Fall Peggy: Schuldspruch gegen Freispruch

Im Fall Peggy wurde Ulvi K. zunächst vom einen Gericht als Mörder verurteilt, dann vom anderen freigesprochen. Wie kann es nun sein, dass derselbe Sachverhalt derart gegensätzlich bewertet wird? Wenn die Entscheidungen so unterschiedlich ausfallen, ist es dann nicht von Vornherein ein Glücksspiel, welchen Richter man bekommt?

Zunächst muss man sehr ernüchternd feststellen: Ja, es ist ein Glücksspiel. Es gibt eine relativ weite Bandbreite, ein rechtlich nicht zu beanstandendes Urteil in einer bestimmten Sache zu sprechen. Es ist letztlich immer eine menschliche Entscheidung, ob man dem einen Zeugen mehr glaubt als dem anderen und wie schnell man sich von der Wahrheit überzeugen lässt. Es gibt umfangreiche Rechtsprechung dazu, welchen Grad an Gewissheit von der Schuld des Angeklagten man erreicht haben muss, um zu einer Verurteilung zu kommen. Die konkrete Übertragung auf den Einzelfall, auf den einen Angeklagten, der vor einem Richter sitzt, kann aber ein allgemeines Gesetz nie leisten.

Nun ist es bei Kapitalverbrechen so, dass das Schwurgericht urteilt und dieses mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (Schöffen) besetzt ist. Diese brauchen für jede dem Angeklagten nachteilige Entscheidung eine Zwei-Drittel-Mehrheit (§ 263 Abs. 1 StPO). Von den fünf gleichberechtigten Mitgliedern des Gerichts müssen also vier (zwei Drittel von fünf sind rechnerisch 3,33 – diese Mindestgrenze erreichen also erst vier Stimmen) den Angeklagten für ohne Zweifel schuldig halten. Dieses Quorum soll sicherstellen, dass eine klare Verurteilung erfolgt und keine mit lediglich knapper Mehrheit.

Und trotzdem kann es passieren, dass einmal die fünf Richter zu einem unumstößlichen Freispruch und einmal zu einer zweifelsfreien Verurteilung kommen. Nur einer dieser Urteile kann freilich in dem Sinne richtig sein, dass es der Realität von Schuld oder Unschuld entspricht. Aber beide können (und werden) aus der Sicht des jeweiligen Gerichts absolut korrekt gewesen sein. Im Übrigen lagen hier immerhin zehn Jahre zwischen beiden Urteilen – und in dieser Zeit hat sich die Beweislage zweifellos nachhaltig verändert.

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