Unterschrift oder Paraphe? Fragen zur Schriftform

business-962355Formfehler sind unnötig und ärgerlich. Vor allem dann, wenn bspw. ein ganzes Gerichtsverfahren wegen einer vergessenen Unterschrift verloren geht. Aber Unterschrift ist nicht gleich Unterschrift: Sogenannte Paraphen erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen, die an eine Unterschrift gestellt werden.

Hier erklären wir, was es damit auf sich hat und worauf man aufpassen muss, um nicht in eine Formfalle hineinzulaufen.

Welche Schreiben müssen unterschrieben werden?

Grundsätzlich bedürfen Schreiben im normalen Rechtsverkehr keiner besonderen Form. Auch nicht unterschriebene Dokumente, E-Mails und sogar mündliche Aussagen sind gültige Willenserklärungen. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz ausdrücklich bestimmte Formerfordernisse aufstellt (z.B. bei Verbraucherdarlehensverträgen, befristeten Mietverträgen, Grundstückskaufverträgen, Schenkungsversprechen, Bürgschaften, Kündigungen von Miet- und Arbeitsverträgen).

Im Zivilprozessrecht „sollen“ Schriftsätze an das Gericht unterschrieben sein (§ 130 Nr. 6 ZPO), was jedoch bei besonders wichtigen, sog. „bestimmenden“ Schriftsätzen so interpretiert wird, dass sie unterschrieben werden müssen.

Gilt dies auch für behördliche Schreiben?

Nein. Insbesondere Verwaltungsakte können gemäß § 37 der Bundes- und Landes-VwVfG in praktisch jeder denkbaren Form erlassen werden. Insbesondere kann an Stelle der Unterschrift eine bloße maschinenschriftliche Namenswiedergabe erfolgen, die bei automatisierten Serienbriefen auch ganz fehlen darf.

Was ist eine Unterschrift?

michael-jackson-1194286_640Gemäß § 126 BGB ist eine eigenhändige Namensunterschrift des Unterzeichners notwendig. Im Prozessrecht ist diese Definition aus dem materiellen Recht zwar nicht direkt anwendbar, allerdings werden hier die gleichen Anforderungen an eine Unterschrift gestellt.

Eine Unterschrift muss demnach folgende Merkmale aufweisen:

  • ein individueller, die Identität des Unterschreibenden kennzeichnender Schriftzug
  • charakteristische Schriftmerkmale, die die Nachahmung erschweren
  • Absicht des Unterzeichners, seinen Namen darzustellen, zumindest den vollen Nachnamen
  • Lesbarkeit ist dagegen nicht notwendig
  • ein starker Abschleifungsprozess, aufgrund dessen Buchstaben nur noch als einfache Linien erscheinen, ist unschädlich

Was ist eine Paraphe?

Eine Paraphe ist demgegenüber nur ein bloßes Handzeichen, das nicht den vollen Namen wiedergeben soll. Solche Handzeichen sind in Unternehmen durchaus üblich: Jedem Mitarbeiter wird eine feste Buchstabenkombination zugewiesen, mit der er seinen Namen abkürzen kann, z.B. „Schn“ für Schneider, „Mr“ für Meier oder „MM“ für Max Muster. Im Rechtsverkehr nach außen gilt dies allerdings nicht.

Paraphen haben nicht die Abschluss- und Beweisfunktion einer Unterschrift. Sie kennzeichnen häufig nur, dass man ein Schreiben gesehen hat oder mit einem Entwurf einverstanden ist. Daher wird ihnen nicht die Rechtswirkung einer Unterschrift beigemessen.

Wie erfolgt die Abgrenzung in Zweifelsfällen?

Die Abgrenzung erfolgt letztlich durch die Gerichte. Bei privatschriftlichen Dokumenten wird häufig darum gestritten werden, ob diesen nun bindend sind oder nicht. Bei Schriftsätzen in einem laufenden Verfahren (worum sich die meisten Urteile drehen) ist das Gericht als Adressat unmittelbar zur Entscheidung berufen.

Wie das Gericht entscheiden wird, ist ganz schwer allgemein abzuschätzen. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Auf urteilsbesprechungen.de finden Sie eine Übersicht über Gerichtsurteile zur Unterscheidung von Unterschrift und Paraphe. Bitte beachten Sie aber, dass diese Entscheidungen äußerst spezifisch nur den behandelten Fall betreffen und sich eine Verallgemeinerung normalerweise verbietet.

Ist eine Paraphe niemals eine taugliche Unterschrift?

In der Regel ist eine Paraphe keine Namensunterschrift und führt dazu, dass das Schreiben die Schriftform nicht erfüllt. Auch der Vortrag, der Unterzeichnende habe tatsächlich mit seinem vollen Namen unterschreiben wollen und sei davon ausgegangen, dass das Gericht bzw. der Vertragspartner dies auch so verstehen würde, hilft nicht weiter.

