Seit Monaten besuchen einige Schüler am Freitag nicht den Unterricht, weil sie stattdessen – dem schwedischen Vorbild Greta folgend – für das Klima demonstrieren wollen. Der Direktor eines Münchner Gymnasiums hat nun eine Ahndung des „Schulschwänzens“ durch ein Bußgeld ins Spiel gebracht.
Bei der Diskussion darüber sind einige Fragen entstanden:
Kann Schulschwänzen überhaupt mit Bußgeld geahndet werden?
Ja, das ist möglich – jedenfalls im bayerischen Schulrecht, wobei andere Länder aber eine ganz ähnliche Rechtslage haben dürften.
Art. 119 Abs. 1 Nr. 4 des bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) lautet:
Mit Geldbuße kann belegt werden, wer als Schulpflichtige oder Schulpflichtiger am Unterricht oder an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen (Art. 56 Abs. 4) vorsätzlich nicht teilnimmt
Da die Höhe der Geldbuße nicht im Gesetz bestimmt ist, gilt der allgemeine Rahmen des Ordnungswidrigkeitengesetzes (§ 17 Abs. 1 OWiG):
Die Geldbuße beträgt mindestens fünf Euro und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens eintausend Euro.
Wie im Strafrecht ist eine Ahndung aber erst ab 14 Jahren möglich (§ 12 Abs. 1 Satz 1 OWiG).
Müssen die Schüler dann wirklich 1000 Euro zahlen?
Mit Sicherheit nicht, das ist das absolute Höchstmaß, soll also den schwersten denkbaren Fall abdecken. Der Rahmen beträgt eben 5 bis 1000 Euro und innerhalb dieses Rahmens müssen die erschwerenden und mildernden Umstände berücksichtigt und so die im Einzelfall angemessene Geldbuße festgesetzt werden.
In Bayern werden normalerweise nur wirklich erhebliche Fälle, also wochenlanges Fehlen, überhaupt mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren sanktioniert. Die Geldbuße liegt dann in der Regel zwischen 100 und 300 Euro. 1000 Euro wären also nur bei ganz beharrlichen Verstößen überhaupt denkbar.
Was passiert, wenn der Schüler die Geldbuße nicht zahlen kann?
Das Ordnungswidrigkeitengesetz gilt auch für Jugendliche und sieht als einzige Ahdungsmöglichkeit die Geldbuße vor. Die angepassten Sanktionen des Jugendstrafrechts im Jugendgerichtsgesetz kommen hier nicht vor.
Erst, wenn sich bei der Vollstreckung herausstellt, dass der Jugendliche oder Heranwachsende (also bis 21 Jahre) die Geldbuße nicht zahlen kann, gibt es Alternativen. § 98 Abs. 1 ermöglicht es dem Jugendrichter, stattdessen auf Arbeitsleistungen („Sozialstunden“), Schadenswiedergutmachung oder eine andere Leistung zu erkennen. Bei Nichtbefolgung droht dann Jugendarrest (Abs. 2).
Kann der Direktor selbst das Bußgeld verhängen?
Nein, zuständig dafür ist die Kreisverwaltungsbehörde, also die kreisfreie Stadt oder das Landratsamt. Die Schule wird nur regelmäßig eine Meldung über Verstöße gegen die Schulpflicht an diese Behörden erstatten. Außerdem muss die Schule angehört werden, wenn das Verfahren eingestellt wird (Art. 119 Abs. 2 Satz 1 BayEUG).
Legt man gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein, so entscheidet das örtliche Amtsgericht über die Rechtsmäßigkeit der Geldbuße.
Sind daneben auch schulische Sanktionen möglich?
Ja, der Verstoß gegen die Schulpflicht kann – auch bei unter 14 Jahre alten Schülern – mit schulischen Sanktionen geahndet werden.
In Betracht kommen dabei Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach dem BayEUG.
Müssen die Eltern auch zahlen?
Für das Bußgeld, das gegen die Schüler selbst verhängt wird, haften die Eltern natürlich nicht.
Allerdings können die Eltern auch selbst eine Ordnungswidrigkeit begehen (Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG), die ebenfalls mit Bußgeld bis zu 1000 Euro geahndet werden kann:
Mit Geldbuße kann belegt werden, wer entgegen Art. 76 Satz 2 nicht dafür sorgt, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen
Aber dürfen die Schüler nicht demonstrieren?
Das kommt darauf an. Grundsätzlich ist der Tatbestand der Bußgeldvorschrift in Art. 119 Abs. 1 Nr. 4 BayEUG ohne jeden Zweifel erfüllt. Die Nichtteilnahme am Unterricht könnte nur ausnahmsweise gerechtfertigt oder entschuldigt sein.
In einem Staat, der vor den Ferien Kontrollen an Flughäfen durchführt und bis zu den höchsten Gerichten gegen Homeschooling kämpft, müssten diese Gründe freilich sehr gut sein.
Das Streikrecht wird oft angeführt. Ein „Schülerstreik“ oder ein „Klimastreik“ im eigentlichen Sinne ist das nicht. Ein Streik richtet sich gegen den Arbeitgeber innerhalb eines Arbeitsverhältnisses – die Schüler sind aber keine Arbeitnehmer und die Schule ist nicht ihr Arbeitgeber. Eine Rechtfertigung darüber scheidet also aus.
Denkbar wäre, dass die Schüler ihr Versammlungsrecht (Art. 8 GG) wahrnehmen. Da stellt sich aber zunächst die Frage, ob die Ausübung von Grundrechten überhaupt die Schulpflicht außer Kraft setzen kann. Ich darf mich auch aus den Medien informieren (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) – trotzdem wird sich ein Schüler kaum mit den Worten „So, ich geh jetzt Zeitung lesen“ aus dem Unterricht verabschieden dürfen.
Dass die Schüler ihr Anliegen für besonders wichtig halten, dürfte auch nichts an der rechtlichen Bewertung ändern. Denn zum einen ist das Klima von den Demonstrationen nachweislich relativ unbeeindruckt, sodass ein Notstand der Weltrettung wegen kaum in Frage kommen dürfte. Dass man irgendwann irgendwelche politischen Entscheidungen beeinflussen könnte, die wiederum irgendwann irgendwelche Auswirkungen auf das Wetter haben könnten, reicht hierfür sicher nicht.
Andererseits ist es ein Grundpfeiler des Versammlungsrechts, dass dieses neutral ist. Jeder darf für alles demonstrieren. Wenn man nun Klimastreiks am Freitag zur Rechtfertigung von Schulversäumnissen heranzieht, müsste man auch zulassen, dass die lieben Kleinen am Montag für Tierversuche, am Dienstag gegen den Mindestlohn, am Mittwoch für nukleare Aufrüstung und am Donnerstag für die Todesstrafe demonstrieren. Da möchte ich mal sehen, wie viele Politiker das jugendliche Engagement dann noch loben.
Ich persönlich fände es schön, wenn meine Kinder an einem der letzten Tag vor den Ferien gemeinsam mit mir gegen hohe Flugpreise in den Ferien protestieren würden. Am besten im Flughafen. In der Schlange vor dem Check-In-Schalter.