Die Zustellung im Zivilprozess

Im Zivilprozess haben Schriftsätze – trotz des an sich geltenden Mündlichkeitsprinzips – eine immense Bedeutung. Die Parteien legen ihre Ansicht hauptsächlich dadurch dar und beziehen sich im Prozess meist nur noch darauf. Darum ist es wichtig, sicherzustellen, dass diese Dokumente den Gegner auch tatsächlich erreichen. Zumindest für die wichtigsten Schriftstücke sieht die ZPO daher eine förmliche Zustellung vor. Die Arten dafür sind aber mannigfaltig:

Grundnorm ist § 168 ZPO, der mehrere Möglichkeiten vorsieht, wer sich um die Zustellung kümmert:

  • die Geschäftsstelle des Gerichts selbst (§§ 168 Abs. 1 Satz 1, 173 bis 175
  • die Post (§§ 168 Abs. 1 Satz 2, 176 bis 181)
  • weniger relevant: durch Justizbediensteten (§ 168 Abs. 1 Satz 2) oder Gerichtsvollzieher/andere Behörde (§ 168 Abs. 2)

Führt die Geschäftsstelle die Zustellung selbst aus, so hat sie folgende Möglichkeiten, die alle nebeneinander stehen; die Geschäftsstelle entscheidet sich also nach Praktikabilitätserwägungen für eine davon:

  • Aushändigung im Gericht (§ 173), wenn also der Zustellungsempfänger sowieso gerade vor Ort ist. Dies bietet sich vor allem bei der Zustellung an Anwälte an, die in anderen Verfahren ohnehin öfters im Gericht sind.
  • Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 174). Hier wird dem Schriftstück ein Vordruck beigefügt, den der Empfänger selbst ausfüllt und zurückschickt. Das ermöglicht die Versendung z.B. per Fax oder E-Mail, setzt aber voraus, dass der Empfänger ehrlicherweise den Empfang bestätigt. Daher erfolgt diese Zustellung nur an „einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts“.
  • Die Zustellung als Einschreiben mit Rückschein (§ 175) zählt auch zu den Zustellungen durch die Geschäftsstelle, weil diese es ist, die die Versendung auf den Weg gibt und den Rückschein vorausfüllt. Dass die Post es dann ist, die den Einwurf ausführt, darf nicht mit den folgenden Varianten verwechselt werden, in denen die Post selbst die Zustellung vornimmt.

Die Post (oder ein Justizbediensteter, der Gerichtsvollzieher oder eine andere Behörde) hat verschiedene Optionen, die aber in einem Stufenverhältnis zueinander stehen:

  1. Grundsätzlich erfolgt die Zustellung durch persönliche Übergabe (§ 177), die aber an jedem beliebigen Ort durchgeführt werden kann. Weiß also der Postbote, welches Wirtshaus der Adressat regelmäßig besucht, darf er ihm das Dokument dort am Tresen übergeben.
  2. Da aber die Menschen erfahrungsgemäß am ehesten zu Hause oder in ihren Geschäftsräumen zu erreichen sind, geht § 178 davon aus, dass der Postbote sie im Rahmen seiner üblichen Tour dort aufsuchen wird. Wenn er sie da dann aber nicht antrifft, kann er das Schriftstück auch einem Familienmitglied oder einem Angestellten übergeben, damit es dann weitergegeben wird.
  3. Wird die Annahme durch den Empfänger (Punkt 1) bzw. durch seine Angehörigen/Angestellten (Punkt 2) verweigert, kann das Dokument in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen zurückgelassen werden, § 179. Diese Vorschrift setzt offenbar voraus, dass der Zustellende bereits im Raum steht, aber ihm niemand den Brief abnehmen will. Dann legt er den Umschlag einfach ab und geht wieder. Alternativ dazu ist aber auch der Einwurf in den Briefkasten möglich.
  4. Wird die Annahme zwar nicht verweigert, aber ist sie dennoch nicht möglich (weil z.B. niemand die Tür öffnet), ist gemäß § 180 ebenfalls Zustellung in den Briefkasten möglich.
  5. Ist auch das nicht möglich, weil es bspw. keinen Briefkasten gibt, der den Namen des Empfängers trägt, kann das Schriftstück auf einer Postfiliale oder beim Amtsgericht niedergelegt werden (§ 181). Davon soll eine Mitteilung an den Empfänger gemacht werden, z.B. indem ihm ein Hinweis an die Wohnungstür geklebt wird.
  6. Und wenn all das nichts hilft, dann gibt es noch die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung (§ 185). Dann wird das Schriftstück an der Gerichtstafel des Amtsgerichts ausgehängt (§ 186), zusätzlich kann noch eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder in Zeitungen erfolgen (§ 187). Auch das gilt nach Ablauf von einem Monat (§ 188) als Zustellung, wenngleich es höchst unwahrscheinlich ist, dass der Adressat diesen Brief oder die Anzeigen „zufällig“ lesen wird. Das ist, wie gesagt, die allerletzte Möglichkeit. Aber diese Möglichkeit muss man der anderen Partei einräumen, denn sonst wäre sie machtlos gegen jemanden, der einfach „abgetaucht“ ist.

Daneben gibt es noch einige ergänzende Vorschriften: So erklärt § 168, wie die Geschäftsstelle ihre Zustellung dokumentiert, § 182 legt den Inhalt der Zustellungsurkunde fest und regeln die §§ 183 und 184, wie ins Ausland zugestellt wird.

Während die ZPO im Allgemeinen davon ausgeht, dass an die Partei oder den Zeugen selbst zugestellt wird, gibt es noch einige Ausnahmen davon:

  • Bei nicht prozessfähigen Personen (z.B. Minderjährige oder Geschäftsunfähige) wird an den Vertreter zugestellt, § 170 Abs. 1. Das ist in der Regel ein Elternteil bzw. der Betreuer.
  • Bei Unternehmen, Vereinen, Behörden usw. (§ 170 Abs. 2) ist der „Leiter“, also bspw. der Vorstand oder der Behördenchef der Empfänger.
  • Lässt sich jemand vor Gericht vertreten (z.B. eine Firma durch ihren Prokuristen; Vertretung durch den Anwalt ist hier nicht gemeint), dann kann gemäß § 171 auch an diesen zugestellt werden.
  • Hat die Partei einen Anwalt – unabhängig davon, ob sie für das Verfahren unbedingt einen Anwalt braucht oder sich freiwillig einen genommen hat – müssen die Zustellungen an diesen erfolgen, § 172.
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