In Italien sind mehrere Forscher wegen fahrlässiger Tötung zu teils erheblichen Haftstrafen verurteilt worden. Die heftige Empörung darüber folgte schnell, sowohl südlich als auch nördlich der Alpen. Man könne Wissenschaftler doch nicht dafür verurteilen, dass sie keine Hellseher sind. Das sei sogar empörend und gefährlich.
Sieht man sich das Urteil näher an, so kommt man jedoch zu dem Schluss, dass genau diese Unwägbarkeit bei der Vorhersage von Naturkatastrophen, die man zur Verteidigung der verurteilten Forscher anführt, das ist, was sie in Wirklichkeit belastet.
Zur Vorgeschichte: Im März 2009 ereigneten sich immer wieder kleinere Erdstöße in der Abruzzen-Region. Die verunsicherten Bewohner wandten sich an den Staat und dieser an Experten für Seismographie. Diese kamen zu dem Schluss, dass die Erdbewegungen normal seien und kein Grund für Panik. Mehr noch, die Menschen sollten lieber ein Glas Rotwein trinken, zur Ruhe kommen und sich auf’s Ohr legen. Die Bewohner des Ortes L’Aquila hörten darauf, stellten ihre Fluchtinstinkte zurück und 309 von ihnen starben.
Und genau das wurde den Forschern nun zum Verhängnis. Hätten sie einfach gesagt „Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen und aufgrund der derzeit anerkannten wissenschaftlichen Standards sehen wir kein erhöhtes Erdbebenrisiko“, wären sie sicher nicht verurteilt worden. Aber sie haben – wenn die Medienberichte dazu korrekt sind – das Gegenteil getan. Sie haben eine Sicherheit vorgegaukelt, die die Technik nicht hergibt, und den Menschen dazu geraten, lieber in ihren Häusern zu bleiben.
Diesen Vorwurf kann man ihnen machen und deswegen wurden sie verurteilt.