Schlechte juristische Argumentation (V)

Die fünfte Folge unserer Artikelreihe zu schlechter juristischer Argumentation. Alle Artikel, auch die künftigen, finden Sie unter dem gleichnamigen Schlagwort.

16. Denken Sie nichts zuende Schlechte juristische Argumentation (V)“ weiterlesen

Stell dir vor, es ist Wahl und keiner gewinnt

In den USA werden die Kandidaten der Parteien für öffentliche Wahlen fast immer im Wege sogenannter Vorwahlen („primary elections“) bestimmt. Die Mitglieder oder Sympathisanten der Partei wählen in einem solchen Vorwahlgang, wer überhaupt auf den Stimmzettel kommt. Die Vorwahlen sind dabei je nach Bundesstaat äußerst unterschiedlich geregelt, sie sind entweder

  • staatlich: Sie organisieren sich nach staatlichem Recht und werden von Behörden durchgeführt.
  • privat: Die Parteien bestimmen über ihre Satzung das Reglement und führen die Wahl durch.
  • teils/teils: Der Staat gibt Regeln vor, die nähere Durchführung obliegt aber den Parteien.

In Nevada sind die Vorwahlen eher dem staatlichen Bereich zuzuordnen. Eine Besonderheit ist dabei, dass man für „None of these Candidates“, also auch für niemanden stimmen kann. Selbstverständlich geht das in irgendeiner Form bei jeder Wahl, indem man entweder nicht hingeht oder den Stimmzettel leer lässt oder sonst ungültig macht. Diese Stimmen ergeben aber allenfalls eine Randnotiz in der Wahlstatistik und werden bei der Ergebnisermittlung nicht berücksichtigt. „Stell dir vor, es ist Wahl und keiner gewinnt“ weiterlesen

Das Finanzgericht, Paintball und die Werteordnung unserer Gesellschaft

Wenn ein Verein als gemeinnützig gilt, hat das für ihn eine Reihe steuerlicher und sonstiger Vorteile. Darum bemühen sich Vereine in aller Regel um diese Anerkennung durch das Finanzamt. Lehnt dieses ab, steht natürlich der Rechtsweg offen. Und so kam es, dass sich das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße unlängst damit beschäftigen musste, ob auch ein Paintball-Verein gemeinnützig ist. Paintball ist bekanntlich ein Sport, bei dem sich die beiden Mannschaften mit Druckluftgewehren und Farbkugeln abschießen („markieren“).

Das Urteil des Finanzgerichts (19.02.2014, Az. 1 K 2423/11) ist leider nicht im Wortlaut online verfügbar. Aus verschiedenen Pressemitteilungen und Berichten ist sein wesentlicher Inhalt aber bekannt geworden. Und daraus muss man leider schlussfolgern, dass diese Entscheidung – in Paintball-Sprache – wohl ein deutlicher Fehlschuss ist. „Das Finanzgericht, Paintball und die Werteordnung unserer Gesellschaft“ weiterlesen

Sonderstatusverhältnis: Die besondere Gewalt gegen Schüler, Beamte und Häftlinge

Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. In allen anderen Konstellationen gelten Grundrechte nicht: Sie gelten nicht für den Bürger gegenüber dem anderen Bürger und nicht für Teile des Staates gegenüber dem Staat.

Nun hat sich gewohnheitsrechtlich die Figur entwickelt, dass Personen, die in die staatliche Organisation eingebunden sind, insoweit keine Grundrechte geltend machen können, da sie eben selbst Teil des Staates werden. Das nannte sich ursprünglich „besonderes Gewaltverhältnis“, heute bezeichnet man es weniger martialisch als „Sonderstatusverhältnis“ oder „Sonderrechtsverhältnis“. Ein Beamter (das typische Beispiel) ist also in seiner Dienstzeit kein individuelles Wesen mehr, das seine Grundrechte ausübt, sondern ein neutrales Werkzeug des Staates. Als solcher kann er bspw. nicht jederzeit seine Meinung sagen (Art. 5 Abs. 1 GG) oder dem normalen Bürger nicht auch noch als Vertreter eines Verein (Art. 9 Abs. 1 GG) entgegentreten. „Sonderstatusverhältnis: Die besondere Gewalt gegen Schüler, Beamte und Häftlinge“ weiterlesen

Kindergeld – eine staatliche Wohltat?

Wenn sich ein Politiker beliebt machen will, ist der Weg über eine Kindergelderhöhung nie verkehrt. Wer kann schon etwas dagegen sagen, wenn mehr Finanzmittel für die lieben Kleinen locker gemacht werden? Dabei wird immer so getan als wäre das Kindergeld eine großzügige staatliche Wohltat. Dass dies keineswegs so ist, sondern die Leistung an Eltern vielmehr eine Pflicht des Staates darstellt, wird erst bei näherem Hinsehen klar.

