Die Urkundendelikte im StGB

Heute beschäftigen wir uns mit den Urkundendelikten im Strafgesetzbuch. Während man im allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Vorstellung von einer Urkunde und von deren Fälschung hat, ist die Sache juristisch deutlich schwieriger. Zunächst soll es nur um die Urkunden im engeren Sinne sowie um Fälschungs- und Verwendungshandlungen gehen.

Definition „Urkunde“

Mit einer „Urkunde“ kann wohl jeder etwas anfangen. Das sind eben die meist recht edel gestalteten Schriftstücke, die man für 25-jährige Vereinsmitgliedschaft oder für besonders schnelles Laufen bei den Bundesjugendspielen bekommt. Dem Recht sind solche Urkunden dagegen ziemlich egal.

Eine Urkunde ist hier eine dauerhaft verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist und ihren Aussteller erkennen lässt. Es geht also darum, ob man aufgrund dieses Schriftstücks jemanden an einer bestimmten Erklärung festhalten kann. Diese Definition ist relativ weitgehend. Sie umfasst bspw. Quittungen und andere Belege, Preisschilder, Zeugnisse, Vertragsdokumente, Kfz-Kennzeichen und sogar Bierdeckel. Die Bundesjugendspiele-Urkunde dürfte sie dagegen nicht umfassen, da eine derartige sportliche Leistung keinen Bezug zum Rechtsverkehr hat.

§ 267 Abs. 1, erste Variante: Herstellen einer unechten Urkunde

Der Grundtatbestand der Urkundefälschung ist das Herstellen einer unechten Urkunde. § 267 Abs. 1, erste Variante StGB sagt insoweit:

Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

„Unecht“ in diesem Sinne ist die Urkunde dann, wenn sie nicht von dem stammt, der in der Urkunde als Aussteller erscheint. Es wird also eine Person davor geschützt, dass Urkunden mit rechtserheblichen Erklärungen in ihrem Namen abgegeben und dann ggf. als Beweis gegen sie verwendet können.

Auf die inhaltliche Richtigkeit – man das gar nicht genug betonen! – kommt es dagegen nicht an. Die schriftliche Lüge ist grundsätzlich nicht unter Strafe gestellt.

§ 267 Abs. 1, zweite Variante: Verfälschen einer echten Urkunde

Die zweite Variante des § 267 Abs. 1 StGB lautet:

Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine echte Urkunde verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Hier liegt also zunächst eine echte Urkunde vor. Echt ist die Urkunde – im Umkehrschluss zu oben Gesagtem – dann, wenn sie tatsächlich von demjenigen verfasst wurde, der auch als Aussteller erscheint. Allerdings wurde sie nach dem Abfassen von einer anderen Person „verfälscht“, also die niedergelegte Gedankenerklärung nachträglich abgeändert.

Auch hier kommt es auf die Richtigkeit der Erklärung nicht an. Beispiel: A schuldet dem B 5000 Euro. Um sich für den Fall eines Gerichtsprozesses abzusichern, fordert B von A einen Schuldschein über diese Summe. A stellt diesen auch aus, schreibt aber nur einen Betrag von 500 Euro auf das Schriftstück. Als B das sieht, fügt er einfach einen weiteren Nuller hinzu, um die Urkunde so zu korrigieren. Dabei handelt es sich um eine Urkundenfälschung, da die dem A nun eine andere als die ursprüngliche Erklärung zugerechnet werden könnte. Dass die verfälschte Urkunde „richtiger“ ist als das Original, spielt insoweit keine Rolle.

§ 267 Abs. 1, dritte Variante: Gebrauchen einer falschen Urkunde

In der dritten Variante ist die Verwendung einer nach den ersten beiden Varianten gefälschten bzw. verfälschte Urkunde ist strafbar:

Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Hier wird also zum ersten Mal nicht nur das bloße Anfertigen, sondern die konkrete Täuschungshandlung erfasst. Ob die Urkunde vom Gegenüber aber wahrgenommen oder auf ihre Echtheit untersucht wird oder diesen gar erfolgreich täuscht, ist nicht relevant.

