Sanktionen: Russland-Zahlungsverkehr nicht automatisch blockiert

Das OLG Frankfurt/Main (Hinweisbeschluss vom 22.09.2025, Az. 3 U 111/23) hat in einem Sanktionsfall mit Russland den pragmatischen Mittelweg markiert: Gewöhnlicher Zahlungsverkehr ist nicht schon deshalb blockiert, weil er aus Russland stammt.

Entscheidung und Ausgangspunkt

Die Umsetzung von Sanktionen ist oft kompliziert und risikobehaftet.
Die Umsetzung von Sanktionen ist oft kompliziert und risikobehaftet.
Im zugrunde liegenden Verfahren hatte eine Sparkasse eine eingehende Überweisung aus Moskau über rund 37.000 Euro vorsorglich gesperrt und den Betrag nach § 372 BGB beim Amtsgericht hinterlegt – aus Angst vor Sanktionsverstößen. Das Landgericht Wiesbaden gab der Empfängerin Recht. In der Berufung ließ der 3. Zivilsenat durchblicken, dass weder die Listungsverordnung der Europäischen Union (EU-VO 269/2014) noch die sektoralen Maßnahmen (EU-VO 833/2014) eine pauschale Zahlungsverweigerung tragen. Daraufhin nahm die Bank die Berufung zurück.

Die EU-VO 269/2014 friert Vermögenswerte gelisteter Personen ein; sie will gerade keine generelle Blockade „russischer“ Zahlungen. Liegt keine Listung vor (weder bei der unmittelbaren Gegenpartei noch bei wirtschaftlich Berechtigten), fehlt die Grundlage für eine automatische Sperre. Die EU-VO 833/2014 untersagt zwar vielfältige Geschäfte und „Finanzhilfen“ mit Bezug zu verbotenen Gütern, Sektoren oder Projekten. Doch alltägliche Zahlungen ohne konkreten Sanktionsbezug sind nach Systematik und Erwägungsgründen keine „Finanzhilfe“. Kurz: Nicht jede Überweisung ist ein Umgehungstatbestand.

Hinterlegung ist kein Risikopuffer

Konsequent fällt damit auch die Hinterlegung als „Risikopuffer“ weg. § 372 BGB setzt eine nicht auf Fahrlässigkeit beruhende Ungewissheit über die Person des Gläubigers oder die Erfüllbarkeit der Leistung voraus. Ein abstraktes Sanktionsrisiko – ohne Anhaltspunkt für Listung, Umgehung oder verbotenen Zweck – erfüllt diese Schwelle nicht. Wer aus Angst hinterlegt, verlagert lediglich das eigene Compliance-Problem in die Justiz und riskiert, sich schadensersatzpflichtig zu machen.

Praktische Konsequenzen für Banken und Unternehmen

Für die Praxis bedeutet das keine Entwarnung, sondern eine Präzisierung der Prüfpflichten. Institute müssen weiter sauber screenen: Listungen (inkl. Ownership/Control), Sektorverbote, Embargogüter, Dienstleistungen mit Exportbezug und sonstige Verbotszonen der VO 833/2014. Sie müssen Transaktionszweck, Beteiligte und Zahlungswege dokumentieren – und bei Verdachtsmomenten stoppen. Was sie nicht dürfen: reflexhaft alles aus Russland sperren oder vorsorglich hinterlegen, nur um das Thema aus dem Haus zu schieben. Unternehmen wiederum können Vertragserfüllung beanspruchen, wenn sie ihrerseits Transparenz liefern: klare Zwecknachweise, Beneficial-Owner-Angaben, Liefer- und Leistungsbezug außerhalb verbotener Bereiche.

Einordnung

Die Entscheidung entdramatisiert die Bankenpraxis seit 2022, ohne die Zähne des Sanktionsrechts zu ziehen. Die großen Risiken bleiben: Umgehung über Strohmänner, doppelte Verwendung von Gütern, verschleierte Dienstleistungen – hier greifen Einziehungs- und Strafverfahren weiterhin hart. Der Frankfurter Hinweis ist kein Freifahrtschein, sondern eine Erinnerung: Sanktionen sind zielgenau anzuwenden. Rechtsstaatliche Compliance heißt, konkret zu prüfen und begründet zu entscheiden – nicht, den Zahlungsverkehr pauschal zu beerdigen. Unternehmen werden nicht umhin kommen, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um eine korrekte Handhabung im Einzelfall sicherzustellen und nicht in (insbesondere strafrechtliche) Probleme zu laufen.

Mehr dazu:

Click to rate this post!
[Total: 0 Average: 0]