„Ich fühle meine Rechte nicht beschränkt oder bedroht.“
Ein solcher Button wird gerade eifrig über Soziale Medien geteilt. Grundaussage soll also sein, dass die Corona-Maßnahmen des Staates die Rechte der Bürger gar nicht einschränken. Zumindest fühlt man das.
Corona-Regeln greifen in viele Grundrechte ein
Gefühle sind freilich etwas Schönes. Sie sollten aber auch eine gewisse Verbindung zur Realität wahren. Und selbstverständlich bedeuten praktisch alle Gebote und Verbote, die der Gesetzgeber und die Regierungen im Hinblick auf die Pandemiebekämpfung erlassen haben, Eingriffe in Grundrechte:
- Eine Ausgangssperre beschränkt die persönliche Freiheit, die Freizügigkeit oder jedenfalls die Handlungsfreiheit.
- Die Verpflichtung, sich auf eine Corona-Infektion testen zu lassen, greift in die körperliche Unversehrtheit ein.
- Das Öffnungsverbot für Restaurants schränkt die Berufsfreiheit und das Eigentum des Gastwirts ein.
- Kontaktverbote auch innerhalb der Verwandtschaft berühren den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie.
- Demonstrationsverbote stellen einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar.
- Meldungen an Gesundheitsbehörden berühren das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
- Die Religionsfreiheit wird eingeschränkt, wenn die Durchführung von Gottesdiensten reguliert werden.
- Kontrollrechte für Gesundheitsbehörden können in die Rechte des Wohnungsinhabers eingreifen.
All das sind Grundrechtseingriffe. Ohne jeden Zweifel. Die Grundrechte sollen vor solchen Maßregeln des Staates schützen. Und wenn der Staat trotzdem solche Vorschriften einführt, dann werden die Grundrechte beschränkt.
Behörden und Gerichte bestätigen Eingriffe
Aber glauben Sie nicht mir, hören Sie sich an, was andere Autoritäten dazu sagen:
- „Daher bedeutet das Verbot dieser Feier [Ostergottesdienst] einen überaus schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.“ (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.04.2020, Az. 1 BvQ 28/20, Rdnr. 11)
- „Dieses Virus ist eine Zumutung für unsere Demokratie. Deshalb machen wir es uns natürlich mit den Beschränkungen von Grundrechten nicht einfach und deshalb sollen sie so kurz wie möglich sein. Aber sie waren notwendig.“ (Angela Merkel, Pressemitteilung vom 23.05.2020)
- „Die bisher maßgeblich auf Grundlage der §§ 28 ff., 32 IfSG getroffenen notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie führen teilweise zu erheblichen Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten.“ (Gesetzesentwurf zur IfSG-Neufassung, Bundestags-Drucksache 19/23944, Seite 2)
- „Es steht außer Frage, dass Vorschriften der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – zum Teil ganz erheblich – in den Schutzbereich von Freiheitsgrundrechten der Bayerischen Verfassung eingreifen.“ (Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 17.12.2020, Az. Vf. 110-VII-20, Rdnr. 16)
Eingriffe können gerechtfertigt sein
Das Gefühl, dass das alles keine Eingriffe in Grundrechte sein sollen, kommt wohl von dem Bewusstsein, dass diese Maßnahmen jedenfalls in Teilen sinnvoll und gerechtfertigt sind. Und genau darum sind die Grundrechtseingriffe auch nicht automatisch unrechtmäßige Grundrechtsverletzungen.
Das Gefühl, dass der Staat „nichts Schlimmes tut“, ist freilich ehrenhaft. Es sollte aber nicht jede Wachsamkeit dahin gehend, dass unsere Rechte eingeschränkt werden, verdrängen.