Etwas anders hat aber das Verwaltungsgericht Trier (Az. 1 K 365/09.TR) einmal entschieden: Wenn der Rechtsbindungswille aus den Gesamtumständen trotzdem erkennbar sein, genüge auch eine Paraphe dem Unterschriftserfordernis. Im vorliegenden Fall wurde dies daraus geschlossen, dass eine Klage am letzten Tag der Klagefrist eingereicht wurde. Dementsprechend können man nicht annehmen, dass die Schrift an das Gericht lediglich ein Entwurf sei.

Auf dieses eine Urteil sollte man aber lieber nicht vertrauen.

paragraph-1005411_640Bringt es mir überhaupt etwas, auf einem Formfehler herumzureiten?

Das kommt darauf an.

Wenn es sich um einen Rechtsakt handelt, der jederzeit nachholbar ist, gewinnt man allenfalls etwas Zeit. So kann bspw. das Finanzamt, wenn es tatsächlich mal einen formungültigen Steuerbescheid erlassen sollte, diesen in aller Regel problemlos formell ordnungsgemäß mit gleichem Inhalt neu ausstellen.

Anders ist es dagegen bei fristgebundenen Handlungen. So muss z.B. eine fristlose Kündigung im Arbeitsrecht schriftlich (§ 623 BGB) und innerhalb von zwei Wochen (§ 626 Abs. 2 Satz 1 BGB) erfolgen. Beispiel:

  • 02.11.: Arbeitgeber erfährt von schwerem Fehlverhalten des Arbeitnehmers
  • 06.11.: Arbeitgeber kündigt fristlos per E-Mail
  • 21.11.: Arbeitgeber kündigt noch einmal fristlos mit unterschriebenem Brief

In diesem Fall hat der Arbeitnehmer Glück gehabt. Zwar war die Kündigung vom 06.11. fristgerecht, sie war aber nicht formgerecht. Die vom 21.11. war form-, aber nicht fristgerecht. Dass eine fristgerechte und eine andere formgerechte Kündigung vorlagen, nützt dem Arbeitgeber nichts. Zwei „halbrichtige“ Kündigungen ergeben keine ganz richtige. Das Gericht wird sich fragen, ob innerhalb der Frist eine formgerechte Kündigung vorlag, denn nur dann entspricht diese den gesetzlichen Anforderungen – und das ist hier zweifellos nicht der Fall. Hätte er dagegen die formrichtige Kündigung bspw. am 13.11. nachgeschoben, wäre dies völlig unbedenklich gewesen.

Kann ich mich darauf verlassen, dass eine bestimmte Unterschrift nur eine Paraphe ist?

Nein, auf keinen Fall. Die Entscheidungen der Gerichte dazu sind absolut einzelfallabhängig, daher ist es schwer bis unmöglich, vorauszusagen, wie ein Gerichte diese eine Unterschrift bewerten wird. Darum sollten Sie Ihren Standpunkt immer auch noch in anderer Weise begründen.

Wie soll ich denn jetzt unterschreiben?

Die Frage ist schwer zu klären. Zunächst einmal muss man festhalten, dass mindestens 99,9 % aller Unterschriften völlig unbeanstandet akzeptiert werden. Dazu gibt es aber keine Urteile, weil sich die Frage eben nicht einmal gestellt hat.

abraham_lincoln_1862_signature-svgMan braucht also keine übertriebene Angst davor zu haben, dass man auf einmal lauter rechtlich ungültige Schreiben produziert. Dementsprechend ist es auch nicht notwendig, sich wieder eine makellose Schönschrift aus längst vergangenen Zeiten anzugewöhnen. Wobei man natürlich sagen muss: Wer das tut und sich eine „malerische“ Unterschrift wie Abraham Lincoln zulegt, ist schon auf der sicheren Seite.

Eine alltagstaugliche Unterschrift sollte jedenfalls so ausgeführt werden, dass der erste und der letzte Buchstabe lesbar sind. Die Lesbarkeit ist zwar, wie gesagt, keine notwendige Voraussetzung. Aber damit kann man dokumentieren, dass man den kompletten Namen schreiben wollte, weil eben sogar der letzte Buchstabe noch zu lesen ist.

Weil aber auch Paraphen aus dem ersten und dem letzten Buchstaben bestehen können, sollten die mittleren Buchstaben zumindest durch eine Wellenlinie repräsentiert werden. Bei Buchstaben mit Ober- und Unterlängen sollten diese schon in irgendeiner Form als Haken oder Schleifen Niederschlag finden. Eine Frau Schröpfler sollte also darauf achten, dass die ö-Punkte sichtbar sind, das p nach unten geht, das f nach oben (und je Schreibgewohnheit ggf. auch nach unten) und das l wieder nach oben. Werden all diese Buchstaben nur durch einen Querstrich dargestellt, handelt es sich höchstwahrscheinlich immer noch um eine Unterschrift, aber ein gewisser Unsicherheitsfaktor besteht trotzdem.

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