Zu meiner Tätigkeit als Anwalt für Verfassungsbeschwerden gehört es, dass Akten durch die Gegend geschickt werden. Will sich ein Mandant nicht mit einem Urteil zufrieden geben, lege ich für ihn die Verfassungsbeschwerde ein und sende dem Bundesverfassungsgericht die Akten des vorherigen Verfahren zu, damit es sich selbst ein Bild davon machen kann, was in diesem Verfahren passiert ist und ob meine Verfassungsbeschwerde wirklich begründet ist.
Dafür fordere ich in der Regel die Akten beim zuvor tätigen Gericht an, die mir dann (selten) elektronisch oder (häufig) per Post zugeschickt werden. Das funktioniert alles recht gut, auch bei Gerichten, die irgendwo weit weg in anderen Bundesländern gelegen sind. Ich fordere per beA die Akteneinsicht an, nach ein paar Tagen kommen die Akten, mein Büro scannt sie, anschließend wird alles wieder verpackt und zurückgesandt. Wenn es gut läuft, hat das Gericht nach ca. einer Woche die Akten wieder, mehr als zwei Wochen dauert es normalerweise nie.
Drei Postwege voller Pannen
Bei einem Verfahren, das bei einem Berliner Amtsgericht und anschließend beim Landgericht verhandelt wurde, lief aber gar nichts normal. Und das lag, wie ich auch als überzeugter Bayer zugeben muss, nicht an Berlin.
Der Versand der Akten stand schon auf dem Hinweg unter keinem guten Stern. Das Paket aus Berlin an mich wurde wohl beim Transport in irgendeiner Weise beschädigt. Das passiert gelegentlich, dann stattet die Post es mit einem neuen Karton aus und stellt es ganz regulär zu. Es dauert halt etwas länger, hier verzögerte es sich schon um ca. eine Woche. Nun ja, kann man nicht ändern und ist auch nicht so tragisch. Hier gab es zum Glück keine Fristproblematik.
Deswegen habe ich mich aber noch einmal ganz besonders beeilt und für bevorzugtes Scannen gesorgt. Noch am Tag des Erhalts ging das Paket wieder auf den Rückweg.
Dieser Rückweg war aber nicht lang, denn meine ansonsten extrem zuverlässige Postfiliale hatte es unterfrankiert. Weil es für das gezahlte Porto ein paar Millimeter zu groß war, ging es an mich zurück. Auch das kann passieren. Also wieder zur Post, Differenzporto gezahlt und ab geht’s nach Berlin.
Was dann passierte, geht aber in den tragischen Bereich.
17.-20.12.2022: Von Gröbenzell nach Augsburg
Innerhalb der ersten drei Tage hat das Paket den Weg von meiner Kanzlei nach Augsburg zurückgelegt. Zugegeben, es ging erst am Samstagnachmittag in der Filiale ein, insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Sendung erst am Montag weitertransportiert wurde. Trotzdem braucht es dann noch einen weiteren Tag in das 50 km westlich gelegene Augsburg.
An der Stelle sei zu erwähnen, dass man für diesen Weg laut Google Maps ungefähr 9:45 Stunden zu Fuß braucht. Mit einem Paket unter dem Arm vielleicht etwas länger.
21./22.12.2022: Rüdersdorf
Rüdersdorf kannte ich bisher nicht, aber jetzt es sich bis ans Ende aller Zeiten in mein Gedächtnis gebrannt. Rüdersdorf ist eine kleine Gemeinde östlich von Berlin. Amtlich heißt sie „Rüdersdorf bei Berlin“, was als Zwischenziel auf dem Postweg nach Berlin schon mal sehr gut klingt. An Sehenwertem listet Wikipedia in Rüdersdorf unter anderem Kalkstein-Tagebau und eine Schwarzkiefer auf.
23.12.2022-02.01.2023: Hamburg
Von Rüdersdorf bei Berlin wurde das Paket dann zur naheliegenden nächsten Etappe weitergeleitet. Genau, nach Hamburg.
Was das Paket in Hamburg sollte, weiß ich nicht. Die Postmitarbeiter in Hamburg wussten es wahrscheinlich auch nicht, darum blieb es nun erst einmal eineinhalb Wochen in Hamburg liegen. Das Verb „liegen“ ist wohl etwas unfair, denn das Paket wurde in der Zeit immerhin viermal „für den Weitertransport vorbereitet“.
03.01.2023: Rüdersdorf
Wir sind wieder in Rüdersdorf. Alles Erzählenswerte zu Rüdersdorf steht oben.
03.01.2023: ???
Nach Rüdersdorf war das Paket in einem namenlosen Ort.
Wir wissen nicht, wo es sich befand, aber wir wissen, dass da irgendwas nicht gestimmt hat. Denn:
„Die Sendung wurde leider fehlgeleitet. Gegebenenfalls verzögert sich dadurch die Zustellung.“
Gegebenenfalls verzögert sich also die Zustellung. Gegebenenfalls. Also vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Mal schauen. Wir sind mittlerweile bei Tag 18 der Reise.
03./04.01.2023: Rüdersdorf
Ja, genau.
Immerhin: „Die Sendung wurde von DHL bearbeitet und wird für den Weitertransport in die Region des Empfängers vorbereitet.“
Jetzt kann es eigentlich nicht mehr lange dauern.
05.01.2023: Augsburg
Sie ahnen es, oder? Ich habe es auch geahnt.
07.01.2023, 12:07 Uhr: Gröbenzell
Endlich, ich habe mein Paket wieder!
Nun werde ich mit der Geschäftsstelle des Berliner Gerichts, mit der ich in den vergangenen zweieinhalb Woche schon öfter korrespondiert habe, erneut telephonieren und vielleicht einen Weg finden, das Paket in die Bundeshauptstadt zu transportieren.
Wer es mir nicht glaubt, kann sich hier gleich den Sendungsverlauf anschauen. Bitte von unten nach oben lesen. Wobei es im Grunde egal ist.