Der Laptop ist tot, es lebe der Laptop

Eine Kerntätigkeit des juristischen Berufs ist das Wälzen von Akten. Ohne Aktenkenntnis lässt sich ein Fall schwer beurteilen und darum ist das Einholen von Akten in der Regel der allererste Schritt nach Übernahme eines Mandats.

Gerichte und Staatsanwaltschaften verschicken ihre Akten gerne in Papierform. Das ist etwas nervig, aber dafür hat man einen Hochleistungsscanner und eine Hochleistungssekretärin. Gelegentlich schickt die Staatsanwaltschaft Akten auch gleich digital, dann jedoch auf CD. Da meine Kanzlei-Computer aus dem 21. Jahrhundert stammen und dementsprechend keine CD-Laufwerke mehr besitzen, stellt mich das vor gewisse Probleme.

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Bin ich ein Organ der Rechtspflege?

Anwälte sind Organe der Rechtspflege. Das zumindest sagt das anwaltliche Berufsrecht (§ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung). Damit soll zum einen zum Ausdruck kommen, dass der Anwalt nicht nur für seinen aktuellen Mandanten da ist, sondern das große Ganze der Rechtsordnung im Auge haben muss. Andererseits bedeutet das aber auch, dass es keine Überordnung der staatlichen Juristen wie Richter oder Staatsanwälte gibt, sondern der Anwalt eine genauso vertrauensvolle Stellung genießt.

Trotzdem kann ich mich mit diesem Titel nicht ganz anfreunden. Warum das so ist, möchte ich hier kurz ausführen.

Zum einen bedeutet „Organ“ eine gewisse Distanzierung von sich selbst. Ein Verfassungsorgan ist bspw. entpersonalisiert, der Inhaber des Amtes handelt nicht mehr als Privatperson, sondern mehr als Sachwalter des Staates. Ebenso ist der Vorstand eines Vereins ein organisatorischer Teil desselben und nicht mehr als individuelle Person erkennbar, sondern muss die Gesamtinteressen über die eigenen, aktuellen stellen.

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Würgen ist keine Misshandlung?

fear-1131143_1920Auf Facebook macht derzeit eine Entscheidung die Runde, in der der Bundesgerichtshof angeblich geurteilt habe, das Würgen des Opfers während einer Vergewaltigung stelle keine Misshandlung dar. Dies klingt zunächst kaum nachvollziehbar.

Darum habe ich mich etwas näher mit dem Urteil und den gesetzlichen Hintergründen beschäftigt:

In dem Fall (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2018, Az. 3 StR 658/17) hatte das Landgericht Trier den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt. Dabei hat es einen besonders schweren Fall angenommen, da der Täter das Opfer gewürgt und damit schwer misshandelt habe. Allein Letzteres wurde durch den BGH moniert.

Der Fall spielte zwar zu einer Zeit, als noch das frühere Sexualstrafrecht in Kraft war. Die gesetzlichen Regelungen waren insoweit identisch, standen aber in anderen Absätzen des § 177 StGB. Da dies nur rechtshistorisch von Interesse wäre, wenden wir uns einfach der heutigen Gesetzesfassung und deren Nummerierung zu.

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1000 Euro Bußgeld für streikende Schüler?

crowd-1294991_1280Seit Monaten besuchen einige Schüler am Freitag nicht den Unterricht, weil sie stattdessen – dem schwedischen Vorbild Greta folgend – für das Klima demonstrieren wollen. Der Direktor eines Münchner Gymnasiums hat nun eine Ahndung des „Schulschwänzens“ durch ein Bußgeld ins Spiel gebracht.

Bei der Diskussion darüber sind einige Fragen entstanden:

Kann Schulschwänzen überhaupt mit Bußgeld geahndet werden?

Ja, das ist möglich – jedenfalls im bayerischen Schulrecht, wobei andere Länder aber eine ganz ähnliche Rechtslage haben dürften.

Art. 119 Abs. 1 Nr. 4 des bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) lautet:

Mit Geldbuße kann belegt werden, wer als Schulpflichtige oder Schulpflichtiger am Unterricht oder an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen (Art. 56 Abs. 4) vorsätzlich nicht teilnimmt

Da die Höhe der Geldbuße nicht im Gesetz bestimmt ist, gilt der allgemeine Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes (§ 17 Abs. 1 OWiG):

Die Geldbuße beträgt mindestens fünf Euro und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens eintausend Euro.

Wie im Strafrecht ist eine Ahndung aber erst ab 14 Jahren möglich (§ 12 Abs. 1 Satz 1 OWiG).

Müssen die Schüler dann wirklich 1000 Euro zahlen?

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Rechtsschutzversicherung? Nein, danke!

clause-1462960_1920Warum ich keine rechtsschutzversicherten Mandanten mehr annehme

Im anwaltlichen Tätigkeitsbereich ist nicht jedes Mandat eine Goldgrube. Das macht mir aber auch nichts aus, denn viele Angelegenheiten übernehme ich aus Überzeugung. Und im Endeffekt ist es immer eine Mischkalkulation. So übernehme ich auch Fälle mit niedrigem Streitwert, kleine Strafsachen, Prozesskostenhilfemandate, Pflichtverteidigungen usw. Soweit berufsrechtlich zulässig, mache ich manche Dinge auch pro bono oder erteile zumindest kostenlose telephonische Auskünfte.

