Rechtsschutzversicherung? Nein, danke!

clause-1462960_1920Warum ich keine rechtsschutzversicherten Mandanten mehr annehme

Im anwaltlichen Tätigkeitsbereich ist nicht jedes Mandat eine Goldgrube. Das macht mir aber auch nichts aus, denn viele Angelegenheiten übernehme ich aus Überzeugung. Und im Endeffekt ist es immer eine Mischkalkulation. So übernehme ich auch Fälle mit niedrigem Streitwert, kleine Strafsachen, Prozesskostenhilfemandate, Pflichtverteidigungen usw. Soweit berufsrechtlich zulässig, mache ich manche Dinge auch pro bono oder erteile zumindest kostenlose telephonische Auskünfte.

Eine Art von Fällen werde ich aber nun in aller Regel, noch konsequenter als zuvor, überhaupt nicht mehr annehmmen: Diejenigen, die mir ein rechtsschutzversicherter Mandant anträgt. Denn diese Mandate bedeuten nur Ärger.

Fangen wir zunächst bei den monetären Dingen an. Natürlich, ich muss von meinem Beruf leben, aber die finanzielle Seite steht – wie geschrieben – nicht stets im Vordergrund. Beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung steht für den Versicherungsnehmer die finanzielle Seite aber sehr wohl im Vordergrund, darum ist es auch legitim, sich damit zu beschäftigen.

In finanzieller Hinsicht lauern beim Involvieren einer Rechtsschutzversicherung zahlreiche Fallen:

Mehr als RVG ist erklärungsbedürftig

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz regelt das Honorar des Anwalts. Dabei handelt es sich aber nicht um zwingende Vorgaben, man kann hiervon abweichen – nach oben, aber meist auch nach unten. Ich vereinbare mit fast jedem Mandanten eine individuelle, aufwandsbezogene Vergütung, die sehr viel besser passt als die gesetzlichen Pauschalsummen.

Wenn ich bspw. eine juristische Staatsexamensprüfung anfechte, dann macht es einen Unterschied, ob ich die Bewertung von einer oder von elf Klausuren rüge. Das RVG geht über solche Feinheiten aber hinweg. Würde ich die RVG-Vergütung ansetzen, käme ich bei umfangreichen Prüfungsanfechtungen zu einem Ein-Euro-Job.

Vereinbare ich das nun mit dem rechtsschutzversicherten Mandanten, fragt der sich natürlich, warum die Versicherung bestenfalls einen Teil des Honorar übernimmt. Natürlich erkläre ich das vorher genau, aber bis es zur Zahlung kommt, ist das meist schon vergessen.

Willkürliche Zahlungskürzungen

Aber auch der RVG-Satz ist keineswegs ein Selbstläufer. Man erlebt es extrem oft, dass die Rechtsschutzversicherung einfach die Rechnung kürzt. Manchmal wenigstens mit hanebüchenen Erklärungen, meistens ganz ohne Begründung.

Sehr häufig wird ein Betrag einbehalten, der unterhalb dessen liegt, was man rentabel einklagen kann. Wegen 480 Euro (gerade noch in der untersten Gebührenstufe) geht man ungern vor Gericht, gerade als Rechtsanwalt. Einfach so auf 480 Euro zu verzichten, ist aber wirtschaftlich auch nicht sinnvoll – vor allem, wenn es bei mehreren Mandaten mehrfach 480 Euro sind.

Verzögerungen bei der Auszahlung

Bis zur Auszahlung, ob nun RVG oder gekürzt oder was auch immer, vergehen bei Rechtsschutzversicherungen regelmäßig Monate. In der Zwischenzeit gibt es meist keinerlei Nachricht. Hinterherzutelephonieren ist auch mühsam, insbesondere wenn sich diese Mandate häufen.

Bei normalen Mandanten bekomme ich meine Rechnung innerhalb von zwei Wochen bezahlt. Wenn notwendig, können auch Raten vereinbart werden – alles kein Problem, aber man hat einen verlässlichen Zahlungshorizont. Die RSV dagegen zahlt, was sie will, wann sie will.

Willkürliche Nichtzahlung

Gar nicht so selten kommt es auch vor, dass die Versicherung schlicht gar nicht zahlt. Das wird normalerweise schon begründet, man verweist dann auf irgendeinen Unterpunkt der AGB. Da steht dann eben, dass irgendein Rechtsbereich ausgeschlossen sein soll. Ob das nun im jeweiligen Fall passt oder nicht, muss man zur Not gerichtlich klären lassen.

