Wir haben bereits einen Blick ins Gesetz geworfen, um festzustellen, welche unterschiedlichen Normen es gibt, um die Verantwortlichkeit einer Person für das Handeln anderer zu regeln.
Grundsätzlich ist es schon schwierig, zu begründen, warum jemand für etwas haften muss, das ein anderer „verbrochen“ hat. In einer vertraglichen Situation ist dies noch einigermaßen nachvollziehbar: Wenn ich einen Bauunternehmer beauftrage, ein Haus zu bauen, dann ist dieser natürlich nicht verpflichtet, jeden einzelnen Stein persönlich zu verlegen und jeden Ziegel eigenhändig auf’s Dach zu verfrachten. Er darf (und soll) Arbeitnehmer, Subunternehmer und sonstige Helfer beschäftigen, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Im Verhältnis zum Auftraggeber bleibt es aber nach wie vor er persönlich, der die geschuldeten Leistungen erbringen muss.
Das „Erbringen“ bedeutet aber – wie gesehen – nicht, dass er überall selbst Hand anlegen muss. „Erbringen“ kann genausogut darin zu sehen sein, dass er den gesamten Ablauf koordiniert – oder eben jemanden anheuert, damit dieser den Ablauf koordiniert. Er schuldet das Ergebnis, also ein Haus, das den vertraglichen Anforderungen entspricht. Auf welchem Weg er dorthin kommt, interessiert den Auftraggeber in aller Regel eher wenig.
Man kann also davon ausgehen, dass es ordnungsgemäß ist, wenn der Auftragnehmer sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten anderer Personen bedient. Und genau das setzt § 278 BGB eben voraus:
Der Schuldner hat ein Verschulden (…) der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.
Zugleich ordnet der Paragraph aber auch die Rechtsfolge an, die daraus erwächst: Ist mein Erfüllungsgehilfe (so werden diese Personen in der Rechtswissenschaft genannt) an etwas schuld, dann ist das so, als wär ich selber daran schuld. Das ist nur gerecht, denn ansonsten könnte man einfach alle Vertragspflichten in fremde Hände geben und sich selbst so entlasten. Wer nichts tut, macht bekanntlich keine Fehler.
Aber auch „philosophisch“ stimmt das Ergebnis: Ich werde dafür entlohnt, dass ich die versprochene Leistung erbringe. Ich hafte aber dafür, was beim Erbringen der Leistung falsch läuft. Wenn ich die Zahl der Personen, die diese Leistung erbringen, vergrößere, so muss sich aber auch die Zahl der Personen, für die ich hafte, gleichlaufend vergrößern. Und so, wie ich den gesamten Lohn für die Leistungen verlangen darf, muss ich auch alle Schäden aus diesen Leistungen ersetzen. Dass meine Helfer ihrerseits zum einen Lohn beanspruchen, ich ihnen aber zum anderen ihre Schadensverursachungen in Rechnung stellen kann, ist meine Privatsache und interessiert den Auftraggeber nicht.
Nun gibt es aber auch noch den nichtvertraglichen Bereich, indem ich für bestimmte Rechtsverletzungen ebenfalls bezahlen muss. Lässt also mein angestellter Bauarbeiter versehentlich einen Eimer vom Baugerüst fallen und verletzt damit einen Spaziergänger auf der Straße neben der Baustelle, muss er dafür natürlich Schadenersatz leisten.
Muss nun auch der Unternehmer dafür haften? Wer jetzt auf § 278 BGB springt, macht einen schweren Fehler: Denn dieser ist nur in Vertragsverhältnissen anwendbar und ein solches besteht zwischen dem Bauunternehmer und einem völlig unbeteiligten Spaziergänger natürlich nicht. Wir haben hier keine Vertragsverletzung, sondern eine Rechtsgutverletzung. Hier haftet man nicht, wenn man etwas Geschuldetes nicht erbracht hat, sondern wenn man „das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt“ (§ 823 BGB).
In unserem Fall hat der Unternehmer den Körper und die Gesundheit des Spaziergängers nicht verletzt. Er hat den Eimer ja nicht fallenlassen. Dafür gibt es aber § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, der auch den Auftraggeber in die Haftung nimmt:
Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt.
Dies klingt zunächst sehr wie § 278. Der große Unterschied liegt aber in Satz 2 der Vorschrift:
Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person (…) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet (…).
Hat er also seinen Angestellten sorgfältig ausgewählt, so haftet er nicht für ihn. Mehr noch, im Grunde haftet er gar nicht für die Fehler des Angestellten, sondern für seinen eigenen Fehler: Dafür, den Falschen eingestellt zu haben.
Plakativ gesagt ist der Vorwurf an den Unternehmer dann zum Beispiel: „Warum setzt du einen Dilettanten an einen Bagger mit Abrissbirne? Damit schaffst du doch eine riesige Gefahr für die Öffentlichkeit!“ Hat er dagegen gerade keine Gefahr geschaffen, sondern macht jemand einfach nur einen Fehler, während er für einen Auftraggeber arbeitet, dann ist das nicht die Schuld des Auftraggebers.
Der vom Eimer getroffene Spaziergänger wäre eben auch vom Eimer getroffen worden, wenn der Häuslebauer den Bauarbeiter selbst angestellt hätte. Dass es einen zwischengeschalteten Unternehmer gab, ist für den Spaziergänger egal, denn einen Vertrag hat er mit keinem von beiden.
Einen Anspruch gibt es eben nur, wenn jemand, der es besser wissen müsste, einen anderen zu einer Tätigkeit angewiesen hat, die diese überfordert und damit einen Schaden provoziert hat.