Untertitel: Wie Frau Kramp-Karrenbauer Bundeskanzlerin werden kann
Seit dem CDU-Parteitag vom Wochenende hat die größte sozialdemokratische Partei in Deutschland eine neue Vorsitzende. Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem seit einiger Zeit zur Bundesrepublik gehörenden Saarland konnte eine Mehrheit der Delegierten für sich gewinnen, die – ohne auf persönliche Vorteile oder auf die Kompetenz der Kandidaten zu schielen – frei nach ihrem Gewissen abgestimmt haben.
Es gilt als ausgemachte Sache, dass Frau Kramp-Karrenbauer auch die Nachfolge von Angela Merkel als Bundeskanzlerin antreten wird. Ein solcher Weg verläuft jedoch verfassungsrechtlich keineswegs automatisch. Dieser Artikel soll kurz skizzieren, wie ein solcher friedlicher Machtwechsel nach den Vorschriften des Grundgesetzes ablaufen könnte. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich, egal wie man politisch zu ihr stehen mag: Merkel muss weg.
Reguläre Bundestagswahlen und anschließende Kanzlerwahl
Der naheliegendste oder wohl bislang auch präferierte Weg ist es, dass Angela Merkel vorerst Bundeskanzlerin und die CDU in die 2021 stattfindenden Bundestagswahlen mit Frau Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin geht.
Rechtlich gibt es allerdings keinen Kanzlerkandidaten. Es hat sich politisch nur durchgesetzt, dass die Parteien alle eine Person benennen, die sie – wenn das Wahlergebnis für sie positiv ausfällt und sie eine tragfähige Koalition zustande bringen – zum Kanzler wählen wollen. Denn gewählt wird der Kanzler nicht etwa durch die Bürger, sondern durch den Bundestag.
Frau Merkels Amtszeit endet spätestens mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestag (Art. 69 Abs. 2 GG). Der Bundestag muss innerhalb von 30 Tagen nach seiner Wahl erstmals zusammentreten (Art. 39 Abs. 2 GG). Und die nächste Wahl des Bundestags muss spätestens vier Jahre nach der letzten Wahl erfolgen (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 GG).
Nach diesem Zeitplan ist also bereits recht gut absehbar, wie lange Frau Merkel noch im Amt bleiben könnte. Allerdings verlängert sich ihre Amtszeit automatisch, solange kein neuer Bundeskanzler gewählt wird und der Bundespräsident sie um Weiterführung ihres Amtes bittet (Art. 69 Abs. 3 GG).
Eine Pflicht dazu, überhaupt nach Bundestagswahlen einen neuen Kanzler zu wählen, steht zumindest nicht ausdrücklich im Grundgesetz. Dies wurde auch genutzt, als nach den Wahlen 2017 keine Mehrheit in Sicht war. Üblich ist jedoch, dass der Bundespräsident relativ schnell die Wahl des Bundeskanzlers einleitet, sobald eine Koalition geschlossen ist.
Dies passiert dadurch, dass der Bundespräsident dem Bundestag einen Kandidaten für die Wahl des Kanzlers vorschlägt (Art. 63 Abs. 1 GG). Vorgeschlagen wird natürlich nicht die Person, die der Präsident für die ideale Besetzung für den Posten hält, sondern derjenige, der voraussichtlich eine Mehrheit bekommen wird. Erhält der Kandidat dann die Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten, ist er zum Bundeskanzler gewählt (Art. 63 Abs. 2 GG).
Vorgezogene Bundestagswahlen und anschließende Kanzlerwahl
Wenn man nicht mehr bis 2021 warten will, kann man die Bundestagswahlen auch vorziehen. Nun hat der Bundestag aber – im Gegensatz zu vielen anderen Parlamenten – nicht die Möglichkeit, sich einfach durch Beschluss selbst aufzulösen. Der einzige sich hier anbietende Weg wäre eine „unechte Vertrauensfrage“. Diese Vorgehensweise ist nicht unumstritten, wurde durch das Bundesverfassungsgericht aber für zulässig erklärt.
