Ali B.: Kann der mögliche Mörder von Susanna im Irak verurteilt werden?

tealight-2692556_1920Zum Fall an sich muss man keine großen Worte mehr verlieren, er ist wohl jedem, einschließlich erster grausiger Details, bekannt: Ali B. tötet in Wiesbaden Susanna F. Darauf flieht er in sein Heimatland Irak und wird dort festgenommen. Das ist der bisherige Stand der Ermittlungen.

Strafverfolgungsantrag notwendig?

Nun stellt sich aber die Frage, wie es weitergehen soll. Ob er nach Deutschland ausgeliefert werden kann, ist fraglich. Einen Antrag auf Durchführung eines Strafverfahrens im Irak will die Staatsanwaltschaft aber nicht stellen, da ihm dort die Todesstrafe drohen würde. Braucht es so einen Antrag aber überhaupt?

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Ist das Jugendstrafrecht immer milder?

thief-1562699_1920Der bayerische Justizminister Winfried Bausback hat nach einem Bericht der Abendzeitung die Forderung aufgestellt, dass bei Tätern zwischen 18 und 21 Jahren in der Regel das Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden solle.

Bisher ist es so, dass das Gericht gemäß § 105 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) bei diesen „Heranwachsenden“ die persönliche Reife des Angeklagten abschätzen muss. Dementsprechend entscheidet es dann, ob hier eher Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht heranzuziehen ist. Relativ häufig, je nach Region und Deliktskategorie bis zu 90 %, wird dann das Jugendstrafrecht angewandt.

Ob das immer angemessen ist, wird schon seit Langem diskutiert. Hinter der Infragestellung dieser Praxis steht meist die Vorstellung, das Jugendstrafrecht sei milder als das Strafgesetzbuch (StGB) für Erwachsene. Heranwachsende würden also oft eine unverdiente Milde vor Gericht bekommen. Aber stimmt das auch?

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anwalt.de – Drogen und Hauptverhandlung

Auf anwalt.de habe ich zwei neue Rechtstipps veröffentlicht:

Viel Spaß beim Lesen!

§ 129 Abs. 3 StGB: Die Partei als (nicht-) kriminelle Vereinigung

Erlaubte Parteien sollen nicht mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden.
Erlaubte Parteien sollen nicht mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden.
§ 129 StGB beschäftigt sich mit sog. kriminellen Vereinigungen. Absatz 1 der Vorschrift erklärt die Gründung, die Mitgliedschaft, die Unterstützung und die Werbung bzgl. krimineller Vereinigungen für strafbar:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

Nun begegnet es in zahlreichen Facebook-Posts gewisser Verwunderung, welche kriminellen Vereinigungen die Vorschrift ausdrücklich ausnimmt. Denn Absatz 3 Nr. 1 besagt:

Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat.

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Die Top Ten für den April 2018

BGH, Urteil vom 18.02.2015, VIII ZR 127 / 14

https://verkehrsrecht-faq.de/2018/04/27/kann-man-auch-wegen-kleinerer-verkehrsverstoesse-den-fuehrerschein-verlieren/

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Wird Deutschland sicherer? Was uns die Kriminalitätsstatistik verrät

Der neue Innenminister Seehofer hat kürzlich verkündet, Deutschland sei nochmal sicherer geworden. Begründet hat er das mit den (vermeintlich) objektiven Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatitik. Daraufhin gab es vielerlei Stimmen, die das sogleich bezweifelt haben. Ein Anlass für dieses Blog, die Zahlen genauer anzuschauen.

Dabei muss man zunächst sagen, dass sich die Zahl aller Straftaten tatsächlich verringert hat. Im Jahr 1993, dem ersten Jahr der gesamtdeutschen Statistik, gab es noch ca. 6,75 Mio. Straftaten, mittlerweile sind 5,76 Mio., also ziemlich genau eine Million weniger.

Da hier wirklich alle Taten umfasst sind, ist das Bild ziemlich unscharf. Nehmen wir daher einige Kategorien gezielt heraus: Mord und Totschlag als schwerste Delikte; Raub sowie Vergewaltigung und sexuelle Nötigung als Gewaltverbrechen; vorsätzliche Körperverletzung bzw. Diebstahl als Massendelikte.

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Zwei Jahre auf Bewährung wegen Einbruchsdiebstahls

LG_MuenchenNach zehn Monaten Untersuchungshaft nun zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung – damit ist gestern der sechstägige Prozess gegen meinen Mandanten vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts München II zu Ende gegangen. Er hatte vier gleichaltrigen Freunden dabei geholfen, drei Einbrüche in Schulen im Großraum München zu begehen und einige der erbeuteten Tablets zu verkaufen.

