Während in den USA um die 250 Millionen Wahlberechtigte mitbestimmen konnten, wer Präsident wird, geht man hierzulande kein Risiko ein und lässt bekanntlich einen kleinen Zirkel von Parteivorsitzenden den neuen Hausherrn in Schloss Bellevue aussuchen, deren Wunschkandidat dann von der Bundesversammlung in feierlichem Zeremoniell als Bundespräsident abgesegnet wird.
Nachdem die Entscheidung für Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verkündet wurde, gab es gleich eine gewisse Skepsis, die vor allem auf Facebook verbreitet wurde: Darf der Außenminister als Regierungsmitglied Bundespräsident werden?
Die Basis dafür liegt in Art. 55 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die Vorschrift besagt:
Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.
Der Bundesaußenminister gehört aber unzweifelhaft der Regierung des Bundes an, ist also scheinbar nicht wählbar.
Art. 55 GG gilt erst ab Amtsantritt
Das übersieht aber, dass er derzeit noch gar nicht Bundespräsident ist. Art. 55 GG ist erst dann anwendbar, wenn er sein Amt angetreten hat. Ab diesem Moment darf er nicht mehr Außenminister sein, da diese Ämter eben inkompatibel sind. Darüber, wer als Bundespräsident vorgeschlagen werden darf, sagt das Grundgesetz nichts. Die Vereinbarung von ein paar Parteifunktionären hat auch keinerlei verfassungsrechtliche (wohl aber politische) Bedeutung. Man kann sich sicher sein, dass Herr Steinmeier vor der Wahl bereits sein Amt niedergelegt haben wird, sodass das Problem nicht mehr besteht.
Art. 55 GG sagt auch nichts darüber, dass der Bundespräsident vorher keines dieser Ämter ausgeübt haben darf. Ansonsten wäre es auch ziemlich schwierig, überhaupt jemanden zu finden, der wählbar ist. Denn Abs. 2 verbietet ihm dann auch noch, ein anderes Amt, ein Gewerbe, einen Beruf sowie einen Vorstands- oder Aufsichtsratsposten in einem Unternehmen auszuüben.
Unterzeichnet Steinmeier dann seine eigenen Gesetze?
Nun wird dagegen mit gewissem Recht eingewandt, dass er als Außenminister gemäß Art. 76 Abs. 1 GG durchaus für Gesetzesvorlagen der Bundesregierung verantwortlich sein kann, die er dann (nachdem sie den zeitraubenden Prozess durch die Gesetzgebungsorgane gegangen sind) selbst als neugewählter Bundespräsident gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG unterzeichnet. Das ist zugegebenermaßen ein gewisser Konflikt.
Allerdings sind weder der Gesetzesvorschlag aus dem Außenministerium noch die Unterschrift des Bundespräsidenten die entscheidenden Schritte im Gesetzgebungsverfahren. Ob der Bundespräsident überhaupt eine materielle Prüfungskompetenz hat, ist immer noch umstritten – und wenn ja, dann bezieht sie sich ohnehin nur auf besonders eklatante Verfassungsverstöße.
Keine Karenzzeit im Grundgesetz
Zu diesem möglichen Konflikt schweigt das Grundgesetz aber. Für diesen Fall gibt es eben keine Sonderregelung, die eine gewisse Karenzzeit vorsieht, nach der ein Bundesminister bspw. erst zwei Jahre nach Amtsaufgabe Bundespräsident werden darf. Ob man so etwas für sinnvoll hielte, ist dann nicht relevant.
Die Art und Weise, wie der deutsche Bundespräsident vorgeschlagen und gewählt wird, wird angesichts des diesjährigen Prozederes wieder einmal heftig diskutiert werden. Wie üblich wird die Frage nach einer Volkswahl aufgeworfen werden. Wie üblich wird darüber gestritten werden, ob der Kandidat der Regierung wirklich der Richtige ist. Das kann man sehen, wie man will. Rechtlich spricht aber nichts gegen Frank-Walter Steinmeier.