Typischerweise kommen die Versicherungen damit aber erst daher, wenn man als Rechtsanwalt – wegen naiver Gutmütigkeit oder aufgrund einer drängenden Frist – bereits den Hauptteil der Arbeit getan hat. Dann muss ich den Mandanten auf einmal mit einer Rechnung konfrontieren, von er bislang nicht annahm, sie bezahlen zu müssen.

Aufsplitten der Rechnung

Ich verfahre normalerweise nach der Devise „eine Angelegenheit, eine Rechnung“. Das funktioniert sehr gut und wenn sich nachher ein Korrekturbedarf herausstellt, dann geht das schon auch.

Der typische Rechtsschutzversicherte hat dagegen einen Selbstbehalt. Zwischen 150 und 300 Euro muss er meist pro Fall selbst dazuschießen. Nun verlangt die Versicherung dieses Geld natürlich nicht von ihrem Versicherungsnehmer und überweist dann alles an mich. Ich muss mich quasi um das Inkasso für die Versicherung kümmern und meinem Mandanten seine Selbstbeteiligung – mit der ich nun wirklich nichts zu tun habe – gesondert in Rechnung stellen. Manchmal muss ich auch noch raten, ob die obligatorische Rechnungskürzung (siehe oben) nicht vielleicht die Selbstbeteiligung ist.

Das ist nicht tragisch, aber das sind einfach zusätzliche Verwaltungsvorgänge, die den Ablauf verkomplizieren und aufhalten.

Gefahr der Rückforderung

Und auch, wenn die Versicherung ordentlich gezahlt hat, ist man noch lange nicht auf der sicheren Seite. Denn plötzlich kann dem Sachbearbeiter auffallen, dass er einen Fehler gemacht hat und doch kein Versicherungsschutz besteht.

Dann verlangt die Versicherung das Geld zurück – und zwar von mir, wenn sie an mich gezahlt hat. Sofern es in meiner Rechtsbeziehung zur Versicherung keinen Grund für die Zahlung gab, bin ich auch zur Rückzahlung verpflichtet.

Danach kann ich mich an den Mandanten halten, mir dessen Unwillen anhören und das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit tragen. Und das alles, obwohl mein Zahlungsanspruch völlig unstrittig ist und ich das Geld ja schon hatte. Würde der Mandant mich direkt zahlen, könnte ich mich durch Vorschussforderungen absichern und wäre ziemlich sicher, das Geld behalten zu dürfen, da die Mandatsbeziehung ja besteht. Sobald ein Dritter zahlt, gibt es aber zusätzliche Unsicherheiten.

Die vielen Gründe, warum man bei Rechtsschutzversicherungen seinem Geld hinterherlaufen muss, sind nun ausreichend anschaulich geschildert. Es gibt aber noch genug nichtmonetäre Argumente gegen die Übernahme von Rechtsschutzmandaten.

Strafrecht und Verfassungsbeschwerden meist nicht erfasst

Meine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Strafrecht, das Schul- und Prüfungsrecht sowie der Bereich der Verfassungsbeschwerde. Im ersten und im letzten Gebiet spielen Rechtsschutzversicherungen kaum eine Rolle, da diese Bereiche fast immer ausgeschlossen sind. Es ergibt also keinerlei Sinn, die RSV überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Nun bestehen aber auch Strafrechtsschutzversicherungen. Diese wiederum tragen in der Regel nur die Kosten bei Fahrlässigkeitsdelikten. Bei den meisten Verfahren ist aber klar, dass es entweder mit Verurteilung wegen eines Vorsatzdelikts oder mit Freispruch enden wird – in beiden Fällen muss die Rechtsschutzversicherung nicht zahlen. Weil diese Versicherungen jedoch so wahnsinnig kundenfreundlich sind, erteilen sie oft trotzdem eine Deckungszusage.

Der darüber erfreut Mandant ist am Ende aber oft weniger erfreut, wenn er dann doch wieder in Regress genommen wird.

Anwalt soll vorher Umfang der RSV prüfen

Weil auch der Mandant vorher weiß, dass man Versicherungen nicht immer trauen darf, will er häufig vorher vom Anwalt wissen, ob die Rechtsschutzversicherung seinen Fall übernehmen wird. Rechtsschutzversicherungen gibt es wie Sand am Meer, spezifische Tarife gehen schon in den atomaren Bereich. Die kann man gar nicht kennen.