Dabei stellt der (bisherige) Bundeskanzler die Vertrauensfrage gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese Möglichkeit ist eigentlich dafür gedacht, dass ein Bundeskanzler in wackligen Verhältnissen für Klarheit sorgen kann. Denn zur Beantwortung der Vertrauensfrage stimmt jeder Bundestagsabgeordnete dahingehend ab, ob er dem Bundeskanzler noch vertraut.
Die unechte Vertrauensfrage ist dagegen nur vorgeschoben, es ist dann ausgemachte Sache, dass zumindest einige der eigenen Abgeordneten dem Bundeskanzler nicht das Vertrauen aussprechen. Kommt nämlich keine absolute Mehrheit für das Vertrauen zustande, kann der Bundespräsident – was hier Sinn der Vertrauensfrage ist – auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen und Neuwahlen anordnen.
Auf diese Weise könnte dann ein Wahlkampf mit Frau Kramp-Karrenbauer als CDU-Kanzlerkandidatin geführt werden.
Merkel-Rücktritt und anschließende Kanzlerwahl
Denkbar wäre auch ein Rücktritt von Frau Merkel. Dass der Bundeskanzler überhaupt zurücktreten kann, steht zwar nirgends im Grundgesetz. Nach praktisch unbestrittener Meinung ist das aber trotzdem der Fall. Einen amtsmüden Politiker dauerhaft gegen seinen Willen im Amt festzuhalten, erscheint schließlich kaum sinnvoll. Dies lässt sich auch aus dem schon erwähnten Art. 69 Abs. 3 schließen, dass der Kanzler (nur) vorübergehend verpflichtet ist, sein Amt weiter auszuüben.
Ebenfalls nicht geregelt ist eine Pflicht des Bundespräsidenten, nach dem Rücktritt des Kanzlers einen neuen Kanzler vorzuschlagen und zu ernennen. Auch hier muss man aber von der Logik des Grundgesetzes ausgehen, wonach es das Verfassungsorgan des Bundeskanzlers gibt. Daraus folgt dann auch, dass es einen neuen Bundeskanzler braucht, wenn der alte nicht mehr will.
Sobald also auf politischer Ebene geklärt ist, wer neuer Kanzler werden soll, wird der Bundespräsident diesen vorschlagen, sodass es zum Wahlprozedere gemäß Art. 63 GG (siehe oben) kommt.
Verfassungsrechtlich wäre diese Methode völlig legitim, allerdings würde das bedeuten, dass der Bundestag aus seiner eigenen Macht heraus einen Kanzlerwechsel durchsetzt. Möglicherweise würden sich einige Parteistrategen wohler fühlen, wenn die neue Kanzlerin quasi „vom Volk gewählt“ würde, weil sie im Wahlkampf schon als Kanzlerkandidatin auftrat und so die Stimmen für ihre Partei auch als Stimmen für ihre Person reklamieren kann. Dies würde dann eher für Neuwahlen sprechen.
Misstrauensvotum
Zuletzt wäre theoretisch auch noch ein Misstrauensvotum denkbar. Das Misstrauensvotum ist eine Kanzlerwahl ohne verfassungsrechtlichen Anlass. Dabei wird der Antrag gestellt, dem bisherigen, weiterhin amtierenden Kanzler das Misstrauen auszusprechen und zugleich einen Nachfolger zu wählen (Art. 67 Abs. 1 GG).
Allerdings ist das Misstrauensvotum eben keine neutrale Wahl. Es beinhaltet die Äußerung eines Misstrauens in den bisherigen Amtsinhaber und wird daher als ziemlich unfreundlicher Akt gesehen. Normalerweise kommt ein Misstrauensvotum nur vor, wenn eine Koalition zerbrochen ist oder sonst die Mehrheit verloren hat und so ein Politikwechsel eingeleitet werden soll.
Wenn der Kanzlerposten innerhalb einer Partei in einvernehmlicher Weise weitergegeben werden soll, kommt ein Misstrauensvotum daher unter keinen Umständen in Betracht.
Für welchen der anderen Wege man sich nun entscheidet, ist in gewisser Weise eine Geschmacksfrage – und eine Frage dessen, wie lange Frau Merkel noch im Amt bleiben will bzw. darf.