Die Tötung eines Tieres als Sachbeschädigung? (II)

Im letzten Artikel ging es darum, die anzuwendenden Strafvorschriften bei der Tötung eines Tieres darzulegen. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass § 17 TierSchG die tierschutzrechtlichen Belange, § 303 StGB dagegen das fremde Eigentum schützt.

Nun kann es aber sein, dass die Tötung aus bestimmten Gründen erfolgt oder andere Sonderfälle vorliegen. Diese können die Strafbarkeit entfallen lassen, sind aber nicht ganz so einfach zu überblicken.

Fall 5: Der Eigentümer E des aggressiven Hundes hetzt diesen auf seinen Nachbarn N. Um seine Gesundheit zu schützen, tötet dieser den Hund.

Der Tatbestand einer Sachbeschädigung liegt weiterhin vor. Denn der N hat eine fremde Sache, den Hund des E, zerstört. Allerdings ist er aufgrund Notwehr gerechtfertigt. § 33 StGB sagt:

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Dabei muss man freilich beachten, dass nur ein Angriff eines anderen Menschen zur Notwehr berechtigt, nicht der Angriff des Hundes; gegen Tiere kann man keine Notwehr üben. Hier liegt aber ein Angriff des E vor, da dieser seinen Hund wie eine Waffe eingesetzt hat. Ob er einen Baseballschläger, eine Pistole oder einen Hund verwendet, um jemanden zu verletzen, macht insoweit keinen Unterschied – er ist immer selbst der Angreifer.

Und gegen diesen Angriff kann er sich mit dem mildesten zur Verfügung stehenden Mittel wehren, dies war hier – so unterstellen wir – die Tötung des Hundes. Dadurch entfällt die Rechtswidrigkeit, es handelt sich also um eine legale Sachbeschädigung, die nicht strafbar ist.

Dies gilt prinzipiell auch für den Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. So weit muss man hier aber gar nicht gehen. Denn § 17 Nr. 1 TierSchG sagt bereits, dass es nur strafbar ist, ein Tier „ohne vernünftigen Grund“ zu töten. Die Abwehr eines Angriffs ist aber bereits ein vernünftiger Grund, sodass man bereits den Tatbestand nicht erfüllt. Eine im Grundsatz strafbare Handlung, die später erst durch Notwehr legalisiert werden müsste, ist also gar nicht vorhanden.

Fall 6: Der aggressive Hund des Eigentümers E reißt sich, ohne dass der E dies wollte oder fahrlässig ermöglicht hat, los und greift den Nachbarn N an. Um seine Gesundheit zu schützen, tötet dieser den Hund.

In diesem Fall scheidet, wie man bereits an der Konstruktion des Sachverhalts sieht, ein Angriff explizit aus, da kein Mensch gehandelt hat und Notwehr gegen ein Tier, siehe oben, nicht möglich ist. Allerdings gibt es eine Rechtfertigung in § 228 BGB:

Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht.

„Nicht widerrechtlich“ bedeutet wiederum, dass die Tat gerechtfertigt ist, die Rechtswidrigkeit entfällt und somit eine straflose legale Sachbeschädigung vorliegt. Dass diese Norm im BGB steht, ändert nichts an ihrer Anwendbarkeit im Strafrecht. Denn was zivilrechtlich erlaubt ist, kann erst recht nicht strafbar sein.

Und tatsächlich hat der N hier eine von der „Sache Hund“ ausgehende Gefahr abgewendet. Die im Gegensatz zur Notwehr hier notwendige Verhältnismäßigkeitsprüfung fällt auch zu seinen Gunsten aus, da Leib und Leben eines Menschen rechtlich höherwertig sind als das Leben eines Tiers.

Fall 7: Eigentümer E bittet seinen Nachbarn N, mit dem Hund des E spazierenzugehen, was N auch gerne tut. In einem Waldstück treffen die beiden plötzlich auf einen aggressiven Braunbären, der die beiden sofort angreift. N gelingt es, den Hund in Richtung des Bären zu hetzen. Während die beiden kämpfen, kann N weglaufen und sein Leben retten. Der Hund hat, wie N von vornherein klar, keine Chance gegen den Bären und wird getötet.

Im Gegensatz zu Fall 5 lag hier keine Notwehr vor, da kein Mensch angegriffen hat. Im Gegensatz zu Fall 6 ist aber auch § 228 BGB nicht erfüllt, da vom getöteten Hund keine Gefahr ausging. Er hat den Hund vielmehr als Werkzeug verwendet, um sich zu verteidigen und dabei dessen Tötung in Kauf genommen. Diesen Fall behandelt § 34:

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.

N hat also eine Tat (Sachbeschädigung) begangen, um sein Leben und seine Gesundheit zu verteidigen. Diese Rechtsgüter überwiegen das Eigentum des E an seinem Hund deutlich. Auch der Verstoß gegen das Tierschutzgesetz würde so gerechtfertigt, das Leib und Leben des N gegenüber dem hier relevanten Leben des Hundes deutlich überwiegen. Aber auch hier liegt wiederum ein vernünftiger Grund vor, der schon den Tatbestand entfallen lässt.

Fall 8: Der Täter versucht, den Hund seines Nachbarn zu töten, dieser wird jedoch nicht einmal verletzt.

Im deutschen Strafrecht ist der Versuch einer Straftat nicht immer strafbar. Gemäß § 23 Abs. 1 sind nur Versuche von Verbrechen strafbar, Versuche von Vergehen dagegen nur, wenn dies ausdrücklich im Gesetz festgelegt ist. Verbrechen sind Straftaten, bei denen die Mindeststrafe bei wenigstens einem Jahr Gefängnis liegt (§ 12 Abs. 1). Sowohl Sachbeschädigung als auch Tötung eines Wirbeltiers haben überhaupt keine besondere Mindeststrafe und sind damit lediglich Vergehen.

Die Frage ist also, ob für diese Straftaten die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich angeordnet ist. Bei der Sachbeschädigung ist dies der Fall (§ 303 Abs. 3 StGB), bei der Tötung eines Wirbeltiers dagegen nicht.

Damit ist der Täter hier nur wegen versuchter Sachbeschädigung strafbar.

Fall 9: Der Täter überfährt aus Versehen den Hund seines Nachbarn.

Zwar steht weder in § 303 StGB noch in § 17 TierSchG, ob sie nun für vorsätzliches oder fahrlässiges Tun anwendbar sind. Es stehen nur objektive Handlungen in den Paragraphen: Beschädigen, Zerstören und Töten.

§ 15 StGB regelt dies aber allgemein:
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

Beide Straftatbestände sind also nur für vorsätzliche Begehungsweisen gedacht. Es gibt auch keine anderen Strafnormen, die eine fahrlässige Sachbeschädigung oder eine fahrlässige Tiertötung unter Strafe stellen.

Der Täter ist in diesem Fall also überhaupt nicht strafbar.

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