Verteidigungslinien im Strafverfahren: Hauptverhandlung

Die Hauptverhandlung ist, zumindest in der medialen Darstellung, die Sternstunde des Verteidigers: In einem feurigen Vortrag wird allen Anwesenden eingehämmert, was die Wahrheit war und welche Beweise wie zu deuten sind. Ein Überraschungszeuge nach dem anderen marschiert auf und leistet eine Aussage, die die gesamten Ermittlungen auf den Kopf stellt. In aller Regel kann der wahre Täter dann gleich im Gerichtssaal verhaftet werden.

Kaum etwas ist weiter weg von der Realität. Kaum ein Anwalt wird es schaffen, die Unschuld seines Mandanten nachzuweisen, geschweige denn jemand anderen zu überführen. Es kann immer nur darum gehen, so viele Zweifel an den Tatsachen zu begründen, dass die absolute Überzeugung des Gerichts von der Schuld des Angeklagten, die Grundlage der Verurteilung sein muss, nicht entsteht. „Verteidigungslinien im Strafverfahren: Hauptverhandlung“ weiterlesen

Die nordrhein-westfälische Facebook-Polizei

Der nordrhein-westfälische CDU-Landtagsabgeordnete Robert Stein will angeblich eine Spezialeinheit für die Bekämpfung von Internetstraftaten einrichten lassen. Eine kleine Dienststelle, bei der Know How über Vergehen in sozialen Netzwerken gebündelt werden soll. Kurz: Eine Facebook-Polizei.

Wie würde sich das nun auswirken? Ein solcher Facebook-Polizist könnte mühelos 5000 Straftaten pro Jahr entdecken. Das mag sich viel anhören, aber das sind gerade einmal 25 Straftaten pro Arbeitstag. Und wenn man acht Stunden durch Facebook surft, findet man problemlos 25 Beleidigungen, Urheberrechtsverstöße oder Bedrohungen. Da muss man sich nur einmal die Kommentare unter Zeitungsartikeln, Sportdiskussionen oder die neuesten „Prominenten-News“ anschauen. Auf ihren Seiten selbst kommen die Anbieter häufig mit dem Aussortieren kaum hinterher; was nach dem Teilen in irgendwelche Gruppen passiert, können sie eh nicht mehr beeinflussen. „Die nordrhein-westfälische Facebook-Polizei“ weiterlesen

Thomas Fischer über Beleidigungsklagen

Thomas Fischer ist und bleibt einer der bedeutendsten Strafrechtler der Bundesrepublik. Sowohl in seinen Zeitungskolumnen als auch in seinem StGB-Kommentar finden sich laufend brillante Analysen über das Recht. Dabei geht es keinesfalls nur um Paragraphen und Auslegungen, sondern häufig auch um die Verortung des Rechts im realen Leben. So schreibt der BGH-Richter bspw. in seinem Kommentar (vor § 185, Rdnr. 6) zur Bedeutung der Beleidigungsdelikte:

In der öffentlichen Meinung (und medialen Darstellung) gelten Strafanzeigen, Widerrufs- und Schadensersatzklagen wegen Beleidigung geradezu als Kennzeichen von Kleinkariertheit, mangelnder Souveränität und lächerlicher „Prozesshanselei“.

„Thomas Fischer über Beleidigungsklagen“ weiterlesen

Die Endgültigkeit verschiedener Strafverfahrensbeendigungen

Ist eine staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Entscheidung über ein Strafverfahren ergangen, stellt sich für den Betroffenen die Frage, ob diese endgültig ist und unter welchen Voraussetzungen sie ggf. wiederaufgenommen werden kann. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick hierüber:

Vorschrift Verfahren durch Strafklageverbrauch Wiederaufnahmevoraussetzungen
153 I Einstellung wg. geringer Schuld StA keine
153 II Einstellung wg. geringer Schuld Gericht nur für Vergehen (153a I 5 analog) keine
153a I Einstellung wg. geringer Schuld, Auflagenerfüllung StA nur für Vergehen (153a I 5) keine (153a II analog)
153a II Einstellung wg. geringer Schuld, Auflagenerfüllung Gericht nur für Vergehen (153a II 3, I 5) keine, auch zuerst übersehener Verbrechensvorwurf reicht (M-G, 153a, Rndr. 54)
170 II Einstellung mangels Anklageanlass StA keine, jeder „Anlass“ reicht (M-G, § 170, Rdnr. 9)
204 I Ablehnung der Verfahrenseröffnung Gericht neue Tatsachen/Beweise (211)
407 Verurteilung durch Strafbefehl Gericht nur für Vergehen (373a I) neue Tatsachen/Beweise (373a I)
260 Verurteilung durch Urteil Gericht gesamte prozessuale Tat 362

