Im letzten Artikel (Schadenersatz für Waschmaschine, Auto und Tier) haben wir festgestellt, dass man auch Behandlungskosten für ein Tier verlangen kann, die – rein wirtschaftlich gedacht – unverhältnismäßig sind. Wo die Grenze der Verhältnismäßigkeit zu ziehen ist, kommt aber ganz entscheidend auf die Umstände des Falls an.
In einem konkreten Fall, den das Amtsgericht München nun zu entscheiden hatte (Az. 344 C 1200/13), musste ein Hund im Wert von ca. 175 Euro für 2200 Euro operiert werden. Das Amtsgericht war der Meinung, dass diese Kosten verhältnismäßig sind. Sie wurden also vollständig als Schaden angesetzt. Dieser Schaden wurde lediglich deswegen um ein Viertel gekürzt, weil den Hundehalter eine Mitschuld am Unfall traf.
Wenn das 12,5-Fache des Werts des Hundes immer noch angemessen ist, wird man im Endeffekt kaum eine Wertgrenze finden, ab der ein Missverhältnis vorliegt, das den Schadenersatzanspruch deckelt. Während sich die Erweiterung des Höchstschadenersatzes von 100 auf 130 % des Zeitwerts bei Autos noch in einem gewissen Rahmen hält, sind wir hier in ganz anderen Dimensionen. Und wenn man das 10-Fache des Tierwerts für verhältnismäßig hält, gibt es wenige Argumente, mit denen man das 25-Fache dann auf einmal als unangemessen einstufen könnte. Mehr noch, man wird auch nicht mehr zwischen einer Promenadenmischung aus dem Tierheim und einem hochgezüchteten Dalmatiner unterscheiden können. Denn der Bezug auf den Wert des Tiers wird ja gerade aufgegeben, wenn die Behandlungskosten in keinem Verhältnis mehr dazu stehen.
Der Grund dafür, dass der Schadenersatz nicht mehr wirtschaftlichen Interessen gehorchen muss, ist ganz klar die Zuneigung des Menschen zu seinem Haustier. Und allein deswegen ist es ihm nicht zuzumuten, dass er die Arztkosten selbst tragen muss, wenn er seinen Liebling nicht einschläfern lassen will. Wenn andere Gericht hier dem Amtsgericht München folgen, dann wird sich damit eine Rechtsprechung entwickeln, die praktisch jeden Eingriff, der unter Tierschutzgesichtspunkten sinnvoll ist, als angemessen beurteilt.
Das ist aus Sicht eines Tierhalters (und aus Sicht eines Tiers, natürlich) sehr begrüßenswert. Es zeigt, dass Gesetzgeber und Richter nicht nur kalte Rechner sind, sondern auch ein Herz für unsere Mitgeschöpfe haben. Aber es verabschiedet sich praktisch völlig von der Idee einer Rechtsanwendung nach objektiven Maßstäben.
Das ist nicht grundsätzlich verdammenswert. Aber die Hüter der Rechtsordnung sollten aufpassen, dass persönliche Befindlichkeiten nicht zum Fundament zivilrechtlicher Ansprüche werden. Ansonsten könnte es auch sein, dass sich andere wenig rationale Doktrinen wie der US-amerikanische punitive damage (Strafschadenersatz) hierzulande etablieren.