Der Begriff der Sprungrevision hat vor Kurzem eine gewisse Bekanntheit erlangt. Denn im Strafverfahren gegen Gina-Lisa Lohfink hatte ihr Verteidiger gegen die erstinstanzliche Verurteilung Sprungrevision zum Oberlandesgericht („Kammergericht“) Berlin eingelegt. Was die Sprungrevision bedeutet und warum man sie einlegen kann, haben wir hier kurz zusammengestellt.
Mit dem Urteil des ersten Gerichts, das sich mit einem rechtlichen Verfahren beschäftigt, muss man sich praktisch nie zufrieden geben. Es gibt fast immer Rechtsmittel gegen diese Entscheidung.
Erste Instanz – Berufung – Revision
Das Grundkonzept ist dabei, dass man gegen das erste Urteil zunächst Berufung einlegen kann. Die Berufung ist im Wesentlichen ein komplettes Neuaufrollen des ersten Prozesses. Das Berufungsgericht macht eigene Tatsachenfeststellungen, erhebt also unter Umständen die Beweise noch einmal und kann ist nicht an den Sachverhalt gebunden, von dem das erste Gericht ausging.
Gegen das Berufungsurteil kann dann die Revision eingelegt werden. Die Revision ist eine reine Prüfung auf Rechtsfehler. Es werden also die Tatsachen, die die letzte Tatsacheninstanz (erste Instanz oder Berufung) festgestellt hat, als Grundlage genommen. Das Revisionsgericht prüft dann nur noch, ob im bisherigen Urteil das Recht korrekt auf diese Tatsachen angewandt wurde. Ob das Revisionsgericht bspw. einen Zeugen für glaubwürdig hält, ist hier nicht mehr relevant.
Häufige Ausnahmen
In den Prozessordnungen wird dieser Dreiklang „erste Instanz – Berufung – Revision“ nicht immer ganz durchgehalten. In schwereren Strafsachen, die schon beim Landgericht beginnen, gibt es bspw. keine Berufung, sondern nur die Revision. Ebenso ist es in Steuersachen, dort gibt es nur die Finanzgerichte und als Revisionsinstanz den Bundesfinanzhof, eine Mittelinstanz hat man sich komplett gespart. In Zivilsachen bedarf die Revision fast immer der Zulassung, ansonsten ist schon nach dem Berufungsurteil Schluss.
Sprungrevision überspringt eine Instanz
Aber auch dort, wo noch ein voll ausgebauter Rechtsweg besteht, kann man diesen oft abkürzen: Die sogenannte „Sprungrevision“ gegen das erstinstanzliche Urteil erlaubt es, ein endgültiges Revisionsurteil zu erlangen, ohne erst die Berufungsinstanz durchlaufen zu lassen. Vorgesehen ist das z.B. in § 335 StPO, § 566 ZPO oder § 134 VwGO. Voraussetzung ist praktisch immer die Zustimmung des Gegners.
Ansonsten ist die Sprungrevision eine ganz normale Revision, sie stellt also – siehe oben – eine reine Prüfung auf Rechtsfehler dar, während die Tatsachenfeststellungen nicht mehr angegriffen werden können. Gerade im Strafrecht ist das ungünstig, weil man sonst neue Tatsachen schaffen kann, indem der Angeklagte die Zeit zwischen erster Instanz und Berufung nutzt (z.B. durch eine Drogentherapie, durch Schadenswiedergutmachung oder durch Stabilisierung der Lebensverhältnisse).
Vorteile der Sprungrevision
Sinnvoll ist die Sprungrevision eigentlich nur in folgenden Konstellationen:
- Man ist mit der Tatsachenfeststellung ganz zufrieden. Wenn man den Sachverhalt für korrekt erfasst hält, muss man ihn nicht unbedingt angreifen.
- Keine gegnerische Berufung provozieren. Nicht selten legt auch die Gegenseite Berufung ein, wenn man selbst in Berufung geht. Wenn man das für risikoreich hält (und man davon ausgeht, dass der Gegner nicht ohnehin die Berufung anstrebt), geht man lieber gleich zur Revision über.
- Man ist sich seiner eigenen Position sicher. Wenn man absolut sicher ist, dass das Urteil des ersten Gerichts falsch ist und es von der Revisionsinstanz aufgehoben wird, kann man diese auch direkt anrufen. Die Situation dürfte aber äußerst selten auftreten, denn im Recht ist ganz wenig absolut sicher.
- Schnelles Ende. Wenn man zwar die Rechtsfrage geklärt haben, das ganze Verfahren aber nicht mehr zu sehr in die Länge ziehen will, kann man sich die Zwischeninstanz auch sparen.
- Grundsatzurteil erwirken. In manchen Fällen geht es nicht so sehr um die Klärung eines einzelnen Rechtsstreits, sondern um eine gerichtliche Leitlinie für alle ähnlichen Konstellationen. Dann hätte man gerne das Urteil des Revisionsgerichts, muss aber nicht mehr in Tatsachenfragen einsteigen.
- Stress vermeiden. Gerade im Strafrecht ist eine zweite Hauptverhandlung oft emotional anstrengend für den Angeklagten. Das will er sich vielleicht kein zweites Mal antun. Bei der Revisionsverhandlung (wenn diese überhaupt mündlich ist) ist der Angeklagte dagegen regelmäßig gar nicht anwesend, denn die Diskussion rechtlicher Fragen ist für ihn meist nicht interessant.
- Keine Öffentlichkeit. Gerade bekanntere Prozessbeteiligte wollen nicht durch eine Neuauflage des Gerichtsverfahrens wieder ins mediale Gerede kommen. Für eine Rechtsprüfung interessiert sich die Presse dagegen normalerweise kaum, das ergibt allenfalls eine Randnotiz.
Wie sich Vor- und Nachteile zueinander verhalten, müssen Anwalt und Mandant eingehend besprechen.