Verteidigungslinien im Strafverfahren: Zwischenverfahren

Das Zwischenverfahren dient dazu, dass das Gericht Anklagen aussortieren kann, die offentlich schlecht begründet sind, also unzureichende Beweise präsentieren oder eine Sachlage schildern, die keinen Straftatbestand erfüllt. Das kommt allerdings sehr selten vor. Die Staatsanwaltschaft ist erfahren genug, um zu wissen, wie eine rechtlich einwandfreie Anklage verfasst sein muss. „Verteidigungslinien im Strafverfahren: Zwischenverfahren“ weiterlesen

Verteidigungslinien im Strafverfahren: Ermittlungsverfahren

Im Ermittlungsverfahren prüft die Staatsanwaltschaft, meist unter weitgehender Mitwirkung der Polizei, den Tatvorwurf. Es werden der Beschuldigte, der Geschädigte sowie Zeugen vernommen. Beweise werden gesichert und zu den Akten genommen. In diesem Verfahrensabschnitt entsteht das Bild der angezeigten Handlung, das das gesamte spätere Verfahren prägen wird. Allein schon deswegen ist es wichtig, dass der Beschuldigte und sein Verteidiger frühzeitig durch Schiftsätze und Erklärungen ihre Sicht der Dinge darlegen, damit diese nicht ganz untergeht. „Verteidigungslinien im Strafverfahren: Ermittlungsverfahren“ weiterlesen

Klage gegen einen elfjährigen Fußballer

Nach einem Bericht der Mittelbayerischen Zeitung wurde ein Elfjähriger verklagt, weil er beim Warmmachen in der Halbzeitpause eines Fußballspiels seiner Mannschaft eine Zuschauerin mit dem Ball im Gesicht getroffen hat, woraufhin ihre Brille kaputtging. 710 Euro Schadenersatz wurde gefordert, mit weiteren Kosten ist die Summe mittlerweile auf knapp 1000 Euro angewachsen. Im Internet hat sich die Geschichte recht schnell verbreitet und zu ungläubigem Staunen, irritierten Fragen und auch zu rechtlichen Missverständnissen geführt. Einigem davon wollen wir heute kurz auf den Grund gehen – freilich können wir die Sache selbst hier nicht entscheiden, sondern lediglich abstrakt die Rechtslage darstellen.

Warum kann ein Elfjähriger verklagt werden? Liegt die Strafmündigkeitsgrenze nicht bei vierzehn? „Klage gegen einen elfjährigen Fußballer“ weiterlesen

Verteidigungslinien im Strafverfahren

Im Strafverfahren stellt sich für den Beschuldigten häufig die Frage, wann man besonders aktiv sein muss, um ein für sich günstiges Ergebnis, am besten natürlich einen Freispruch, zu erreichen.

Dabei herrscht nicht selten die Vorstellung vor, von der Staatsanwaltschaft können man grundsätzlich nichts erwarten, da diese der Gegner jedes Beschuldigten sei und in diesem grundsätzlich nur einen üblen Verbrecher sehe. Im Gericht hingegen sitze ein gütiger und völlig neutraler Richter, der es immer schafft, die Wahrheit ans Licht zu bringen. „Verteidigungslinien im Strafverfahren“ weiterlesen

Der Aufbau eines Strafurteils

Wie praktisch alles in der Rechtswissenschaft erfolgt auch die Abfassung des Urteils in der ersten Instanz in einem Strafverfahren festen Regeln. Die grobe Gliederung wird daher immer ungefähr wie folgt aussehen: „Der Aufbau eines Strafurteils“ weiterlesen

Baurechtliche Fallgruppen

Die Frage, ob ein Eigentümer sein Grundstück in einer bestimmten Weise bebauen darf, richtet sich nach vielerlei Vorschriften. Aber all diese Vorschriften und ihre Kenntnis nützt nichts, wenn man die Einstiegsnormen nicht kennt, die oftmals schon das Prüfungsprogramm vorgeben.

Die erste große Weichenstellung ergibt sich danach, ob ein qualifizierter Bebauungsplan vorliegt. Ein Bebauungsplan ist gemäß § 30 Abs. 1 BauGB nur dann qualifiziert, wenn er „mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält“. (Ein Spezialfall des qualifizierten Bebauungsplans ist der vorhabenbezogene Bebauungsplan gemäß § 30 Abs. 2 BauGB, der von vornherein nur ein bestimmtes Bauprojekt vorsieht und bei dem sich dementsprechend normale Baurechtsfragen eher nicht stellen.) „Baurechtliche Fallgruppen“ weiterlesen