Eine Art von Fällen werde ich aber nun in aller Regel, noch konsequenter als zuvor, überhaupt nicht mehr annehmmen: Diejenigen, die mir ein rechtsschutzversicherter Mandant anträgt. Denn diese Mandate bedeuten nur Ärger.

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Das Ende der Robe?

Die schwarze Robe ist die Berufstracht der Rechtsanwälte. Daran erkennt man sofort den Juristen – auch, wenn die Herkunftserklärung, der preußische König Friedrich Wilhelm I. habe diese verordnet, damit man die „Spitzbuben“ schon von Weitem sehe, wohl ins Reich der Mythen gehört.

Abschaffung der Robenpflicht durch die Satzungsversammlung?

Die Robe ist dabei nicht nur eine Frage der Üblichkeit, sondern auch berufsrechtlich in § 20 Abs. 1 BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte) festgeschrieben. Dies könnte sich nun ändern. Denn die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer berät bald über eine Änderung dieser Vorschrift. Hierüber hat sich bereits eine lebhafte Diskussion in der Anwaltschaft entwickelt.

Ich persönlich bin ein Freund der Robe. Sie gehört einfach zu unserem Beruf dazu. Ich trage die Robe bei allen Verhandlungen, in der Regel auch bei Gerichten, in denen die Robe nicht mehr verpflichtend ist, z.B. in Zivilsachen vor dem Amtsgericht München.

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Mietrecht: Noch mehr Kündigungsschutz ab 70

senior-3336451_1920Im Mietrecht vergeht ja kaum ein Tag ohne eine neue populistische Forderung. Diesmal hat sich Sigmar Gabriel (SPD) mit einem phantastischen Vorschlag zu Wort gemeldet.

Anlass ist der Fall des Münchners „Rentner Rudi“, dem wegen Eigenbedarfs seine Mietwohnung gekündigt werden soll. Ob das berechtigt ist oder nicht, ist nicht relevant, zumal sich das ohne genaue Kenntnis des Falls und aller Umstände ohnehin nicht beurteilen lässt. Denn Sigmar Gabriel fordert ein allgemeines Gesetz über diesen Einzelfall hinaus. Auf Twitter verlautbart er Folgendes:

Einem 89-jährigem Rentner soll in München nach 44 Jahren die Wohnung gekündigt werden. Das ist unsozial. Ich finde, ein Gesetz muss her: Menschen über 70 darf die Wohnung nicht mehr gekündigt werden. Das muss die Regel sein!

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Ein Schokoriegel vor Gericht

Heute mal wieder eine Schilderung aus der Praxis. Alle Angaben sind, wie immer, verfremdet bzw. anonymisiert.

Ein langjähriger Mandant meiner Kanzlei betreibt erfolgreich Einzelhandelsgeschäfte, in denen unter anderem Lebensmittel vertrieben werden. Er kennt sich damit wirklich gut aus, manche Details weiß er besser als ich.

Trotzdem wurde ihm nun von der Lebensmittelkontrollbehörde vorgeworfen, einen Schokoladenriegel falsch ausgezeichnet zu haben:

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Mandantengeschenke

Als Anwalt muss man natürlich eine professionelle Haltung zu allen Mandaten und allen Mandanten haben. Trotzdem ist man irgendwo auch noch so etwas ähnliches wie ein Mensch.

Und manche Mandanten mag man daher mehr und andere weniger. Sehr, sehr gern mag ich solche, die mir Lebensmittel schenken. Von der Sorte haben mich heute gleich zwei besucht.

So gab es eine Gewürzsammlung und einen Fresskorb.

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AfD-Antrag zu Verfassungsbeschwerden

Wird eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, muss das Bundesverfassungsgericht über diese entscheiden. Doch längst nicht jede Verfassungsbeschwerde wird vom gesamten Senat aus acht Richtern behandelt, geschweige denn im Wege einer mündlichen Verhandlung. Die allermeisten Verfassungsbeschwerden werden nur durch eine Kammer, also durch drei Richter, entschieden. Dabei wiederum gibt ein Richter (der sogenannte Berichterstatter) den Ton an, die inhaltliche Arbeit macht meist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Gibt die Kammer der Verfassungsbeschwerde – wie meist – keine Chance auf Erfolg, wird sie gar nicht erst zur Entscheidung angenommen und unmittelbar abgewiesen. Diese Form der Entscheidung (bzw. Nicht-Entscheidung) bedarf keiner weiteren Begründung.

Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag nun den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Gesetz zur Einführung der Begründungspflicht) eingebracht.

Der Inhalt des Gesetzes ist sehr überschaubar. Aus § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

sollen nun die folgenden drei Sätzen werden:

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf einer Begründung. Es genügt, die für die Nichtannahme im konkreten Sachverhalt wesentlichen Punkte darzulegen. Sie ist zu veröffentlichen.

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