Der Entwurf des Juristinnenbunds zum Sexualstrafrecht

Das deutsche Sexualstrafrecht blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Allein die ursprüngliche Überschrift des 13. StGB-Abschnitts „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ zeigt eine völlig andere Schwerpunktsetzung als die heutige Schutzrichtung der „sexuellen Selbstbestimmung“. Hinzu kommt, vor allem in den letzten Jahren, der Versuch, möglichst jede Handlung zu kriminalisiere, die in irgendeiner Form als „Missbrauch“ empfunden wird. Das Ergebnis dieser permanenten gesetzgeberischen Arbeit zur Umgestaltung und Erweiterung hat ein riesiges, unsystematisches Geflecht von Forderungen hervorgebracht.

Nun sind durch internationale Abkommen, namentlich durch die Lanzarote-Konvention, die Istanbul-Konvention und die EU-Richtlinie 2011/93, möglicherweise eine Reihe neuer Straftatbestände und Präzisierungen notwendig. Der Referententwurf des Bundesjustizministeriums sieht ein „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ vor. Dadurch werden also die Paragraphen noch einmal erweitert und das Sammelsurium vergrößert.

In die Diskussion wurde auch ein Entwurf aus den Reihen des Deutschen Juristinnenbunds veröffentlicht. Wohltuend an diesem ist schon einmal, ganz oberflächlich gesehen, seine Prägnanz: Aus den §§ 174 bis 180 und 182 bis 183 a StGB werden ganze vier Paragraphen, die mit gerade einmal der Hälfte der Wörter auskommen. Diese Prägnanz ist aber nicht Selbstzweck, sie ist das Ergebnis einer rechtstechnisch sehr viel saubereren und übersichtlicheren Bearbeitung der Materie.

Insgesamt gibt es nur noch einen einzigen Grundtatbestand. Man kann sich ausmalen, wie viele sinnlose Wiederholungen und Querverweise das allein in Kommentaren sparen wird. § 174 Abs. 1 des Entwurfs sieht nur noch die Vornahme sexueller Handlungen ohne Einverständnis des anderen Beteiligten vor. Daraus ergeben sich Probleme, die wir in einem der folgenden Beiträge diskutieren wollen, aber das soll für die Neukodifikation der bestehenden Vorschriften erst einmal dahinstehen.

Der „große Wurf“ in diesem Vorhaben liegt vor allem in § 175: Hier wird, in vier thematische Blöcke (Abs. 2 bis 5) geteilt, aufgezählt, wann ein Einverständnis unwirksam ist. Hier finden sich praktisch alle bekannten Regelungen zum Schutz bestimmter Personengruppen, seien es nun Kinder unter 14, Schüler und Auszubildende, Behinderte oder auch Strafgefangene. Aus einer ausufernden Zahl von Missbrauchstatbeständen wurden nun sehr schematische Unwirksamkeitstatbestände für Einwilligungen in einen einzigen Missbrauchstatbestand.

Der angedachte § 176 behandelt Fälle ohne Körperkontakt, § 177 schwere Fälle. Zu diesen schweren Fällen zählen Taten, die bisher als Sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung geahndet werden. Zudem werden der Einsatz von Waffen und Gesundheitsschädigungen bis hin zum Tod erfasst.

Dieser Entwurf ist auf jeden Fall eine äußerst brauchbare Diskussionsgrundlage. Auf dieser Basis kann man eine sachgerechte Diskussion über einzelne Tatbestände führen – was die bisherige Gesetzesfassung aufgrund ihrer Komplexität nicht erlaubt.

Demnächst werden wir einige Verbesserungen aus unserer Sicht in einzelnen Details veröffentlichen.

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