Dann soll ich also – obwohl ich vom Versicherungsrecht keine Ahnung habe – die Versicherungsbedingungen durchforsten, was denn nun erfasst und was vielleicht irgendwo ausgeschlossen ist. Das ist an sich ein eigener Auftrag mit ganz erheblichem Haftungsrisiko. Übersehe ich etwas, wird der Mandant nachher sagen: „Ja, wenn ich gewusst hätte, dass ich das selber zahlen muss, hätte ich natürlich nie…“

Erwartungshaltung des Mandanten

In vielen Anfragen wird das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung gleich als Gütesiegel erwähnt. „Um Ihre Vergütung wird sich natürlich meine Rechtsschutzversicherung kümmern.“ Hier besteht häufig, wie bspw. auch bei gesetzlichen Krankenkassen, eine Vollkaskomentalität.

Weil man selbst nicht zahlt, geht man davon aus, dass der Anwalt sicher Unsummen bekommt und er froh sein kann, dass ihm so ein lukratives Mandat überhaupt angeboten wird. Rein betriebswirtschaftlich gedacht könnte ich einem versicherten Mandanten aber niemals die Leistung zukommen lassen, die ein regulär zahlender Mandant erhält.

Und obwohl zumindest ich die rechtsschutzversicherten Rechtssuchenden auch nicht schlechter behandle als die normalen, herrscht hier oft eine ganz besondere Erwartungshaltung vor. Man geht davon aus, dass Dinge „mitbezahlt“ sind, die über den normalen Leistungsumfang weit hinausgehen – mehrfache persönliche Besprechungen, permanente Telephonanrufe oder auch Beratung zu gänzlich neuen Themen.

Fehler der Rechtsschutzversicherung

Ich habe ja viel mit Behörden, Unternehmen und ganz normalen Menschen zu tun. Überall passieren Fehler, keine Frage. Aber so viele Fehler wie die meisten Rechtsschutzversicherungen machen, ist schon bemerkenswert.

In einem Fall hat die Rechtsschutzversicherung vor mehr als einem Jahr bezahlt, aber nachweislich auf das falsche Konto. Seit dieser Zeit laufe ich meinem Geld hinterher. Gegenüber der Mandantschaft bestehen sie darauf, sie hätten ja geleistet. Leider befindet sich dieser Betrag in einer Größenordnung, der die Lästigkeit der Eintreibung nicht rechtfertig.

Sehr gerne passiert es auch, dass mein Mandant meine Rechnung zunächst zahlt und diese dann an die RSV weiterreicht. Diese zahlt dann aber signifikant häufig nicht an ihren Versicherungsnehmer, sondern an mich. Der Mandant ist dann nicht selten erbost, weil ich ja doppelt kassiert habe und will das Geld der RSV von mir haben.

Nun ist es aber so, dass ich mit der RSV keinen Vertrag habe. Meine Rechnung war vorher schon (durch den Mandanten) bezahlt und ich hatte somit keinen Anspruch mehr auf die Zahlung durch die RSV. Dieses Geld müsste ich nun an diese zurückleiten. Das will der Mandant aber nicht, der möchte das Geld natürlich auch seinem Konto haben. Wenn ich das tue, riskiere ich aber, dass die Versicherung das Geld auch wieder von mir zurückfordert. Dass ich schon an den Mandanten bezahlt habe, interessiert die Versicherung dann freilich nicht. Im Ergebnis sitze ich also zwischen allen Stühlen, muss die Fehler eines Dritten korrigieren und dafür auch noch das Risiko tragen, dass etwas falsch läuft.

Schriftverkehr

Eine besondere Freude ist auch der Schriftverkehr mit den Rechtsschutzversicherungen. Natürlich wollen die wissen, worum es geht, welche Personen involviert sind etc. Weil die erste Antwort nie genau genug ist, hat man auch öfters etwas davon. Das sind die Dinge, die oft extreme Arbeitszeit verursachen, weil man natürlich alles mit dem Mandanten abstimmen muss.