§ 348 Abs. 1: Falschbeurkundung im Amt

Eine Sonderstellung innerhalb der Urkundendelikte nimmt § 348 ein. Als „Falschbeurkundung im Amt“ wird folgender Tatbestand bezeichnet:

Ein Amtsträger, der, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register, Bücher oder Dateien falsch einträgt oder eingibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Es handelt sich dabei nicht, wie man meinen könnte, um einen besonders schweren Fall der Urkundenfälschung, weil ein Beamter der Täter ist.

Vielmehr ist die Urkunde an sich hier nicht falsch. Schließlich ist es der Amtsträger selbst, der die Urkunde ausstellt bzw. falsch einträgt. Anscheinender und tatsächlicher Aussteller stimmen also überein, eine Strafbarkeit nach § 267 Abs. 1, erste Alternative liegt also gerade nicht vor.

§ 348 stellt ausnahmsweise das Ausstellen einer inhaltlich falschen Urkunde unter Strafe. Während man eine Privaturkunde mit falschem Inhalt jederzeit ausstellen darf und an eventuellen Nachteilen dann eben selbst schuld ist, kann dies bei öffentlichen Urkunden nicht gelten. Denn die Nachteile treffen dann ja nicht den Beamten selbst, sondern den Staat.

Geschützt ist allerdings nur derjenige Teil der öffentlichen Urkunde, dessen Richtigkeit beurkundet werden soll, dem also „öffentlicher Glaube verliehen“ wird. So steht bspw. die Körpergröße des Inhabers in einem Personalausweis, diese soll aber – im Gegensatz zur sonstigen Identität – sicher nicht beurkundet werden.

§ 271 Abs. 1: Mittelbare Falschbeurkundung

Eng mit § 348 hängt § 271 Abs. 1 zusammen:

Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Dies behandelt Fälle, in denen jemand bewirkt, dass ein Amtsträger eine falsche Beurkundung vornimmt, also der objektive Tatbestand des § 348 StGB erfüllt ist. Solche Konstellationen werden normalerweise über die Figur der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1, zweite Variante) gelöst. Bei der Falschbeurkundung im Amt funktioniert das aber nicht, da es sich um ein Sonderdelikt handelt – Täter und damit auch mittelbarer Täter kann nur sein, wer selbst Amtsträger ist. Eine Anstiftung oder Beihilfe kommt dagegen nur in Betracht, wenn der Amtsträger selbst eine Straftat begeht, also vorsätzlich handelt.

Damit entstünde eine Lücke für Fälle, in denen bspw. jemand durch Täuschung dafür sorgt, dass eine falsche öffentliche Urkunde erstellt wird. Um dies aufzufangen, gibt es § 271 Abs. 1, der genau solche Konstellationen für strafbar erklärt.

§ 271 Abs. 2: Gebrauchen einer falschen Beurkundung

§ 271 Abs. 2 stellt schließlich auch das Verwenden einer solchen falschen Beurkundung unter Strafe:

Ebenso wird bestraft, wer eine falsche Beurkundung oder Datenspeicherung der in Absatz 1 bezeichneten Art zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

Da es sich um keine falsche Urkunde im Sinne des § 267 handelt, liegt keine Strafbarkeit nach § 267 Abs. 1, dritte Variante vor. Daher braucht es eine eigene Vorschrift.

§ 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Nr. 4: Urkundenfälschung durch einen Amtsträger

Diese Vorschrift irritiert, stellt sie doch eine durch einen Amtsträger begangene Urkundenfälschung unter eine höhere Strafe:

In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
4. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

Dabei hieß es doch vorhin, dass die Falschbeurkundung im Amt gerade keine Urkundenfälschung ist. Das ist richtig. Es bedeutet aber nicht, dass ein Amtsträger gar keine Urkundenfälschung begehen kann. Ein Beamter kann bspw. durch Entwendung eines Amtssiegels und Fälschung der Unterschrift des Behördenleiters eine Urkunde erzeugen, die er selbst nicht verfassen dürfte. Dann täuscht er über den Aussteller und begeht somit eine ganz normale Urkundenfälschung.

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