Das bayerische Katastrophenschutzgesetz

Wie katastrophal ist der Corona-Katastrophenfall in Bayern wirklich?
Wie katastrophal ist der Corona-Katastrophenfall in Bayern wirklich?
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat erneut den Katastrophenfall im Freistaat ausgerufen. Die aktuelle Katastrophe heißt, natürlich, Corona. Zuvor galt der Katastrophenfall schon im Frühjahr 2020 und in der ersten Jahreshälfte 2021.

Doch was bedeutet dieser Katastrophenfall nun? Teilweise wurde dieser schon mit dem Kriegsfall gleichgesetzt. Mit einer solchen, im Grundgesetz als „Verteidigungsfall“ bezeichneten Lage hat diese Katastrophe freilich nichts zu tun.

Der Katastrophenfall bedeutet lediglich, dass das Bayerische Katastrophenschutzgesetz (BayKSG) anwendbar ist. Aus diesem Grund ist es vielleicht ganz interessant, sich einmal anzuschauen, was dort drin steht.

Der Volltext des Katastrophenschutzgesetzes findet sich auf der Gesetzessammlung der Bayerischen Staatskanzlei.

Art. 1 Aufgabe

Im ersten Artikel findet sich einige grundlegende Festlegungen.

Zentrale Bestimmung ist die Definition einer Katastrophe: Ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden. Außerdem muss diese Katastrophe ein Zusammenwirken verschiedenster Behörden notwendig machen.

Art. 2 Zuständigkeiten

Katastrophenschutzbehörden sind das Innenministerium, die Landratsämter und die kreisfreien Städte. Die Staatsregierung kann die Zuständigkeiten ganz an sich ziehen.

Art. 3 Vorbereitende Maßnahmen der Katastrophenschutzbehörden

Die Behörden sollen sicherstellen, dass man auf Katastrophen vorbereitet ist, zum Beispiel durch Einsatzpläne, Fortbildung und Übungen.

Art. 3a Externe Notfallpläne

Gefährliche Betriebe (z.B. große Fabriken oder Kraftwerke) müssen eigene Notfallpläne aufstellen.

Art. 3b Externe Notfallpläne für Abfallentsorgungseinrichtungen

Auch Abfallentsorgungseinrichtungen brauchen einen Notfallplan.

Art. 4 Feststellung des Vorliegens einer Katastrophe

Der Eintritt einer Katastrophe wird durch die Katastrophenschutzbehörde festgestellt, ebenso das Ende der Katastrophensituation.

Art. 5 Einsatzleitung

Die Katastrophenschutzbehörde leitet dem Einsatz und ist dann anderen Behörden übergeordnet. Sie bestimmt also, wer was zu tun hat, um der Katastrophe Herr zu werden.

Art. 6 Örtliche Einsatzleitung

Für die konkreten Arbeiten vor Ort ernennt die Katastrophenschutzbehörde einen örtlichen Einsatzleiter.

Art. 7 Katastrophenhilfe

Hier wird zunächst die Katastrophenhilfe definiert: jede Mitwirkung im Katastrophenschutz auf Anforderung durch die Katastrophenschutzbehörde einschließlich der Vorbereitung.

Die Katastrophenhilfe wird durch Behörden und Hilfsdienste (Feuerwehr, Hilfsorganisationen etc.) geleistet.

Art. 8 Sonstige Mitwirkung im Katastrophenschutz

Krankenhäuser müssen sicherstellen, dass sie im Katastrophenfall ihre Kapazitäten erhöhen können.

Betreiber gefährlicher Anlagen müssen bei Planungen und Übungen mitwirken.

Art. 9 Inanspruchnahme Dritter

Dritte können dazu verpflichtet werden, die Katastrophenschutzbehörde durch Arbeitsleistung oder durch Gegenstände zu unterstützen. Dritter ist jeder, der nicht schon eine bestimmte Rolle im Katastrophenschutzgesetz hat, insbesondere Privatleute und Unternehmen.

Art. 10 Platzverweisung und Räumung

Das Betreten des Katastrophengebiets kann verboten werden und das Gebiet kann auch geräumt werden.

Dies ergibt freilich nur bei gewöhnlichen, örtlich begrenzten Katastrophen Sinn. Eine Räumung des gesamten Freistaats Bayern ist schwer vorstellbar und kaum sinnvoll.

Art. 11 Kostentragung

Die Katastrophenschutzbehörden tragen ihre Kosten selbst und auch die Kosten anderer Behörden.

