Die Zuverlässigkeit nach dem Luftsicherheitsgesetz

Im Luftverkehr spielt die Zuverlässigkeit der Beschäftigten eine besondere Rolle.
Im Luftverkehr spielt die Zuverlässigkeit der Beschäftigten eine besondere Rolle.
Heute stelle ich etwas ungewohnt eine einzelne Rechtsnorm vor, die auch gar nicht aus dem Verfassungsrecht stammt. Es handelt sich um § 7 Abs. 1a des Luftsicherheitsgesetzes. Das klingt nach einem recht abseitigen Rechtsgebiet und das ist es prinzipiell auch.

„Das Gesetz dient dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen“, sagt dessen § 1. Es wurde vor allem durch die Anschläge vom 11. September 2001 motiviert und trat – damals waren Gesetzgebungsakte noch langwierig und gründlich – Anfang 2005 in Kraft.

Eine Kernregelung ist die in § 7 vorgesehene Zuverlässigkeitsüberprüfung von allen Personen, die etwas mit dem Luftverkehr zu tun haben. Und „zu tun haben“ ist wirklich extrem weit gefasst. § 7 Abs. 1 legt fest, dass dieser Personenkreis Piloten über Flughafenmitarbeiter bis hin zu Mitglieder bestimmter Flugvereine und bspw. auch Schülerpraktikanten umfasst.

In Abs. 1a der Vorschrift wird dann geregelt, wie die Zulässigkeit überprüft wird. Diesen Absatz will ich zunächst einmal im Volltext vorstellen:

(1a) Die Luftsicherheitsbehörde bewertet die Zuverlässigkeit der betroffenen Person auf Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. In der Regel fehlt es an der erforderlichen Zuverlässigkeit,
1. wenn die betroffene Person wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2. wenn die betroffene Person wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3. wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person Bestrebungen nach § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolgt oder unterstützt oder in den letzten zehn Jahren verfolgt oder unterstützt hat.
Bei sonstigen Verurteilungen oder beim Vorliegen sonstiger Erkenntnisse ist im Wege der Gesamtwürdigung nach Satz 1 zu prüfen, ob sich daraus im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person ergeben. Als sonstige Erkenntnisse kommen insbesondere in Betracht:
1. laufende oder eingestellte Ermittlungs- oder Strafverfahren,
2. Sachverhalte, aus denen sich eine Erpressbarkeit durch Dritte ergibt,
3. Sachverhalte, aus denen sich Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ergeben,
4. Alkohol-, Rauschmittel- oder Medikamentenabhängigkeit oder regelmäßiger Missbrauch dieser Substanzen,
5. Angabe von unterschiedlichen beziehungsweise falschen Identitäten bei behördlichen Vorgängen.

Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine relativ übliche Struktur:

  • Die Behörde muss den Einzelfall prüfen, also bei jeder betroffenen Person die Zuverlässigkeit individuell feststellen.
  • In bestimmten Fällen wird vermutet, dass keine Zuverlässigkeit gegeben ist, dies kann aber widerlegt werden, sodass die Zuverlässigkeit doch besteht.

Bemerkenswert ist aber die Grenze für die Vermutung der Unzuverlässigkeit, nämlich bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Das ist deutlich unter der Grenze für eine Vorstrafe im Führungszeugnis.

Außerdem können auch eingestellte Ermittlungsverfahren für die Bewertung herangezogen werden. In eingestelltes Ermittlungsverfahren hat grundsätzlich kein Ergebnis. Die Einstellungsentscheidung ist zwar kein Freispruch, aber definitiv auch kein Schuldspruch. Nun können sich freilich auch jenseits der Feststellung von Schuld und Unschuld Erkenntnisse über den Beschuldigten ergeben. Dass man aber aus einem Verfahren, das nicht zwingend zu Ende ermittelt wurde, überhaupt etwas ableiten will, ist nicht ungefährlich.

Wird eine solche „Unzuverlässigkeit“ festgestellt, ist die Folge, dass man in einem luftverkehrsnahen Bereich nicht mehr arbeiten darf. Dies bedeutet also ein faktisches Berufsverbot und damit einen Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.

Bisher gibt es relativ wenige höchstgerichtliche Urteile zu § 7 Abs. 1a LuftSiG.
Bisher gibt es relativ wenige höchstgerichtliche Urteile zu § 7 Abs. 1a LuftSiG.
Für eine verfassungskonforme Auslegung des Luftsicherheitsgesetzes dürfte es jedenfalls notwendig sein, diese Erkenntnisse nur als Anhaltspunkt für weitere, vollständige Ermittlungen zu nehmen und dem Betroffenen umfassend rechtliches Gehör zu gewähren. Im Bereich mittlerer Geldstrafen wegen Straftaten ohne jeden Bezug zur Luftfahrt oder zur öffentlichen Sicherheit wird man regelmäßig zu einer geringen Vermutungswirkung kommen und die Widerlegung leichter zulassen müssen.

Bis zum Bundesverfassungsgericht sind die Vorschriften bisher kaum gelangt, insbesondere nicht im geschilderten Grenzbereich. Dies spricht dafür, dass die Behörden hier möglicherweise relativ nachsichtig sind und tatsächlich die Berufsfreiheit achten.

Das Bundesverfassungsgericht hingegen hat in den zwei relevantesten Entscheidungen jedenfalls betont, dass der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum dabei hat, möglichen Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit zu begegnen. Angesichts der großen Gefährlichkeit von Anschlägen mit Flugzeugen seien auch sehr entfernte Indizien für Unzuverlässigkeit nicht zu beanstanden:

Von einer verfassungskonformen Auslegung im Einzelfall entbindet dies die Behörden und Gerichte freilich nicht.

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