Heute vor 100 Jahren fand das Attentat von Sarajevo statt. Franz Ferdinand von Österreich-Este, Kronprinz des österreichischen Kaisertums, und seine Ehefrau Sophie wurden vom Serben Gavrilo Princip erschossen. So willkommen dieser Anlass insbesondere für das preußisch-deutsche Reich war, einen Krieg zu beginnen, so bemerkenswert nüchtern war doch die juristische Reaktion seitens der Donaumonarchie.
Wenngleich es einen gewissen Drucks seitens der Militärs gab, die Täter vor ein Kriegsgericht zu stellen und im wahrsten Sinne des Wortes „kurzen Prozess“ zu machen, entschied man sich doch für eine ausschließlich an Recht und Gesetz orientierte Verfolgung der Verdächtigen. Und so fand die Verhandlung über den Mord am Thronfolger einer Weltmacht vor dem zivilen Kreisgericht in der Provinzstadt Sarajevo statt.
Um mit dem Ergebnis zu beginnen: Es wurden drei Todesurteile gefällt und diese Verurteilten wurden auch sieben Monate später hingerichtet. Wenngleich die Todesstrafe heute aus den Gesetzbüchern fast aller westlicher Staaten getilgt wurde, entsprach sie ganz und gar dem damaligen Recht. Das österreichische Strafgesetz von 1852 sah für diesen Mord als einzige mögliche Strafe die Todesstrafe vor.
§ 134:
Wer gegen einen Menschen, in der Absicht, ihn zu tödten, auf eine solche Art handelt, daß daraus dessen oder eines anderen Menschen Tod erfolgte, macht sich des Verbrechens des Mordes schuldig
§ 136:
Jeder vollbrachte Mord soll (…) mit dem Tode bestraft werden.
Eine besondere Ironie der Rechtsgeschichte ist wohl darin zu sehen, dass das damalige österreichische Strafrecht noch nachsichtiger war als es heute internationalen Standards entspricht: Für Personen unter 20 Jahren galt das Jugendstrafrecht, wonach die Todesstrafe und lebenslange Freiheitsstrafe unzulässig waren.
§ 52 Satz 2:
Wenn jedoch der Verbrecher zur Zeit des begangenen Verbrechens das Alter von zwanzig Jahren noch nicht zurückgelegt hat, so ist anstatt der Todes- oder lebenslangen Kerkerstrafe auf schweren Kerker zwischen zehn und zwanzig Jahren zu erkennen.
Viele der hauptsächlich jungen Beteiligten am Attentat profitierten davon, darunter ironischerweise auch der ausführende Schütze Gavrilo Princip. Er erhielt die Höchststrafe von 20 Jahren, andere Angeklagte wurden ebenfalls zu langen Freiheitsstrafen verurteilt.
Freilich muss man dabei konstatieren, dass es den Mächtigen von Haus aus weniger um die eigentlichen Täter als um die (wirklichen oder scheinbaren) Drahtzieher, die man in den höchsten Regierungskreisen fremder Staaten wähnte. Und es darf auch nicht vergessen werden, dass einige der Verurteilten ihre Inhaftierung (auch aufgrund der absichtlich schlechten Unterbringung, Versorgung und Verpflegung) nicht überlebten. Aber man muss es den verantwortlichen Juristen sicher hoch anrechnen, dass sie nicht nach Staatsräson, sondern nach Recht und Gesetz vorgegangen sind.