Dass der Sänger Daniel Küblböck von Bord eines AIDA-Schiffes gesprungen oder jedenfalls gefallen ist, hat einige Tage lang die Nachrichten beherrscht. Die genauen Geschehnisse werden wohl nie ganz aufgeklärt werden.
Rein rechtlich muss man damit jedoch ganz nüchtern umgehen und die Frage, die sich nun stellt, ist: Lebt Daniel Küblböck noch oder ist er tot?
Tatsächlich beweisen kann man derzeit weder das eine noch das andere. Von Schrödingers Katze abgesehen gilt aber immer eines: Entweder man ist tot oder man lebt. Dazwischen gibt es nichts.
Solange aber nicht beweisbar ist, welche von beiden Möglichkeiten nun wirklich gegeben ist, muss sich das Recht mit Vermutungen behelfen. Die Vermutungsregeln hierfür stehen im sogenannten Verschollenheitsgesetz.
Das aktuelle Verschollenheitsgesetz stammt aus dem Jahr 1939, hatte aber verschiedene Vorgänger mit ganz ähnlichem Inhalt.
Die Grundregel steht in § 1 Abs. 1 VerschG:
Verschollen ist, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden.
Es muss also Zweifel daran geben, dass jemand noch lebt, weil man schon länger nichts mehr von ihm gehört hat. Diese Grundregel wird dann in den §§ 3 bis 7 VerschG näher ausgeführt.
Zunächst einmal kann von einem Versterben ausgegangen werden, wenn zehn Jahre lang keine Nachrichten über eine Person vorliegen (§ 3 Abs. 1). Bei Personen über 80 Jahren verkürzt sich die Frist auf fünf Jahre – daran sieht man, dass das Gesetz aus einer Zeit stammt, in der die wenigsten Menschen überhaupt so alt geworden sind.
Befand sich jemand in besonders gefährlichen Situationen und ist er seitdem vermisst, gelten folgende verkürzte Fristen:
- im Krieg oder bei militärischen Operationen ein Jahr (§ 4)
- bei einem Schiffsuntergang oder einem anderen Schiffsunfall sechs Monate (§ 5) – hier relevant
- bei einem Flugzeugabsturz drei Monate (§ 6)
- bei sonstiger Lebensgefahr ein Jahr (§ 7)
Als Todeszeitpunkt gilt dann der Zeitpunkt, der nach den Ermittlungen der wahrscheinlichste ist (§ 9 Abs. 2), bei Unsicherheiten darüber nimmt man den Zeitpunkt des Schiffsuntergangs, des Flugzeugsabsturzes oder der sonstigen Gefahr (§ 9 Abs. 3).
Wichtig ist auch, dass diese Todeserklärung nicht automatisch geschieht, sondern über das sogenannte Aufgebotsverfahren. Nach einem Antrag an das Amtsgericht (§ 14), den in erster Linie der Staat sowie Angehörige stellen können (§ 16 Abs. 2), wird das Verfahren eingeleitet. In dessen Rahmen fordert das Gericht den Verschollenen auf, sich zu melden; zugleich kann aber auch jede andere Person, die etwas darüber weiß, dies dem Gericht mitteilen (§ 19).
Natürlich kann es auch passieren, dass sich später herausstellt, dass die Todeserklärung falsch war. In diesem Fall kann der Überlebende gemäß § 30 Abs. 1 VerschG die Aufhebung beantragen. Er „kann“ – also kann er sich auch dafür entscheiden, lieber tot zu bleiben. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn der Staat kann (und wird) dies ebenfalls beantragen.
Wird dieses ganze Verfahren mit seinen langen Fristen und bürokratischen Hürden im Fall Küblböck auch notwendig sein?
Das ist durchaus denkbar. Ich glaube es aber nicht. Denn es gibt noch § 1 Abs. 2 des Verschollenheitsgesetzes:
Verschollen ist nicht, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist.
Davon wird man hier wohl ausgehen müssen. Denn wer in den eiskalten Nordatlantik springt und nach mehreren Tagen immer noch nicht gefunden wurde, der wird aller Voraussicht nach nicht mehr am Leben sein. Ein Vorgehen nach dem Verschollenheitsgesetz würde aber ein etwas höheres Maß an Rechtssicherheit mit sich bringen.