Homosexuellen-Ehe: Pyrrhus-Sieg vor dem Supreme Court?

Heute ist der 4. Juli, der Nationalfeiertag der USA. Daher haben wir heute auch extra ein US-amerikanisches Thema auf Lager, das zudem sehr aktuell ist:

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat entschieden, dass gleichgeschlechtliche Heiraten (auch bekannt als „Homo-Ehe“) legal sind. So oder so ähnlich liest man es in den Medien hierzulande. Diese Darstellung ist grundsätzlich falsch. Vielmehr wurde in der Entscheidung „Obergefell vs. Hodges“ (Urteile werden in den USA gewöhnlich nach den Beteiligten benannt) eine Pflicht sämtlicher Bundesstaaten zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe statuiert.

Hergeleitet wird dieses Recht aus dem 14. Zusatzartikel zur Verfassung, der verschiedene Justizgrundrechte festschreibt. Innerhalb des Fourteenth Amendment wird das Recht auf die Schließung der Ehe zwischen Homosexuellen aus dem „Due Process Clause“ (in etwa: Recht auf ein faires, ordnungsgemäßes Verfahren) und aus der „Equal Protection“ (Gleichheit vor dem Gesetz) hergeleitet.

Richter erfinden ein neues Grundrecht

Letzteres bedeutet trägt schon den ersten Kritikpunkt in sich. Es wird ein Grundrecht erfunden, das es so nicht gibt. Wer aus diesen beiden Verfahrensgrundsätzen ein Recht auf eine bestimmte Art der Eheschließung konstruiert, kann aus der ganzen Verfassung machen, was er will. Richtig, auch das Bundesverfassungsgericht hat bspw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfunden – aber dessen Basis sind Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und persönliche Entscheidungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), was die Herleitung absolut nachvollziehbar macht.

Chief Justice John Roberts schrieb in der Begründung seiner Ablehnung der Entscheidung daher auch:

Dieses Gericht ist kein Gesetzgeber. Ob die gleichgeschlechtliche Ehe eine gute Idee ist, geht uns nichts an. Laut Verfassung haben die Richter die Macht, festzustellen, was das Gesetz aussagt, nicht, was es aussagen sollte.

Der Supreme Court hat hier seine verfassungsgemäße Stellung überschritten. Man mag dies für positiv halten, weil man für das Institut der Homosexuellen-Ehe ist. Aber man sollte sich dessen bewusst sein, dass eine andere Entscheidung in einer anderen Sache genauso behandelt werden könnte. Und auch dann erfinden die Richter irgendeine Regelung, die zwar nicht in der Verfassung steht, die sie aber für richtig halten. Dann möglicherweise zum Nachteil eines Bürgers oder vieler Bürger – rechtlich begründbar wird all dies mindestens ebensogut sein wie das vorliegende Urteil.

Ehe wird zentralisiert

Vor der Obergefell-Entscheidung gab es die „Homo-Ehe“ natürlich auch schon. Zwei Männer oder zwei Frauen durften bereits in drei Vierteln der US-Staaten in der einen oder anderen Form den Bund für’s Leben schließen. Die US-Zentralregierung in Washington hatte da nicht reinzureden, da es in der Verfassung keine Bundeszuständigkeit für Ehefragen gibt.

Nun mag man sagen, dass es natürlich besser ist, wenn man im verbleibenden Viertel der Bundesstaaten auch noch heiraten darf. Diese Meinung ist aber ziemlich kurzsichtig. Denn die Geister, die das Gericht gerufen hat, wird man nun nicht mehr los werden: Es gibt in den Vereinigten Staaten von Amerika nur noch einen landesweiten Ehebegriff. Das wird mit Sicherheit auch so bleiben, denn eine einmal zentralisierte Zuständigkeit findet nur sehr selten wieder den Weg zurück nach unten.

Was aber nicht unbedingt so bleiben wird, ist die nun getroffene Entscheidung. Wer sagt, dass dieses Urteil in Stein gemeißelt ist? Der Oberste Gerichtshof ändert, wie jedes Gericht, von Zeit zu Zeit seine Ansichten. Der „SCotUS“ (Supreme Court of the United States) ist noch viel stärker als das Bundesverfassungsgericht politisch ausgerichtet. Der Präsident ernennt die Richter (mit Zustimmung des Senats) und achtet dabei in aller Regel auf die rechtspolitische Einstellung des Kandidaten.

Die Entscheidung fiel mit der denkbar knappsten Mehrheit von fünf zu vier. In einigen Jahren mag sich diese Mehrheit verschoben haben und das Undenkbare passieren: Der Supreme Court entscheidet, dass sie gleichgeschlechtliche Ehe verfassungswidrig ist. Nicht wie vorher, dass in der Verfassung nichts zu dieser Frage steht, sondern, dass sie verboten ist. Es wird dann keine Homosexuellen mehr geben, die heiraten dürfen, vielleicht werden auch die bestehenden Ehen aufgelöst. Das wird dann, weil das Obergefell-Urteil den Weg hierzu geebnet hat, von Texas bis Illinois und von Kalifornien bis South Carolina gelten.

Nicht das letzte Wort

Dieses Urteil ist sicher nicht das letzte Wort in der Angelegenheit. Das sollte auch allen klar sein, die den Gerichtsentscheid nun aus politischen Gründen feiern. Rechtlich kann hier noch einiges passieren und die Lösungsmöglichkeiten wurden durch den SCotUS radikalisiert: Hopp oder top, Pflicht oder Verbot.

Möglicherweise werden gerade die Befürworter der „Ehe für alle“ noch der guten alten Zeit hinterhertrauern, als die Staaten selbst das Recht hatten, über diese Thematik zu entscheiden, als es Volksabstimmungen, Graswurzelbewegungen, Pilotprojekte und individuelle Lösungen gab. Und dann werden sie vielleicht auch erkannt haben, dass „Obergefell“ ein Pyrrhus-Sieg war.

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