LG Tübingen (5 T 232 / 16) – wie geht’s weiter?

scale-310471_1280Nachdem der GEZ-Beschluss des Tübinger Landgerichts vom 16.09.2016 (Az. 5 T 232/16) für Furore gesagt, stellt sich nun für viele Rundfunkbeitragspflichtige die Frage, was das Urteil für sie selbst bedeutet. Einige der häufigsten Fragen dazu wollen wir hier beantworten.

Kann man bereits jetzt sagen, welche Bedeutung der Beschluss haben wird?

Nein. Alle Bewertungen dazu – auch die, die sie gerade lesen – sind im Wesentlichen Spekulationen. Wir haben bisher den Beschluss vorliegen, viele Juristen haben ihn bereits gelesen und kompetent analysiert, aber noch niemand kann hundertprozentig sagen, was die weitere Praxis daraus machen wird.

Was hat das LG Tübingen denn genau gesagt?

Im Wesentlichen wurde dem Südwestrundfunk die Behördeneigenschaft abgesprochen, da dieser als Betreiber von Radio- und Fernsehprogramm wirtschaftlich tätig und damit ein Privatunternehmen sei. Dies hat bestimmte Folgen für die Art und Weise, wie der SWR seine Forderungen vollstrecken muss, sodass die vom Gericht zu prüfende Vollstreckung als unrechtmäßig beurteilt wurde.

Wie geht es in dieser Sache weiter?

Das Tübinger Landgericht hat die Rechtsbeschwerde (eine Art Revision) zum Bundesgerichtshof zugelassen. Man kann mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass der SWR dies nutzen und die Entscheidung nicht rechtskräftig werden lässt.

Wie der BGH entscheidet, kann man freilich nicht vorhersagen. Allerdings er bisher alle Urteile, mit denen das LG Tübingen die GEZ geärgert hat, in letzter Instanz kassiert.

Gilt das Tübinger Urteil nun bundesweit?

Jedes Urteil gilt grundsätzlich nur inter pares, also zwischen den Parteien, die vor Gericht standen. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die fünfte Tübinger Zivilkammer bei einer ähnlichen Konstellation wieder zu einem ähnlichen Urteil kommen würde.

Andere Landgerichte sind aber an das Urteil nicht gebunden. Es gibt in Deutschland derzeit 115 Landgerichte, von denen 114 anderer Ansicht als das LG Tübingen sind. Überall dort wird man mit dieser Argumentation wenig Erfolg haben – wobei freilich nicht völlig auszuschließen ist, dass sich der eine oder andere Richter der Tübinger Ansicht noch anschließen wird.

Wann ist das LG Tübingen für mich zuständig?

Das Landgericht Tübingen ist Beschwerdeinstanz für alle Amtsgerichte seines Bezirks (§ 72 Abs. 1 GVG), dies sind die AG Bad Urach, Calw, Münsingen, Nagold, Reutlingen, Rottenburg und Tübingen. Damit ist es zuständig für alle Vollstreckungssachen in den baden-württemberger Landkreisen Calw, Reutlingen und Tübingen.

Muss die Rundfunkanstalt nicht erst mit mir einen Vertrag schließen, bevor sie als Privatunternehmen Rechnungen verschicken darf?

Nein, sogar, wenn man die Anstalten als Unternehmen begreift, wären sie immer noch beliehene Unternehmen, die ihre Tätigkeit aufgrund der Ermächtigungen in den Rundfunkstaatsverträgen ausüben würden. Ihre Ansprüche bestimmen sich auch dann aus der gesetzlichen Zahlungspflicht gemäß Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, nicht aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis. Der Staat hat beschlossen, dass man zahlen muss – und dann ist es egal, ob der Anspruchsinhaber eine Behörde oder ein Unternehmen ist.

Muss ich also immer noch Rundfunkbeitrag bezahlen?

Ja, daran hat das Gericht ausdrücklich keinen Zweifel gelassen (Abschnitt VII.):

Der Schuldner wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung auf vollstreckungsrechtlichen Gründen beruht und die materiellrechtliche Beitragspflicht – entsprechend ständiger verfassungs- und verwaltungsrichterlicher Rechtsprechung – davon nicht berührt wird.

Die Durchsetzung der Forderung wäre aber durch diesen Beschluss (soweit das dann zuständige Gericht ihm folgt, siehe oben) etwas erschwert.

Ist die GEZ nun am Ende?

Nein, das kann man so nicht sagen. Sogar, wenn sich die Tübinger Auffassung durchsetzen sollte, müsste der „Beitragsservice“ seine Forderungen dann eben anders titulieren, nämlich so wie jedes Unternehmen und jede Privatperson auch. Konkret müsste jeder Nichtzahler zunächst auf dem Zivilrechtsweg verklagt werden und dann aus dem Urteil vollstreckt werden. Zunächst könnte auch die einfachere Methode gewählt werden, einen Mahnbescheid zu beantragen und dann aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts zu vollstrecken.

Im Übrigen kann man davon ausgehen, dass die Politik, die mit überwältigender Mehrheit hinter dem Staatsrundfunk steht, alles Notwendige tun wird, um die Vollstreckbarkeit der Beiträge sicherzustellen. Im Extremfall werden eben die Staatsverträge dazu geändert.

Wie soll ich jetzt vorgehen?

Die Alternative ist die gleiche, wie zuvor auch: Zahlen oder nicht.

Man muss sich natürlich im Klaren sein, dass sich an der materiellen Zahlungspflicht nichts ändert. Der Rundfunkbeitrag muss gezahlt werden, ansonsten laufen Schulden auf. Zudem begeht man durch das Nichtzahlen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 12 Rundfunkstaatsvertrag, die jedoch regelmäßig nicht verfolgt wird.

Sofern man sich bereits im Vollstreckungsverfahren befindet, kann man selbstverständlich auf das Tübinger Urteil verweisen. Ob die Vollstreckungsorgane dieses als für sich relevant ansehen, ist eine andere Frage – die Entscheidung gilt ja, wie oben beschrieben, nur zwischen den Parteien.

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