Die Zurücknahme eines Strafantrags

Zuletzt haben wir erklärt, dass eine Strafanzeige nicht zurückgenommen werden kann. Daneben gibt es aber auch den so ähnlich klingenden Strafantrag. Strafanzeige und -antrag werden häufig verwechselt oder von vornherein nicht unterschieden. Teilweise wird auch – sprachlich durchaus nachvollziehbar – geglaubt, eine Anzeige sei nur ein unverbindlicher Hinweis, während ein Antrag etwas ist, auf dessen Erledigung man ein Recht hat, wie etwa auf einen Bauantrag.

Tatsächlich ist ein Strafantrag nur relativ selten notwendig. Nämlich dann, wenn eine Straftat begangen wurde, die praktisch ausschließlich in Rechte des Geschädigten eingreift und die Rechtsordnung insgesamt nicht beschädigt. Dann muss dieser Geschädigte einen Antrag stellen, dass die Staatsanwaltschaft auch tatsächlich eingreift. Hat er kein Interesse daran, dann interessieren sich auch die Strafverfolgungsbehörden nicht dafür und die Tat bleibt strafrechtlich ungesühnt.

Bei einer Beleidigung (§ 185 StGB) ist dies beispielsweise so, ebenso beim Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) oder auch bei einem Diebstahl zwischen Verwandten (§ 247 StGB). Hier heißt es im StGB zum Beispiel (§ 194 Abs. 1 Satz 1):

Die Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt.

Anders ist es dagegen bei schweren Straftaten, zum Beispiel bei einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), einer Vergewaltigung (§ 177 StGB) oder gar einem Tötungsdelikt. Diese Delikte werden natürlich immer verfolgt, wenn sie der Staatsanwaltschaft bekannt werden. Man bezeichnet sie daher als Offizialdelikte.

Und dann gibt es noch die sogenannten relativen Antragsdelikte. Diese werden grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt, sofern kein öffentliches Interesse daran besteht, sie auch ohne Antrag zu verfolgen. § 230 Abs. 1 Satz 1 sieht zum Beispiel für leichte und unabsichtliche Körperverletzungen eine solche relative Antragsvoraussetzung vor:

Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Ob ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt, entscheidet die Staatsanwaltschaft, ohne dass dies gerichtlich überprüfbar wäre. Kriterien sind zum Beispiel, wie schwer die Tat ist, welche Hintergründe gegeben sind und ob der Täter vorbestraft ist. Sollte der Geschädigte ausdrücklich sagen, dass er keinen Wert auf Strafverfolgung legt, ist dies freilich auch ein Aspekt, der zu berücksichtigen ist.

Sofern ein Antrag notwendig ist, kann dieser innerhalb von drei Monaten gestellt werden (§ 77b Abs. 1 Satz 1 StGB), und zwar „bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich“ (§ 158 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung). Im Gegensatz zur Strafanzeige ist dies aber keine Mitteilung darüber, dass eine Straftat begangen wurde, sondern es ist eben die Aufforderung des Geschädigten an den Staatsanwalt, einzuschreiten. Der Geschädigte sagt damit nichts zur Tat aus, er behauptet allein durch den Antrag nicht einmal, dass überhaupt ein Vergehen begangen wurde. Nur, für den Fall, dass eine Straftat vorliegt, möchte er sie verfolgt sehen.

Das ist allein der Wille des Geschädigten, der hier maßgeblich ist. Dementsprechend kann er seine Meinung jederzeit ändern und es bedarf keiner Begründung, einen Strafantrag zurückzuziehen. § 77d Abs. 1 des Strafgesetzbuches sieht die Möglichkeit einer Rücknahme ausdrücklich vor:

Der Antrag kann zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erklärt werden. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden.

Wir erinnern uns: Eine Strafanzeige kann deswegen nicht zurückgenommen werden, weil sie den Beamten nur Kenntnis von einer Straftat vermittelt und ihnen diese Kenntnis nicht mehr genommen werden kann. Auch beim Strafantrag bleibt es natürlich bei der Kenntnis der Staatsanwaltschaft. Nur kann sie bei einem absoluten Antragsdelikt, auch, wenn völlig klar ist, dass die Straftat begangen wurde und die Schuld des Täters unumstößlich feststeht, das Verfahren nicht weiter betreiben, sondern muss es einstellen. Anders ist es dagegen beim relativen Antragsdelikt, da bleibt der Verdacht der Sache nach bestehen, allerdings muss sich die Staatsanwaltschaft fragen, ob die die Tat wegen des erwähnten öffentlichen Interesses weiter verfolgen will oder nicht.

Natürlich können Strafanzeige und Strafantrag auch miteinander verbunden werden. Das ist sogar die Regel, weil das Opfer häufig der einzige Zeuge der Tat ist. Das klingt dann ungefähr so:

Ich zeige an, dass mich Herr X gestern als Vollidioten bezeichnet hat und stelle Strafantrag wegen Beleidigung.

Erklärt der Geschädigte nun, dass er seine Behauptung, beleidigt worden zu sein, zurückzieht, handelt es sich möglicherweise um eine falsche Verdächtigung. Zieht er dagegen nur den Strafantrag zurück, verliert das Verfahren seine Grundlage und die Ermittlung der Wahrheit ist insoweit nicht mehr relevant. Allenfalls könnte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung gegen den angeblich Beleidigten einleiten, wenn sie außerdem noch Anhaltspunkte hat, dass er gelogen hat. Die Zurücknahme des Strafantrags alleine ist aber kein Grund.

Abschließend muss man noch sagen, dass der Antragsteller dann in aller Regel gemäß § 470 StPO auf den Verfahrenskosten sitzenbleibt:

Wird das Verfahren wegen Zurücknahme des Antrags, durch den es bedingt war, eingestellt, so hat der Antragsteller die Kosten sowie die dem Beschuldigten (…) erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Das ist natürlich naheliegend, dass der, der zuerst ein Verfahren wollte, es sich dann aber anders überlegt hat, auch für die sinnlos entstandenen Kosten aufkommen muss. Da sich der Beschuldigte aber häufig tatsächlich strafbar gemacht hat, gibt es auch die Möglichkeit, dass dieser einwilligt, die Kosten zu übernehmen – quasi als Gegenleistung dafür, dass er nun nicht mehr verurteilt werden kann:

Sie können dem Angeklagten oder einem Nebenbeteiligten auferlegt werden, soweit er sich zur Übernahme bereit erklärt

Und schließlich ist auch noch möglich, dass die Verfahrenkosten durch den Fiskus getragen werden:

der Staatskasse, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.

Das ist aber überaus selten, da der Staat sich ungern selbst die Rechnung schickt.

Auch beim Strafantrag sollte man sich also von Anfang an gut überlegen, was man eigentlich will.

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