Vertrauliche Dokumente übersenden

Im Rahmen dieses Schriftverkehrs wollen die Versicherungen gerne die gesamten Dokumente in der Sache sehen. Das stellt einen vor das Problem, dass ggf. auch persönliche Informationen des Mandanten preisgegeben werden bis hin zu gesundheitlichen Dispositionen und familiären Verhältnissen.

Während das mit dem Einverständnis des Mandanten möglich ist, kommt man spätestens dann in strafrechtliche Bereiche, wenn man auf einmal eine Anklageschrift vor der mündlichen Verhandlung übersenden soll oder Geheimnisse anderer Personen auf diese Weise offenbart werden.

Verlangen nach absurden Zusicherungen

Oft wollen die Rechtsschutzversicherungen auf Nummer sicher gehen und verlangen, dass man ihnen irgendetwas garantiert. Das widerstrebt mir von vornherein, denn in der juristischen Zunft kann man den Ausgang eines Verfahrens niemals hundertprozentig vorhersagen.

Eine besonders absurde Auskunft wollte eine Rechtsschutzversicherung in einem Fall, in dem der Mandant in der ersten Instanz (mit einem anderen Anwalt) verloren hatte. Ich sollte nun die Aussichten der Berufung gegen dieses Urteil gutachterlich prüfen. Ich soll also schlauer sein als das Landgericht und bindend feststellen, ob das Urteil nun richtig war oder nicht.

Für ein solides Gutachten müsste man die gesamte Rechtsprechung durchforsten und analysieren. Das ist eine viel größere Arbeit als die Berufung selbst. Komme ich zu dem Ergebnis, dass die Chancen schlecht sind, gibt es keine Deckung und ich bekomme nur eine minimale Bezahlung für ein exorbitant umfangreiches Gutachten. Komme ich zu dem Ergebnis, dass die Chancen gut sind und wir gewinnen – alles wunderbar, dann zahlt eh der Gegner. Gehe ich aber von guten Chancen aus und wir verlieren, dann wette ich darauf, dass mich die Versicherung in die Haftung nimmt. Im Endeffekt bin ich also die Versicherung für die Versicherung.

Langes Warten

Bereits oben bei den Zahlungsmodalitäten habe ich erwähnt, dass man bei Rechtsschutzversicherungen viel Geduld mitbringen muss. Wenn es um Zahlungen geht, ist das nervig, aber erträglich. Schwieriger ist es, wenn der Mandant auf die Deckungszusage wartet, aber eine Frist (z.B. Klagefrist nach einem Widerspruch) läuft.

Diese Frist muss man einhalten, also im Prinzip auch dann tätig werden, wenn sich die RSV noch nicht entschieden hat. Das führt dann oft dazu, dass der Mandant in eine Klage reinläuft, weil er davon ausgeht, dass die RSV schon zahlt – und am Ende doch auf den Kosten sitzen bleibt.

Lange Rede, kurzer Sinn

Es mag sein, dass nicht jede Rechtsschutzversicherung schlecht ist. Aber das, was ich oben beschrieben habe, habe ich ausnahmslos schon so erlebt. Und es führt einfach dazu, dass das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant erheblich belastet wird. An sich sollte man sich um die Rechtsstreitigkeit mit einer anderen Person kümmern, nicht um solche Nebensächlichkeiten. Wenn der Mandant einen Dritten ins Boot holt, von dem er sich Geld erhofft, ist das an sich seine Sache und betrifft mich nicht. Aber ganz oft überlagert der Streit mit der Versicherung die eigentliche Sache.

Permanent gegen Rechtsschutzversicherungen zu klagen, ist angesichts der meist geringen Streitwerte auch keine Option. Dem Mandanten zu sagen, dass seine RSV nicht mein Problem ist und er sich selbst darum kümmern soll, kommt normalerweise weniger gut an. Ich muss mich dann also entscheiden, ob ich mehr Aufwand und Ärger für weniger Geld haben will oder einen verärgerten Mandanten in Kauf nehme – und diese beiden Optionen schließen sich nicht einmal aus. Das nützt im Endeffekt niemandem.

Wenn Sie also eine Rechtsschutzversicherung haben und einen Anwalt brauchen, wenden Sie sich bitte an einen Kollegen. Es gibt genügend aus unserer Zunft, die diesen Kampf gerne auf sich nehmen. Ich verzichte lieber auf ein paar Mandate und erspare mir (und den potentiellen Mandanten) auf diese Weise Unannehmlichkeiten.

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