Die nordrhein-westfälische Facebook-Polizei

Der nordrhein-westfälische CDU-Landtagsabgeordnete Robert Stein will angeblich eine Spezialeinheit für die Bekämpfung von Internetstraftaten einrichten lassen. Eine kleine Dienststelle, bei der Know How über Vergehen in sozialen Netzwerken gebündelt werden soll. Kurz: Eine Facebook-Polizei.

Wie würde sich das nun auswirken? Ein solcher Facebook-Polizist könnte mühelos 5000 Straftaten pro Jahr entdecken. Das mag sich viel anhören, aber das sind gerade einmal 25 Straftaten pro Arbeitstag. Und wenn man acht Stunden durch Facebook surft, findet man problemlos 25 Beleidigungen, Urheberrechtsverstöße oder Bedrohungen. Da muss man sich nur einmal die Kommentare unter Zeitungsartikeln, Sportdiskussionen oder die neuesten „Prominenten-News“ anschauen. Auf ihren Seiten selbst kommen die Anbieter häufig mit dem Aussortieren kaum hinterher; was nach dem Teilen in irgendwelche Gruppen passiert, können sie eh nicht mehr beeinflussen.

Mit entsprechender Spezialsoftware (ein Klick legt die Akte automatisch an) lässt sich das auch in Sekundenschnelle bearbeiten. Und 5000 zusätzliche Straftaten pro Jahr (bleiben wir einfach mal bei dieser Zahl) würden die Polizeiliche Kriminalstatistik NRWs erheblich beeinflussen. Bislang gibt es gerade einmal 30.000 erfassten Vergehen und Verbrechen im Jahr, die Kriminalität würde also gleich einmal um ein Sechstel steigen – wegen eines einzigen Beamten.

Als nächstes kann man mit der Dunkelziffer argumentieren. Diese ist (und das macht sie so beliebt) „dunkel“ – niemand weiß, wie hoch sie ist, und niemand kann widerlegen, dass sie hoch ist. Für den Standardsatz „Die Dunkelziffer wird um ein Vielfaches höher geschätzt“ ist also immer Raum. Vor allem dann, wenn schon ein Beamter für einen sprunghaften Anstieg an Ermittlungsverfahren sorgt.

Auch die Aufklärungsquote kann das positiv beeinflussen: Bei Delikten unter Einsatz des Internets liegt diese schon jetzt bei ca. 70 %, bei sämtlichen Straftaten dagegen nur bei 43 % (PKS NRW 2014). Bei Facebook steht der Name des Täters ja gleich daneben und häufig ist auch noch sein Wohnort angegeben. Sogar, wenn man offensichtliche Pseudonyme herausrechnet, dürfte man immer noch deutlich über 70 % „Sofort-Aufklärung“ liegen. Damit könnte die Gesamtaufklärungsquote in die Gegend von 50 % steigen – ein enormer Prestigegewinn.

All das führt aber kaum zu Mehraufwand, weil sich niemand für Allerweltsbeleidigungen im Internet interessiert. Es besteht kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, darum ist das Verfahren gemäß § 376 StPO einzustellen. In 95 % der Fälle wird der ermittelnde Facebook-Polizist die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft gleich per Formblatt aus dem Computer lassen können. Und die eine möglicherweise verfolgungswürdige Straftat, die sich an einem Arbeitstag so findet, wird dann eben ganz normal ausermittelt.

Davon erfährt die Öffentlichkeit natürlich nichts bzw. sie beschäftigt sich auch nicht groß mit der strafrechtlichen Praxis. Aber diese 5000 zusätzlichen Straftaten sind in jeder politischen Diskussion ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Mehr Polizisten, mehr Staatsanwälte, mehr Richter.

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