Normalerweise gehen die Prozessordnungen davon aus, dass man immer dort klagen muss, wo der Beklagte seinen „Gerichtsstand“ (seinen Wohnort oder seinen Firmensitz) hat. Die Ratio dieses Grundsatzes ist klar – es liegt in der Hand des Klägers, den Prozess überhaupt einzuleiten, also soll er auch zu demjenigen hinkommen müssen, von dem er etwas will. Ansonsten könnte man auch lustig Klagen gegen andere Leute einreichen und diese dann dazu zwingen, dass sie zu einem hunderte Kilometer entfernten Gericht anreisen. Diese Möglichkeit der Schikane soll – zumindest im Grundsatz – unterbunden werden.
Im Familienrecht ist das aber anders. Weil hier die Familie im Vordergrund steht, wird sehr viel mehr an die familiären Verhältnisse angeknüpft. Dies gilt gerade auch in Scheidungsverfahren. § 122 des FamFG regelt die örtliche Zuständigkeit sehr detailliert und, was höchst ungewöhnlich ist, gibt auch eine Reihenfolge für die Zuständigkeit der Gerichte an. Ist also bereits ein Gericht nach Nr. 1 zuständig, kommt es auf die anderen Tatbestände nicht mehr an. Ein Gericht, das bspw. nach Nr. 4 zuständig ist, kommt nur zum Zug, wenn es kein Gericht gibt, das auch nur eine der Voraussetzungen der Nr. 1 bis 3 erfüllt.
§ 122 FamFG – Örtliche Zuständigkeit
Ausschließlich zuständig ist in dieser Rangfolge:
1. das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
2. das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit einem Teil der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern bei dem anderen Ehegatten keine gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben;
3. das Gericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt gehabt haben, wenn einer der Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
4. das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
5. das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
6. das Amtsgericht Schöneberg in Berlin.
Lebt also ein Partner mit allen gemeinsamen minderjährigen Kindern zusammen, dann findet die Verhandlung auch bei ihm statt. (Nr. 1) Leben einige der gemeinsamen minderjährigen Kinder beim einen Partner und keines beim anderen (und damit denklogisch notwendig weitere Kinder bei irgendjemand anderem, was eher selten sein dürfte), dann ist bei diesem Partner der Gerichtsstand. (Nr. 2) Wohnt einer der Ehegatten noch immer im selben Gerichtsbezirk, in dem die eheliche Wohnung zuletzt lag, (aber nicht notwendigerweise im selben Ort oder gar im selben Haus), dann ist das Gericht zuständig. (Nr. 3)
Kann nach keiner dieser drei Sonderzuständigkeiten ein Gericht festgelegt werden, geht das FamFG zum ZPO-Regelfall über: Verhandelt wird am Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte (der hier „Antragsgegner“ heißt) wohnt. (Nr. 4) Gibt es kein solches (deutsches) Gericht, wohnt der Antragsgegner also im Ausland, dann kann der andere Ehepartner den Scheidungsantrag bei seinem eigenen Gericht stellen. (Nr. 5) Und hat keiner der Ehepartner eine Wohnung im Inland, so notfalls das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig. (Nr. 6)
Es ist also für jeden gesorgt. Und sei es nur mit dem AG Schöneberg.