Drei Stunden für 200 Seiten

Normalerweise lasse ich ja in den seltensten Fällen eine Gelegenheit aus, politische Fehltritte entsprechend zu kommentieren.

Aber manchmal muss ich Politiker auch in Schutz nehmen. Vor allem dann, wenn es um handfeste (verfassungs-) rechtliche Fragen geht.

Aktuell titelt der Spiegel, das Hamburger Politmagazin mit der Vorliebe für phantasievolle Reporter, auf seinem Facebook-Auftritt:

Große Koalition – Warum die CSU das Klimaschutzpaket verzögert

200 Seiten in drei Stunden durcharbeiten und prüfen? Das war der CSU offenbar ein bisschen zu viel.

Nun darf man Facebook-Kommentierungen natürlich allzu ernst nehmen. Wenn die Redaktion das aber mit dieser süffisanten Bemerkung garniert, dann sollte man es schon hinterfragen.

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Fridays for Future – die papierlose Kanzlei

Mir ist etwas aufgefallen: Ich brauche kaum noch Papier.

Mandanten kommunizieren per E-Mail, WhatsApp, Facebook und Telephon mit mir. Gegner ebenso – freilich, WhatsApp und Facebook ist da seltener.

Offiziellere Schriftsätze, für die die Schriftform unentbehrlich ist, sende ich – von gewissen Schwierigkeiten abgesehen – praktisch und papierlos per Computerfax oder beA.

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Rechtsschutzversicherung, mal wieder

Man kann mich ja auf wirklich jedem erdenklichen Weg erreichen: Per Telephon, per Post, per Fax, per WhatsApp. E-Mails kann man mir standardmäßig unsicher oder mit PGP verschlüsselt schicken.

Nun hat sich eine Rechtsschutzversicherung, mittlerweile schon seit Wochen drei Anwälte, zwei Prozessbeteiligte und ein Gericht auf Trab hält, weil sie sich ein paar Euro aus einem Kostenbeschluss erhofft, etwas Neues einfallen lassen.

Ich soll mich auf deren Homepage in einem Portal verifizieren und anmelden, dort liegt dann eine Nachricht für mich.

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Der Laptop ist tot, es lebe der Laptop

Eine Kerntätigkeit des juristischen Berufs ist das Wälzen von Akten. Ohne Aktenkenntnis lässt sich ein Fall schwer beurteilen und darum ist das Einholen von Akten in der Regel der allererste Schritt nach Übernahme eines Mandats.

Gerichte und Staatsanwaltschaften verschicken ihre Akten gerne in Papierform. Das ist etwas nervig, aber dafür hat man einen Hochleistungsscanner und eine Hochleistungssekretärin. Gelegentlich schickt die Staatsanwaltschaft Akten auch gleich digital, dann jedoch auf CD. Da meine Kanzlei-Computer aus dem 21. Jahrhundert stammen und dementsprechend keine CD-Laufwerke mehr besitzen, stellt mich das vor gewisse Probleme.

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Bin ich ein Organ der Rechtspflege?

Anwälte sind Organe der Rechtspflege. Das zumindest sagt das anwaltliche Berufsrecht (§ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung). Damit soll zum einen zum Ausdruck kommen, dass der Anwalt nicht nur für seinen aktuellen Mandanten da ist, sondern das große Ganze der Rechtsordnung im Auge haben muss. Andererseits bedeutet das aber auch, dass es keine Überordnung der staatlichen Juristen wie Richter oder Staatsanwälte gibt, sondern der Anwalt eine genauso vertrauensvolle Stellung genießt.

Trotzdem kann ich mich mit diesem Titel nicht ganz anfreunden. Warum das so ist, möchte ich hier kurz ausführen.

Zum einen bedeutet „Organ“ eine gewisse Distanzierung von sich selbst. Ein Verfassungsorgan ist bspw. entpersonalisiert, der Inhaber des Amtes handelt nicht mehr als Privatperson, sondern mehr als Sachwalter des Staates. Ebenso ist der Vorstand eines Vereins ein organisatorischer Teil desselben und nicht mehr als individuelle Person erkennbar, sondern muss die Gesamtinteressen über die eigenen, aktuellen stellen.

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Würgen ist keine Misshandlung?

fear-1131143_1920Auf Facebook macht derzeit eine Entscheidung die Runde, in der der Bundesgerichtshof angeblich geurteilt habe, das Würgen des Opfers während einer Vergewaltigung stelle keine Misshandlung dar. Dies klingt zunächst kaum nachvollziehbar.

