Die vierte Folge unserer Artikelreihe zu schlechter juristischer Argumentation. Alle Artikel, auch die künftigen, finden Sie unter dem gleichnamigen Schlagwort.
12. Hüpfen Sie wild umher
Diesen Rat kann man Ihnen auch geben, wenn Sie – was meistens sinnvoll ist – einen Anwalt konsultieren. Wenn Sie diesem Ihren Fall schildern, sollten Sie möglichst unumfassend darlegen, dass Sie in jeder Hinsicht im Recht sind.
„Ich zahl die Handwerkerrechnung nicht, denn wir haben ja keinen Vertrag geschlossen.“ – „Ein Vertrag kann auch mündlich geschlossen werden. Worauf haben Sie sich denn geeinigt?“ – „Haha, ja, jedenfalls nicht darauf, dass er die Fliesen total schlampig verlegt!“ – „Inwiefern schlampig? Was gefällt Ihnen denn nicht?“ – „Vieles! Sehr vieles! Zum Beispiel, dass er die Türklinke beschädigt hat.“ – „Wir müssen hier wirklich eines nach dem anderen…“ – „Aber was erwartet man anderes von einem Schwarzarbeiter!? Dieser Verbrecher…“
In der Juristerei, insbesondere in einem Prozess, reicht normalerweise ein einzelner rechtlicher Gesichtspunkt, der erfüllt sein muss, um siegreich zu sein. Diesen einen Gesichtpunkt muss man mit all seinen Facetten und gegen alle Einwendungen darlegen, dann kann man Erfolg haben. Ob es noch andere „Wege zum Sieg“ gäbe, interessiert dann niemanden.
13. Vermischen Sie Begriffe
Mord und Totschlag sind zwei völlig verschiedene Dinge. Besitz und Eigentum auch. Ebenso Vorsatz, Planung und Absicht. Wer hier das eine meint, sollte ihm nicht den anderen Namen geben, denn sonst weiß keiner mehr, was eigentlich gemeint ist.
Eine perfekte schlechte juristische Argumentation kann hierauf freilich keine Rücksicht nehmen. In einer Wissenschaft, die jedes Wort sehr genau nimmt, disqualifiziert man sich selbst, wenn man sogar bei solchen grundlegenden Begrifflichkeiten jede Genauigkeit vermissen lässt. Mehr noch, man legt den Schluss nahe, dass man allgemein wenig Ahnung von der Materie hat.
14. Finden Sie Unterschiede, wo keine sind
Manche Begriffe sind ähnlich, aber unterschiedlich, manchmal gibt es aber auch mehrere Bezeichnungen für dasselbe. Gern wird behauptet, Ämter und Behörden seien etwas verschiedenes und hätten nicht dieselben Kompetenzen. Vor allem, wenn es um Arbeitsagenturen, Job Center und ähnliches geht, ist von der Bezeichnung her die Behördeneigenschaft zunächst nicht absolut eindeutig. Die Bezeichnung ist aber völlig irrelevant. Die Kompetenzen werden durch Gesetz festgelegt und nicht durch Interpretation.
15. Empörung und Weltschmerz ersetzen Argumente
Schimpfen Sie ein bisschen über die Regierung und beklagen Sie den Zustand der Welt. Das kann jeder nachvollziehen und so muss man keine Sachargumente darlegen. Beliebtes Mantra: Wie kann die Rente so niedrig sein, wo sich doch die Manager so hohe Gehälter genehmigen?