Art. 12 Fonds zur Förderung des Katastrophenschutzes

Ein Katastrophenschutzfonds zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen wird durch Staat, Landkreise und kreisfreie Städte eingerichtet.

Selbstverständlich geht es auch um Kostenfragen für die Katastrophenhilfe.
Selbstverständlich geht es auch um Kostenfragen für die Katastrophenhilfe.

Art. 13 Aufwendungsersatz

Wer eine Katastrophe verursacht hat, muss den Katastrophenschutzbehörden ihre Kosten ersetzen.

Art. 14 Entschädigung

Wer zu Hilfsleistungen als Dritter (Art. 9) herangezogen wird oder durch Räumung (Art. 10) einen Schaden erleidet, hat einen Entschädigungsanspruch gegen die Katastrophenschutzbehörde. Wer freiwillig an der Katastrophenabwehr mitwirkt, kann ebenfalls entschädigt werden.

Art. 15 Örtliche Einsatzleitung bei Schadensereignissen unterhalb der Katastrophenschwelle

Wenn ein gefährliches Ereignis vorliegt, das noch keine Katastrophe darstellt, kann das Landratsamt bzw. die kreisfreie Stadt trotzdem einen örtlichen Einsatzleiter wie in Art. 6 bestellen.

Art. 16 Rechtsverhältnis

Die Rechte und Pflichten der Helfer richten sich im Übrigen nach den jeweiligen allgemeinen Gesetzen – bspw. bleiben Polizisten auch im Katastrophenfall Polizisten.

Art. 17 Freistellungs-, Entgeltfortzahlungs- und Erstattungsansprüche

Katastrophenhelfer sind nach den Maßgaben des Rettungsdienstgesetzes für den Einsatz freizustellen und behalten ihren Lohnanspruch. Der Arbeitgeber bekommt den gezahlten Lohn in der Regel erstattet.

Art. 18 Ordnungswidrigkeiten

Wer Anweisungen der Katastrophenschutzbehörden (Art. 9 oder 10) nicht nachkommt, kann mit bis zu 5000 Euro Geldbuße belegt werden.

Art. 19 Einschränkung von Grundrechten

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit, die Freizügigkeit und die Unverletzlichkeit der Wohnung können eingeschränkt werden.

Wichtig ist, dass diese Vorschrift keine eigene Einschränkung darstellt, sondern lediglich eine Feststellung ist, dass es irgendwo im Gesetz Vorschriften gibt, die (auch) Grundrechte beschränken können. Eine Behörde muss sich also auf eine bestimmte Befugnis im BayKSG stützen, insbesondere Art. 9 oder 10. Wenn die Anordnung nach diesen Vorschriften ein Grundrecht einschränkt, ist dies gemäß Art. 19 zulässig.

Art. 20 Inkrafttreten

Das Gesetz ist Anfang 1997 in Kraft getreten. Danach ist es freilich des öfteren geändert worden.

Fazit

Wie man sieht, geht es beim BayKSG keineswegs um einen apokalyptischen Zustand, dem mit äußersten staatlichen Maßnahmen begegnet werden kann.

Die typischen Corona-Maßnahmen der beiden letzten Jahre gehören zum Infektionsschutz, nicht zum Katastrophenschutz.
Die typischen Corona-Maßnahmen der beiden letzten Jahre gehören zum Infektionsschutz, nicht zum Katastrophenschutz.
Die Grundrechtseinschränkungen im Infektionsschutzgesetz, insbesondere die neuen Regelungen zur Corona-Situation, sind sehr viel einschneidender und spezifischer. Durch das BayKSG werden in erster Linie hierarchischere Verwaltungsstrukturen eingeführt und Zuständigkeiten beim Freistaat gebündelt. Die meisten Vorschriften betreffen das Verhältnis der Behörden untereinander und die Zusammenarbeit verschiedener Stellen und Organisationen. Aber politisch kann man argumentieren, die zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen zu haben.

Die Rechte der Bürger werden praktisch nur in Art. 9 und 10 eingeschränkt und beziehen sich auf Hilfeleistungen und Aufenthaltsverbote. Dass man Bürger bspw. zum Pflegedienst auf Corona-Stationen heranzieht, ist kaum vorstellbar und würde die Abläufe wohl eher stören als fördern. Aufenthaltsverbote für das Katastrophengebiet können bei Überflutungen oder Waldbränden durchaus Sinn ergeben, bei einer landes- und weltweit auftretenden Erkrankung wäre das dagegen kaum vorstellbar.

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