Der Europarat und die Impfdiskriminierung

Der Europarat besteht aus 47 Mitgliedsstaaten, die sich zu gemeinsamen Werten und Grundsätzen bekennen und diese gemeinsam wahren möchten.
Der Europarat besteht aus 47 Mitgliedsstaaten, die sich zu gemeinsamen Werten und Grundsätzen bekennen und diese gemeinsam wahren möchten.
Aktuell wird eine Behauptung fleißig in sozialen Medien geteilt, wonach der Europarat verboten habe, dass Unternehmen ihre Dienstleistungen nur an Personen anbieten, die gegen das Corona-Virus geimpft sind. Jede Diskriminierung aufgrund des Impfstatus sei demnach verboten. Insbesondere angesichts der derzeitigen Diskussion, ob bspw. Konzerte zuerst geimpften Personen offen stehen, besitzt das eine gewisse Relevanz.

Der Bericht darüber endet dann gerne mit dem bedeutend klingenden Satz: „In jedem Gerichtsverfahren, gegenüber jedem Heimleiter, jedem Arbeitgeber, jeder Behörde, jedem Reiseanbieter etc. kann man sich nun darauf berufen.“

Europarat hat Resolution zu Impfungen beschlossen

Richtig ist, dass der Europarat die Resolution 2361 (2021) mit dem Titel „Covid-19 vaccines: ethical, legal and practical considerations“ verabschiedet hat. In dieser wird eine Vielzahl von Themen rund um die Corona-Impfung behandelt. Es beginnt mit Banalitäten wie der Feststellung, dass man nun wirklich zügig mit den Vorbereitungen für die Impfungen beginnen sollte (Punkt 4), ruft aber bspw. auch dazu auf, Lösungen für Patent- und andere Rechtsstreitigkeiten zu finden, die einer schnellen Produktion im Weg stehen könnten (Punkt 7.1.7).

In Punkt 7.3.2 findet sich dann folgende Erklärung:

The Assembly thus urges member States and the European Union to: ensure that no one is discriminated against for not having been vaccinated, due to possible health risks or not wanting to be vaccinated

Die Mitgliedsstaaten sollen also sicherstellen, dass niemand, der nicht geimpft werden kann oder nicht geimpft werden möchte, deswegen diskriminiert wird. Ob das nur für Diskriminierungen durch den Staat oder auch für Diskriminierungen durch Privatpersonen und Unternehmen gelten soll, steht dort aber nicht und ist auch nicht abzuleiten. Die nächste Frage wäre ohnehin, ob jede Unterscheidung auch gleich eine Diskriminierung im Sinne der Vorschrift darstellt.

Europarat schafft kein Recht

Außerdem kann man sich auf diesen Beschluss des Europarats keineswegs berufen, schon gar nicht gegenüber einem Arbeitgeber oder einem Reiseanbieter.

Denn der Europarat schafft keineswegs selbst innerstaatliches Recht, schon gar kein Zivilrecht. Der Europarat ist nicht die Europäische Union, die selbst Recht setzen kann.

Der Europarat will Menschenrechte und andere gemeinsame Werte in den Mitgliedsstaaten schützen, verabschiedet dafür aber keine Gesetze und erst recht keine völkerrechtlichen Normen, die über den Gesetzen der Mitgliedsstaaten stehen würden. Die Einhaltung der Menschenrechte ist Aufgabe der Staaten. Nur diese sind angehalten, die Werte des Europarats zu wahren, keineswegs die einzelnen Bürger.

Auch Konventionen stehen nicht über dem Gesetz

Die einzige bedeutende Rechtsnorm auf Ebene des Europarats ist die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die ergänzend zu den Grundrechten des Grundgesetzes weitere Rechte verbürgt. Diese ist aber nicht durch einen Beschluss des Europarats in Kraft getreten, sondern durch wurde durch diesen lediglich entworfen und ist erst mit Zustimmung aller Mitgliedsstaaten im Weg der Gesetzgebung in Kraft getreten.

Die Verletzung der EMRK-Rechte kann dann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über die sog. Menschenrechtsbeschwerde geltend gemacht werden. Der EGMR kann EMRK-Verletzungen feststellen, die Umsetzung ist dann Sache der nationalen Gerichte und Behörden. Zudem kann die EMRK durch jedes nachfolgende nationale Gesetz ausgehebelt werden.

Resolution ist nur eine Empfehlung

Die Europarats-Resolution zu Corona-Impfungen stellt lediglich eine Empfehlung dar. Die Umsetzung ist noch völlig unabsehbar.
Die Europarats-Resolution zu Corona-Impfungen stellt lediglich eine Empfehlung dar. Die Umsetzung ist noch völlig unabsehbar.
Bei dieser Resolution 2361 (2021) handelt es sich aber keineswegs um ein internationales Abkommen wie die EMRK. Sie stellt lediglich eine Meinungsbekundung der Parlamentarischen Versammlung dar. Die Parlamentarische Versammlung wiederum ist nicht einmal ein beschließendes Organ des Europarats, sondern hat lediglich beratende Funktionen, insbesondere kann sie Empfehlungen und Vorschläge an die Ministerkomitees richten (Artikel 29 der Satzung des Europarats). Die politisch bedeutsamen Beschlüsse des Europarats fallen durch diese Ministerkomitees.

Insgesamt muss man also festhalten:

  • Der Europarat kümmert sich um Menschenrechte, nicht um Zivilrecht.
  • Der Europarat setzt kein innerstaatliches Recht.
  • Die Beschlüsse des Europarats richten sich an die Staaten, nicht an die Bürger.
  • Die Parlamentarische Versammlung fasst keine bindenden Beschlüsse, sondern unterbreitet Vorschläge.
  • Aus diesem Beschluss wird nicht klar, welche Unterscheidung als Diskriminierung verstanden wird und ob das gegenüber privaten Anbietern überhaupt gelten soll.

Staaten müssten selbst Regelungen treffen

Eine solche Resolution kann also im täglichen Leben keinerlei Bedeutung entfalten. Wenn ein Mitgliedstaat eine Resolution inhaltlich sinnvoll findet, muss er sie immer noch in eigenes, staatliches Recht umsetzen.

Ob es zulässig ist, im Privatbereich zwischen geimpften und ungeimpften Personen zu unterscheiden, muss der nationale Gesetzgeber entscheiden. Bislang gilt insoweit Vertragsfreiheit, sodass sich jeder seine Geschäftsbeziehungen selbst aussuchen kann. Der Bundestag könnte dagegen bspw. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ändern. Ob dies dann verfassungskonform wäre, steht auf einem anderen Blatt.

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