenn man unterstellt, das Volk habe selbst und mehrheitlich gehandelt – ist dies dann ein Grund, warum eine bestimmte Entscheidung sakrosankt ist und nicht mehr hinterfragt werden darf? „Demokratie als Rechtfertigung“ weiterlesen

Homosexuellen-Ehe: Pyrrhus-Sieg vor dem Supreme Court?

Heute ist der 4. Juli, der Nationalfeiertag der USA. Daher haben wir heute auch extra ein US-amerikanisches Thema auf Lager, das zudem sehr aktuell ist:

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat entschieden, dass gleichgeschlechtliche Heiraten (auch bekannt als „Homo-Ehe“) legal sind. So oder so ähnlich liest man es in den Medien hierzulande. Diese Darstellung ist grundsätzlich falsch. Vielmehr wurde in der Entscheidung „Obergefell vs. Hodges“ (Urteile werden in den USA gewöhnlich nach den Beteiligten benannt) eine Pflicht sämtlicher Bundesstaaten zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe statuiert. „Homosexuellen-Ehe: Pyrrhus-Sieg vor dem Supreme Court?“ weiterlesen

Die Bedeutung einer Präambel (II)

Warum ist es nun aber häufig doch richtig, dass Präambeln keine rechtliche Bedeutung haben? Das bezieht sich häufig nicht auf Vertragspräambeln, sondern auf Gesetze, vor allem auf Verfassungen. Verfassungen haben meist Präambeln, die mit feierlichen Worten die Entstehung der Verfassung skizzieren, ihre Wichtigkeit betonen oder die hinter ihr stehenden Werte darlegen. Diese Worte sind häufig rechtlich nicht relevant, weil sie eben keinen Inhalt haben, der Grundlage eines Urteils werden kann.

Schauen wir uns die beiden Versionen der Präambel des Grundgesetzes einmal an: „Die Bedeutung einer Präambel (II)“ weiterlesen

Bundesverfassungsgericht zu Lockspitzeln

Wenn der Staat durch rechtswidrige Handlungen seinerseits eine Straftat herbeiführt, kann der „Täter“ trotzdem bestraft werden, allerdings etwas milder als üblich. Das ist die Kernaussage des vielbeachteten Lockspitzel-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 209, 240, 262/14). Mit dieser Entscheidung wendet sich das höchste deutsche Gericht mit Volldampf gegen den Rechtsstaat.

Ein Lockspitzel, auch als agent provocateur bezeichnet, ist jemand, der einen anderen im Auftrag des Staates zur Begehung einer Straftat anstiften soll. Diese Praxis ist genau so unanständig wie sie sich anhört. Und mehr noch: Das Bundesverfassungsgericht hält sie für rechtsstaats- und damit verfassungswidrig. Damit sollte man meinen, dass jemand, der im Auftrag des Staates eine Straftat begeht, mangels verwerflicher Handlung nicht bestraft werden kann. „Bundesverfassungsgericht zu Lockspitzeln“ weiterlesen

Der Legitimationsregress

Kern der Rechtwissenschaft ist die Frage, welche Handlung erlaubt ist und welche nicht; weniger technisch gesagt: wer was darf. Das gilt sowohl für Privatpersonen als auch für staatliche Organe.

Und so kann man bei jedem behördlichen Handeln die Frage stellen, ob diese zulässig ist. Damit verbunden ist spiegelbildlich die Frage, ob eine Handlung des Bürgers im Angesicht einer behördlichen Handlung zulässig ist. „Der Legitimationsregress“ weiterlesen

Neues aus dem Irrenhaus: Das Burka-Verbot

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das französische Verbot von Vollverschleierung in der Öffentlichkeit vor einiger Zeit bestätigt. In einem Land, in das erste Drittel von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ noch nie eine wirkliche Bedeutung hatte, muss einen das nicht wundern. Aber auch hierzulande finden sich immer wieder Politiker, die sich für ein derartiges Gesetz erwärmen können. Ob das überhaupt verfassungskonform wäre, ist höchst zweifelhaft. Rechtspolitisch ist es jedenfalls grober Unsinn.

Das Schöne am Burka-Verbot ist, dass es die politischen Lager zusammenbringt – es hat also, wenn man so will, Integrationswirkung. Die Linken finden das zumindest überlegenswert, weil es gegen Religion gerichtet ist und ihnen jede Form von Individualität, und sei es nur in der Kleidung, ohnehin suspekt ist. Außerdem kann man damit die allseits beliebte Trumpfkarte der Gleichberechtigung spielen. Die Rechten sind ähnlich kollektivistisch wie die Linken und zudem geht es hier (vor allem) gegen Ausländer, was ja dort schon ein Wert an sich ist. Nur die wenigen Liberalen, die es hierzulande noch gibt, stehen fassungslos in der Mitte und schütteln den Kopf über derartige Verirrungen. „Neues aus dem Irrenhaus: Das Burka-Verbot“ weiterlesen

Schottische Unabhängigkeit: Warum ein zweites Referendum legitim wäre

War’s das? Haben zwei Millionen im Jahr 2014 wahlberechtigte schottische Bürger das Schicksal des Landes als Teil des Vereinigten Königreichs für alle Zeit besiegelt? Oder gibt es doch die Möglichkeit, ein weiteres Mal abzustimmen?

Die Schotten haben sich mit einer Mehrheit von 55 zu 45 % für einen zeitweiligen Verbleib im Königreich von Großbritannien und Nordirland ausgesprochen. Schnell entbrannte jedoch eine Diskussion darüber, dass diese Entscheidung möglicherweise nicht in Stein gemeißelt ist, sondern in einigen Jahren eine zweite Abstimmung folgen könnte. Wäre ein solches Referendum legitim? Diese Frage lässt sich nur klären, wenn man sowohl juristische als auch politische Gesichtspunkte miteinbezieht. „Schottische Unabhängigkeit: Warum ein zweites Referendum legitim wäre“ weiterlesen