Richterwahl durch die Bürger

Ein häufiger Vorwurf ist, dass die Justiz zu eng mit der Politik verbandelt sei. Dies ist natürlich auch in gewisser Weise zwangsläufig so, denn die Richter müssen auch irgendwie in ihr Amt kommen. Und die Institutionen, die über die Besetzung staatlicher Ämter entscheiden, sind nun einmal die Parteien.

Wie wäre es denn, wenn die Bürger direkt die Richter wählen würden? Wäre es nicht demokratischer, das Volk abstimmen zu lassen?

Demokratischer und begrüßenswert im Sinne der Gewaltenteilung wäre das natürlich. Dass es umsetzbar ist, glaube ich aber trotzdem nicht.

Objektive Bewertung schwierig

Die Frage ist schon einmal, wie die Bürger die Eignung von Richtern beurteilen sollen. Man könnte sich natürlich per Internet über die Lebensläufe der Kandidaten informieren, insbesondere über die Ergebnisse in den juristischen Examen. Werden höhere Richter gewählt, wäre es sicher interessant, wie diese an ihren bisherigen Positionen in untergeordneten Gerichten gearbeitet haben.

Aber wie hat ein Richter denn gearbeitet? Das ist extrem subjektiv. So heißt es bspw. in der bayerischen Bekanntmachung über die Beurteilung der Richter sowie der Staatsanwälte:

In der Beurteilung darf nur das Verhalten im Beurteilungszeitraum beschrieben werden. Jede Aussage, die als Versuch verstanden werden könnte, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinflussen, ist unzulässig. Zum Inhalt einzelner richterlicher Entscheidungen darf nicht Stellung genommen werden.

Durch die Beurteilung sollen Richter nicht dazu genötigt werden, ihre Entscheidungen der Erwartungshaltung der vorgesetzten Richter anzupassen. Richter sollen unabhängig entscheiden dürfen. Gleichzeitig ist es natürlich, jedenfalls bei Zivilrichtern, so, dass es sich negativ auswirken kann, wenn allzu viele Entscheidungen durch die Rechtsmittelinstanzen aufgehoben werden.

Medienberichte über Prozesse meist unbrauchbar

All das weiß der Bürger, wenn er denn Richter wählen sollte, nicht. Wie soll nun ein Bürger entscheiden, ob ein Richter „gut“ ist?

Ein Anhaltspunkt wären sicher Medienberichte. Hier hört man immer wieder von skadalösen Urteilen. Die Auswahl dieser Skandale ist freilich allein den Vorstellungen der zuständigen Reporter geschuldet, was sie nun für berichtenswert halten.

Nun kann ich aber versichern, dass in sämtlichen Verfahren, die ich aus eigener Anschauung kenne, kein einziges dabei war, das in der Presse auch nur weitgehend vollständig und zutreffend geschildert worden wäre. Es wird vereinfacht, gekürzt, teilweise auch verfälscht. Juristische Wertungen werden oft nicht einmal ansatzweise nachvollzogen. Und die Akten kennt sowieso niemand.

Wir hätten also im Endeffekt einen populärjuristischen Auswahlmechanismus in der Justiz. Und das setzt eigentlich schon voraus, dass sich die Menschen wirklich dafür interessieren, wer da zur Wahl steht, und sich intensiv informieren.

Wahlvorschläge durch Parteien

Viel wahrscheinlicher ist doch, dass die Richter auch so gewählt würden, wie heute schon die Kreis- und Gemeinderäte und die Parlamentarier gewählt werden: Es gibt Wahlvorschläge der Parteien und man wählt die Partei, die einem gerade am besten erscheint. Die Person des Richters würde dann wahrscheinlich noch weiter in den Hintergrund rücken als dies bspw. bei Direktkandidaten in Wahlkreisen der Fall ist.

Ich hielte eine Verstärkung der Gewaltenteilung für sehr wichtig. Das Grundgesetz kennt weniger eine strikte Gewaltenteilung, sondern vielmehr Gewaltenverschränkung. Gerade in den politisch bedeutsamen Gerichten wie den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten sollte aber so viel Distanz zu den anderen Verfassungsorganen bestehen wie möglich. Nur reicht meine Phantasie leider nicht dafür aus, ein solches Wahlsystem in praxistauglicher Weise zu konzipieren.

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