Immer wieder wird der Mythos beschworen, Bayern (genauer gesagt: der bayerische Landtag bzw. die CSU-Mehrheit) hätte das Grundgesetz abgelehnt. Das ist völliger Unsinn.
Richtig ist, dass der bayerische Landtag am 19. Mai 1949 das „Bonner Grundgesetz“ diskutierte und nach lebhafter Debatte am frühen Morgen des 20. Mai gegen das GG als Verfassung für den potentiellen neuen deutschen Staat stimmte. Aber noch in derselben Sitzung, nur wenige Stunden später, wurde entscheiden, dass das Grundgesetz trotzdem auch in Bayern gelten solle.
Zwei-Drittel-Mehrheit der Länder war erreicht
Aus diesem Taschenspielertrick kann man nicht einmal den Hauch einer Ablehnung konstruieren. Es war völlig klar, dass die laut Art. 144 Abs. 1 GG notwendigen zwei Drittel der Länderparlamente zustimmen würden, das Grundgesetz also in Kraft treten würde. Eine Verwerfung des GG-Entwurfs konnte Bayerns Pro-forma-„Ablehnung“ damit schon gar nicht herbeiführen. Die zweite Abstimmung bedeutete damit, dass das Grundgesetz, dessen Verabschiedung durch genügend andere Länder feststand, sich auch auf Bayern erstrecken würde.
Weder juristisch noch tatsächlich ergibt sich daraus der geringste Unterschied zu einer unmittelbaren Zustimmung gleich in der ersten Abstimmung. Auch so wurde Bayern ein Teil der Bundesrepublik mit dem Grundgesetz als in allen Ländern geltender Bundesverfassung. Hätte sich Bayern dagegen entschieden, wäre es – wie fast immer in seiner Geschichte – ein unabhängiger Staat geblieben.
Dadurch, dass beide Abstimmungen unmittelbar nacheinander erfolgten, war nicht einmal mehr die Möglichkeit gegeben, die vielen damaligen (und größtenteils noch heute aktuellen) Kritikpunkte am Grundgesetz durch Nachverhandlungen abzuarbeiten. Die Doppelabstimmung bedeutet also: Wir sind dagegen, aber wir akzeptieren es.