Das Kindergeld ist eigentlich nicht das Kindergeld. Das Kindergeld ist nur eine Barauszahlung des verfassungsrechtliche Anspruchs auf Steuerfreiheit des Existenzminimums der Kinder (§ 31 Satz 1 Einkommensteuergesetz). Wie das genau zustande kommt, sehen wir uns nun näher an. „Kindergeld – eine staatliche Wohltat?“ weiterlesen

Verfassungsrecht außerhalb des Grundgesetzes?

In einem der letzten Beiträge ging es um das Verhältnis von Grundgesetz und Verfassung im Allgemeinen. Um es kurz zusammenzufassen: Eine Verfassung im eigentlichen Sinne ist die gesamte Verfassungsrechtsordnung, ein Verfassungsgesetz (auch Grundgesetz genannt) ist die zentrale geschriebene Rechtsnorm der Verfassung. Die Verfassungsrechtsordnung kann also noch andere Bestandteile beinhalten als nur das Grundgesetz. Daher stellt sich im Speziellen auch die Frage, ob es in Deutschland Verfassungsrecht gibt, das nicht im Grundgesetz niedergeschrieben ist. „Verfassungsrecht außerhalb des Grundgesetzes?“ weiterlesen

Unterschreiben mit einem fremden Namen

Heute möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen, die an mich herangetragen wurde: Darf man mit einem fremden Namen unterschreiben?

Nehmen wir als Aufhänger dafür eine Situation, die heute (in Zeiten des Internethandels) eigentlich nicht mehr vorkommt, die sich aber immer wieder wunderbar als juristisches Beispiel eignet – die Bestellung im Versandhandel.

Ein Bekannter ist verreist, ruft mich an und sagt: „Auf meinem Wohnzimmertisch liegt ein Bestellformular. Schreib rein, dass ich die Waschmaschine kaufe und füll den Rest mit meinen Daten aus. Ach ja, und unterschreib bitte mit meinem Namen, sonst gibt das nur Irritationen.“

Darf ich das jetzt? „Unterschreiben mit einem fremden Namen“ weiterlesen

Verfassung und Grundgesetz

the-basic-law-2454404_640Die deutsche Verfassung heißt bekanntlich (und auch aus den bekannten historischen und politischen Gründen, die mit rechtlichen Dingen wenig zu tun haben) Grundgesetz. Auch zahlreiche andere Verfassungen auf der Welt tragen den Namen Grundgesetz. Aber kann man das so verkürzt überhaupt sagen? Sind das Verfassungen mit dem Namen „Grundgesetz“ und sind eine Verfassung und ein Grundgesetz überhaupt dasselbe?

Wie so oft in der Juristerei muss man sagen: Das kommt auf die Sichtweise an. „Verfassung und Grundgesetz“ weiterlesen

Schadenersatz für den Klimawandel

„Fossile Industrie muss für Schäden und Verluste durch Klimawandel aufkommen“ – das fordert laut eco-world.de die Heinrich-Böll-Stiftung. Nun ist Schadenersatz bekanntlich eines der Hauptthemen des Zivilrechts. Mehr noch, wenn sich die Menschen einig sind, braucht es gar kein Recht. Und wenn sie streiten, dann meistens um Eigentum oder gegenseitige Forderungen.

Wie würde man nun den Schadenersatz, den angeblich schuldige Unternehmen für den Klimawandel zahlen müssen, berechnen? „Schadenersatz für den Klimawandel“ weiterlesen

US-Verfassungsversammlung: Wie wäre die Constitutional Convention zusammengesetzt?

In einem der letzten Beiträge ging es um die Möglichkeit einer Versammlung, die Änderungen an der US-Verfassung auf den Weg bringen kann. Auch, wenn deren Voraussetzungen derzeit nicht vorliegen, stellt sich doch die Frage, wie genau das Prozedere einer solchen Versammlung wäre. Die Verfassung selbst sagt nur „The Congress (…) shall call a Convention“.

Wie sich diese Versammlung zusammensetzen soll, geht nicht hervor. Dass die Einzelstaaten selbst entscheiden, auf welche Art und Weise sie ihre Delegierten wählen, liegt auf der Hand. Unklar ist aber die Zahl der Vertreter, die jedem US-Staat zustehen würde. „US-Verfassungsversammlung: Wie wäre die Constitutional Convention zusammengesetzt?“ weiterlesen