Die Welt da draußen besteht aus Recht. Gesetze, Gebote, Verbote, Vorschriften – es ist alles Recht. Daneben gibt es noch Naturwissenschaften, aber das war es dann im Wesentlichen schon. Nicht selten kollidieren Recht und Naturwissenschaften auch. Das Parlament des US-Bundesstaates Indiana wollte einst den Wert der Zahl Pi (Sie wissen schon, Dreikommavierzehn, das Verhältnis zwischen Umfang und Radius eines Kreises) per Gesetz festlegen. Man war sich nicht ganz sicher, ob Pi nun besser 3,2 oder 4,0 sein sollte, aber einer Regelung hätte es ganz sicher bedurft. Im Endeffekt hat man es dann doch gelassen und sich mit dem mathematischen Wert begnügt. Aber interessant wäre es sicher schon gewesen, welche Wissenschaft hier den Sieg davongetragen hätte…
Wer die Welt erklären will, muss also das Recht erklären. Freilich, wir hätten auch eine erklärende Homepage über Physik, Biologie oder Chemie anlegen können. Aber in den Naturwissenschaften – seien wir mal ehrlich – ändert sich ja nichts mehr. Das Universum ist da und es wird auch noch einige Zeit da bleiben. Daran können die Wissenschaftler nicht viel ändern, sie können nur das, was da ist, beobachten und mehr schlecht als recht erklären.
Die Möglichkeiten der Juristerei sind da schon ganz andere: Juristen reden nicht nur über das Recht, sie schaffen auch neues. Jeden Tag, jede Stunde, permanent. Der Bundestag schafft Recht. Die Länder und Gemeinden auch. Sogar die Gerichte. Und die – selbstverständlich überbezahlten und unterbeschäftigten – Professoren an den Universitäten auch. Wofür gibt es denn Myriaden von juristischen Zeitschriften, wenn nicht dafür, dort neue Erkenntnisse zu publizieren? Und es müssen nicht einmal Erkenntnisse sein. Eine neue Meinung zu einer alten Frage und Sie haben die juristische Fachwelt zum Überlegen gebracht. Besser noch: Jemand anders kann auf Sie reagieren und auch etwas publizieren.
All das ist Recht. Nicht unbedingt in dem Sinne, dass sich wegen eines Artikels in einer Fachzeitschrift ein Gesetz ändern würde. Aber Sie haben eine neue Interpretationsmöglichkeit für bestehende Gesetze erfunden. Studenten werden Sie in Hausarbeiten zitieren. Für das Ego ist das doch das wichtigste. Das alles mag den juristischen Laien nicht groß interessieren. Aber es zeigt eines: Das Recht ist eine Wissenschaft, die sich auf sich selbst bezieht. Sie kann neue Probleme und Fragen erfinden und sich dann auch gleich an die Lösungen dazu machen. Ist das nicht ein tolles Beschäftigungsfeld? Der gemeine Physiker hat es da nicht so einfach. Er kann nicht von heute auf morgen einen neuen Planeten schaffen. Und der Chemiker kann nicht schnell ein neues Element erfinden. Der Jurist kann es und tut es.
Und weil die Juristerei so eine tolle Wissenschaft ist, hängt ihr ein gewisser Nimbus den Unbegreifbaren nach. Recht ist etwas, das an den Universitäten gelehrt und in den Gerichten gesprochen wird. Dazu gibt es noch Anwälte, die uns durch dieses Dickicht helfen und deren Fachwissen und Rechnungen wir schutzlos ausgeliefert sind.
Diese Homepage ist nicht dazu da, den geneigten Leser zum Juristischen Hochschulabschluss zu führen. Das schafft kein Buch und keine Internetseite, das schaffen offensichtlich nicht einmal unsere Universitäten: Ein Drittel der Studenten fällt beim ersten Staatsexamen durch und ein weiteres Drittel besteht gerade so (und hat damit im Haifischbecken des juristischen Arbeitsmarkts kaum eine Chance). Nach dem Lesen werden Sie sich zu keinem dieser Drittel zählen dürfen, aber Sie verstehen vielleicht das nächste Mal, warum der Anwalt für zwei spärlich beschriebene DIN-A4-Seiten ein vierstelliges Honorar ansetzt. In dem Moment denken Sie sich möglicherweise „Gut, dass ich den ganzen Blödsinn nicht verstehen muss, mir hat die Lektüre des von ein paar Artikeln auf dieser Homepage schon gereicht“.