Darum habe ich mich etwas näher mit dem Urteil und den gesetzlichen Hintergründen beschäftigt:

In dem Fall (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2018, Az. 3 StR 658/17) hatte das Landgericht Trier den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt. Dabei hat es einen besonders schweren Fall angenommen, da der Täter das Opfer gewürgt und damit schwer misshandelt habe. Allein Letzteres wurde durch den BGH moniert.

Der Fall spielte zwar zu einer Zeit, als noch das frühere Sexualstrafrecht in Kraft war. Die gesetzlichen Regelungen waren insoweit identisch, standen aber in anderen Absätzen des § 177 StGB. Da dies nur rechtshistorisch von Interesse wäre, wenden wir uns einfach der heutigen Gesetzesfassung und deren Nummerierung zu.

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1000 Euro Bußgeld für streikende Schüler?

crowd-1294991_1280Seit Monaten besuchen einige Schüler am Freitag nicht den Unterricht, weil sie stattdessen – dem schwedischen Vorbild Greta folgend – für das Klima demonstrieren wollen. Der Direktor eines Münchner Gymnasiums hat nun eine Ahndung des „Schulschwänzens“ durch ein Bußgeld ins Spiel gebracht.

Bei der Diskussion darüber sind einige Fragen entstanden:

Kann Schulschwänzen überhaupt mit Bußgeld geahndet werden?

Ja, das ist möglich – jedenfalls im bayerischen Schulrecht, wobei andere Länder aber eine ganz ähnliche Rechtslage haben dürften.

Art. 119 Abs. 1 Nr. 4 des bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) lautet:

Mit Geldbuße kann belegt werden, wer als Schulpflichtige oder Schulpflichtiger am Unterricht oder an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen (Art. 56 Abs. 4) vorsätzlich nicht teilnimmt

Da die Höhe der Geldbuße nicht im Gesetz bestimmt ist, gilt der allgemeine Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes (§ 17 Abs. 1 OWiG):

Die Geldbuße beträgt mindestens fünf Euro und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens eintausend Euro.

Wie im Strafrecht ist eine Ahndung aber erst ab 14 Jahren möglich (§ 12 Abs. 1 Satz 1 OWiG).

Müssen die Schüler dann wirklich 1000 Euro zahlen?

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Rechtsschutzversicherung? Nein, danke!

clause-1462960_1920Warum ich keine rechtsschutzversicherten Mandanten mehr annehme

Im anwaltlichen Tätigkeitsbereich ist nicht jedes Mandat eine Goldgrube. Das macht mir aber auch nichts aus, denn viele Angelegenheiten übernehme ich aus Überzeugung. Und im Endeffekt ist es immer eine Mischkalkulation. So übernehme ich auch Fälle mit niedrigem Streitwert, kleine Strafsachen, Prozesskostenhilfemandate, Pflichtverteidigungen usw. Soweit berufsrechtlich zulässig, mache ich manche Dinge auch pro bono oder erteile zumindest kostenlose telephonische Auskünfte.

Eine Art von Fällen werde ich aber nun in aller Regel, noch konsequenter als zuvor, überhaupt nicht mehr annehmmen: Diejenigen, die mir ein rechtsschutzversicherter Mandant anträgt. Denn diese Mandate bedeuten nur Ärger.

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Das Ende der Robe?

Die schwarze Robe ist die Berufstracht der Rechtsanwälte. Daran erkennt man sofort den Juristen – auch, wenn die Herkunftserklärung, der preußische König Friedrich Wilhelm I. habe diese verordnet, damit man die „Spitzbuben“ schon von Weitem sehe, wohl ins Reich der Mythen gehört.

Abschaffung der Robenpflicht durch die Satzungsversammlung?

Die Robe ist dabei nicht nur eine Frage der Üblichkeit, sondern auch berufsrechtlich in § 20 Abs. 1 BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte) festgeschrieben. Dies könnte sich nun ändern. Denn die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer berät bald über eine Änderung dieser Vorschrift. Hierüber hat sich bereits eine lebhafte Diskussion in der Anwaltschaft entwickelt.

Ich persönlich bin ein Freund der Robe. Sie gehört einfach zu unserem Beruf dazu. Ich trage die Robe bei allen Verhandlungen, in der Regel auch bei Gerichten, in denen die Robe nicht mehr verpflichtend ist, z.B. in Zivilsachen vor dem Amtsgericht München.

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