Meines Erachtens ein wirklich gerechtes Urteil, das weder die Taten verharmlost noch jungen Menschen den Weg in ein geregeltes Leben verbaut. „Wir sind davon überzeugt, dass Sie Ihre Lektion gelernt haben, weil Sie mich kennen lernen durften“, hat die Vorsitzende die Entscheidung begründet. Da kann man ihr nur zustimmen.

Für mich geht nach 15 Monaten ein Mandat zu Ende, das nicht nur juristisch gefordert hat, sondern auch menschlich anstrengend war. Es geht nicht ganz spurlos an einem vorbei, wenn man einen 19-Jährigen, den man immer nur als freundlich, zurückhaltend und anständig kennengelernt hat, davor bewahren muss, wieder ins Gefängnis zu gehen.

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Der Fluch des Umfangsverfahrens

graphics-882726_640Die nächsten sechs Werktage bin ich praktisch komplett abgemeldet. Ab heute bis zum Mittwoch der nächsten Woche werde ich vor der ersten Jugendkammer des Landgerichts München II meinen Mandanten verteidigen. Außer diesen Verhandlungstagen ist noch ein siebter Termin etwas später anberaumt – ob es diesen braucht oder ob es sogar noch mehr werden, wird sich im Laufe der Hauptverhandlung zeigen. Sicherheitshalber habe ich mir den Mai weitestgehend freigehalten.

Wir haben sechs Angeklagte, ca. 15 angeklagte Taten, mindestens 30 Zeugen und um die zehn Verteidiger. Solche Prozesse nennt man deswegen gemeinhin „Umfangsverfahren“.

Die Verhandlungen beginnen jeden Tag um 9:15 Uhr, Zeugen sind meist in engem Takt bis 15:30 Uhr geladen. Das bedeutet im Ergebnis „open end“, da es immer vorkommt, dass ein Zeuge etwas mehr zu sagen hat oder ausführlicher befragt wird als ursprünglich gedacht.

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Die Wahrheit vor Gericht – Teil II

Teil I dieses Beitrags finden Sie hier.

Es gibt aber auch Fälle, in denen Menschen die Wahrheit wohl kennen, sie aber nicht akzeptieren wollen, in denen sie eine eigene Wahrheit aufbauen, mit der sie besser leben können.

Ein Mandant (Hinweis auf Detailverfremdungen wie oben) befindet sich seit Jahren in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten mit vielerlei Personen. Ein Schlüsselerlebnis für ihn war, dass ihn sein früherer Geschäftspartner wohl betrogen hat. Es gibt durchaus starke Indizien, dass dies tatsächlich so war, der schlussendliche Beweis konnte aber nie erbracht werden.

Nun wurde dieser Mandant wegen einer Straftat verurteilt, die in keiner Weise mit seinem Geschäftspartner zusammenhing. Da in seiner Anschauung aber alles mit allem zusammenhängt, macht das für ihn keinen Unterschied. Dieses Urteil sei aber, wie er ganz freudig betont, eigentlich ein Sieg für ihn. Die Geldstrafe sei für ihn nicht so schlimm, die Urteilsgründe sind das Entscheidende. Denn dort stünde ja, dass er damals betrofen worden sei – endlich, nach so vielen Jahren hat die Justiz ihm doch noch Recht gegeben!

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Die Wahrheit vor Gericht – Teil I

Bevor ein Gericht das Recht auf einen Sachverhalt anwenden kann, muss es erst einmal feststellen, von welchem Sachverhalt es ausgehen muss, was also tatsächlich passiert ist. Dies geschieht in der Regel im gerichtlichen Verfahren, das man insoweit auch als Erkenntnisverfahren bezeichnet.

Um den Sachverhalt nicht völlig aus dem luftleeren Raum schöpfen zu müssen, verlässt sich das Gericht auf Beweismittel. Diese Beweismittel sind in den meisten Prozessordnungen genau aufgezählt:

  • Sachverständige
  • Augenschein
  • Parteivernehmung/Einlassung des Angeklagten
  • Urkunden
  • Zeugen

Recht viel mehr an Erkenntnisquellen gibt es auch einfach nicht.

Ziel des Erkenntnisverfahrens ist es also, die Wahrheit herauszufinden. Das sagt z.B. § 244 Abs. 2 StPO und einige andere Vorschriften nehmen darauf Bezug, was der Richter zur „Erforschung der Wahrheit“ alles tun darf oder muss. In der Zivilprozessordnung findet man dieses Verhandlungsziel nirgends so deutlich niedergeschrieben, aber auch hier sind bspw. die Parteien (§ 138 Abs. 1 ZPO) und die Zeugen (§ 395 Abs. 1) an die Wahrheit gebunden.

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