Die Messlatte für Verfassungsbeschwerden

Ich erhalte häufig Anfragen von Bürgern zum Verfassungsrecht, weil mich diese eben bei Google zum Thema Verfassungsbeschwerden finden. Ich bemühe mich stets, diese in angemessener Weise zu beantworten, auch wenn daraus natürlich meist keine bezahlten Mandate werden.

Vor ein paar Tagen habe ich nun eine längere Schilderung bekommen, die in folgende Kernfrage mündete:

Wenn jeder Bürger eine Verfassungsbeschwerde einreichen kann, warum ist dann die Messlatte so hoch?

Meine Antwort darauf war im Wesentlichen die folgende:

Sie sprechen mir mit Vielem davon absolut aus der Seele. Auch ich als auf Verfassungsbeschwerden spezialisierter Anwalt muss jeden Tag mit den extrem hohen Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde umgehen. Auch meine Verfassungsbeschwerden scheitern natürlich des öfteren, denn trotz aller Expertise kann ich mich von der verheerenden Statistik des BVerfG nicht vollständig lösen.

Wie ein normaler Bürger eine solche Verfassungsbeschwerde auch nur im Ansatz erfolgversprechend begründen soll, ist mir völlig schleierhaft. Dass „jedermann“, wie § 90 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes sagt, eine Verfassungsbeschwerde erheben kann, ist ein Mythos. Ohne Anwalt geht gar nichts und auch den muss man sich leisten können – wiederum, weil viele Arbeitsstunden der Kanzlei in jeder Verfassungsbeschwerde stecken.

Zu Ihren konkreten Verfahren kann ich mich mangels genauer Kenntnis natürlich nicht äußern. Zu Ihren allgemeinen Anmerkungen kann ich aber nur sagen: Sie haben Recht. Aber es steht leider nicht in meiner Macht, das zu ändern.

Vielleicht nimmt sich die Politik einmal der Sache an und „spendiert“ dem BVerfG irgendwann einmal zwei zusätzliche Senate mit 16 weiteren Richtern und entsprechenden wissenschaftlichen Mitarbeitern. Das würde die Kapazitäten verdoppeln und unter Umständen für etwas weniger Tendenz zum schnellen Abbügeln von Beschwerden sorgen. Ich sehe da aber leider nicht viel politischen Willen. In den letzten Jahren ging es eher darum, die Justiz immer stromlinienförmiger zu gestalten und die Rechte des Bürgers zu beschneiden.

Und dazu passt auch in gewisser Weise mein neuestes Youtube-Video zu den Voraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde:

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