Argument 861

Auch in den USA gibt es Bürger, die eher ungern Steuern zahlen. Aber neben den üblichen Abschreibungs-, Anrechnungs- und anderen Steuersparmodellen gibt es auch noch die sogenannten „tax protestors“. Diese versuchen nicht, innerhalb des bestehenden Rechts die möglichst günstigste Steuergestaltung für sich herauszuholen, sondern gehen von der Ungültigkeit von Steuergesetzen aus oder davon, dass diese einen völlig anderen Inhalt haben als der Gesetzgeber, sämtliche Juristen und die Rechtsprechung meinen.

Und weil wir hier desöfteren schlechte juristische Argumentation beleuchten, widmen wir uns auch dieser Diskussion in der gebotenen kurzen Weise. Heute soll es um eine ganz spezielle These gehen, das sogenannte Argument 861.

Titel 26 der US-Bundesgesetze behandelt das Steuerrecht. In Unterkapitel A geht es dabei um die verschiedenen Gegenstände der Besteuerung. § 63 (in amerikanischer Schreibweise: 26 U.S.C. 63) erklärt praktisch jede Form von Einkommen für steuerpflichtig. Unterkapitel N beschäftigt sich dagegen mit Fragen der Doppelbesteuerung und legt fest, welche Einkünfte als inländisch und welche als ausländisch gelten. § 861 definiert die für die Besteuerung innerhalb der USA als „Inländisch“ anzusehenden Einnahmen und legt dabei nicht einen umfassenden Einkommensbegriff zugrunde, sondern zählt die verschiedenen Einkommensarten explizit auf.

Das Argument 861 geht nun davon aus, dass nur das unter § 861 fallende Einkommen überhaupt versteuert werden muss. Dabei übersehen die Tax Protestors zum einen, dass Unterkapitel N in aller Regel nur für Ausländer relevant ist, während sich die Steuerpflicht von US-Bürgern bereits nach Unterkapitel A bemisst und diese Einschränkungen damit für sie nicht relevant sind. Und sogar, wenn § 861 auf sie anwendbar wäre, wären die meisten Einnahmearten wie Zinsen, Dividenden und Arbeitseinkommen sehr wohl von der Steuerpflicht umfasst.

Wie so häufig bei falscher juristischer Argumentation wird also nicht nur eine nicht anwendbare Vorschrift herangezogen, sie wird auch noch entgegen ihrem Wortlaut interpretiert.

Der Internal Revenue Service (IRS, das US-Finanzamt) hat aber wenig Humor in dieser Richtung. Wer wegen seiner juristischen Fehlvorstellungen keine Steuererklärung abgibt oder zu wenig versteuert, kann leicht im Gefängnis landen.

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