Das Gewaltschutzgesetz soll insbesondere Frauen vor Gewalttaten im Familien- und Bekanntenkreis schützen. Die weitreichenden Befugnisse, die Gerichte dafür haben, sind allerdings nicht unumstritten.
Hier finden Sie eine kurze Übersicht über das Gesetz und das Verfahren:
Seit wann gibt es das Gewaltschutzgesetz?
Das GewSchG wurde in dieser Form im Dezember 2001 erlassen und trat zum 1. Januar 2002 in Kraft.
Zuvor war es allerdings auch möglich, über § 1004 BGB Unterlassungsurteile zu erwirken, um sich gegen Rechtsverletzungen zu wehren. Diese Maßnahmen waren aber nicht so weitgehend und nicht so spezifisch wie das, was heute über das GewSchG möglich ist.
Außerdem hatte die Polizei nach den jeweiligen Landespolizeigesetzen auch vorher schon die Möglichkeit, zur Abwehr drohender Gefahren einzuschreiten.
Vor welcher Art von Gewalt schützt das Gewaltschutzgesetz?
§ 1 des GewSchG definiert die Voraussetzungen für Maßnahmen nach dem Gesetz:
- Körperverletzung (Abs. 1 Satz 1)
- Gesundheitsverletzung (Abs. 1 Satz 1)
- Freiheitsverletzung (Abs. 1 Satz 1)
- Drohung mit einer derartigen Verletzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1)
- Eindringen in Wohnung oder befriedetes Besitztum (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a)
- wiederholtes Nachstellen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 b)
- Verfolgung durch Fernkommunikationsmittel (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 b)
All diesen Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie widerrechtlich und vorsätzlich geschehen müssen. Ein unabsichtlicher Rempler reicht also ebensowenig wie bspw. das Schicken von Rechnungen oder Mahnungen.
Wie wird der Betroffene geschützt?
Das Gesetz sieht folgende Schutzmaßnahmen namentlich vor:
- Betretungsverbot für die Wohnung des Betroffenen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1)
- Verbot, sich der Wohnung zu nähern (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2)
- Verbot, bestimmte Orte aufzusuchen, z.B. Arbeitsplatz des Verletzten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3)
- Kontaktverbot (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4)
- Herbeiführen von Zusammentreffen auf andere Weise (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5)
- Überlassung der gemeinsamen Wohnung (§ 2)
Diese Maßnahmen sind aber nur beispielhaft. Daneben kann das Gericht je nach den besonderen Umständen des Falls „die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen“ treffen (§ 1 Abs 1 Satz 1).
Gilt das GewSchG nur im Familien-/Bekanntenkreis?
Nein. Zwar spielen sich die überaus meisten dieser Fälle innerhalb von Familien oder Lebensgemeinschaft ab, zwingend ist dies aber nicht. Das Gesetz gilt allgemein und ist nicht auf bestimmte Konstellationen beschränkt. So kann bspw. auch gegen einen rabiaten Nachbarn oder einen Stalker vorgegangen werden.
Wie werden die Schutzmaßnahmen festgelegt?
Die Festlegung erfolgt durch das Gericht. Zuständig ist gemäß § 111 Nr. 6 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) das Familiengericht beim Amtsgericht.
Wie kommt man schnell zu einer gerichtlichen Entscheidung?
Regelmäßig wird ein Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 49 FamFG) erlassen, da die Sache ihrer Natur nach eilbedürftig ist. Der Beschluss ergeht dann ohne mündliche Verhandlung und meist auch ohne vorherige Anhörung des Gegners – meist innerhalb weniger Tage nach Antragstellung.
Wie kann man sich gegen auferlegte Verbote wehren?
Die einstweilige Anordnung ist nicht mit den normalen Rechtsmitteln anfechtbar. Stattdessen kann man aber mündliche Verhandlung beantragen (§ 52 FamFG). In dieser Verhandlung, die gewöhnlich innerhalb von vier bis sechs Wochen stattfindet, kann man dann als Betroffener auch seine Sicht der Dinge darlegen, sodass der Richter unter Umständen zu einer anderen Entscheidung kommt.
Worauf gründet das Gericht seine Entscheidung?
§ 37 Abs. 1 FamFG sagt dazu salbungsvoll:
Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.
Das bedeutet ganz einfach, dass das Gericht alle Erkenntnisse und Beweise verwerten muss, aber grundsätzlich frei darin ist, wem es eher glaubt. Häufig steht dabei Aussage gegen Aussage – auch, wenn es bspw. Atteste über Verletzungen gibt, sagt dies noch nichts darüber aus, wer für diese Verletzung verantwortlich ist. Tendenziell kann man wohl davon ausgehen, dass die Gerichte vor allem im Eilverfahren eher den Antragstellern glauben, weil die möglichen Folgen, wenn ihnen nicht geglaubt wird, fatal sein können.
Was bedeutet eine Wohnungsüberlassung?
Eine Wohnungsüberlassung kommt nur in Betracht, wenn Täter und Opfer eine gemeinsame Wohnung bewohnt haben. In diesem Fall kann das Gericht gemäß § 2 GewSchG anordnen, dass der Täter diese Wohnung dem Opfer überlassen muss. Dadurch soll verhindert werden, dass das Opfer gezwungen ist, beim Täter zu bleiben, weil es nicht weiß, wohin.
Das geht allerdings nur, wenn ein Fall des § 1 Abs. 1 oder § 1 Abs. 2 Nr. 1 vorliegt, also bei Verletzungen oder Drohungen. Nicht erfasst sind dagegen das Eindringen in Besitztum, das Nachstellen und die Verfolgung durch Fernkommunikationsmittel – hier müssen die anderen Maßnahmen reichen.
Kann durch die Wohnungsüberlassung auch der Eigentümer aus seiner eigenen Wohnung geworfen werden?
Ja, auch das ist möglich. Eine Wohnungsüberlassung ist gemäß § 2 Abs. 2 GewSchG unabhängig vom Mietvertrag, vom Grundstückseigentum, vom Erbbaurecht, vom Nießbrauch, Wohnungseigentum, vom Dauerwohnrecht und vom dinglichen Wohnrecht. Eine gerichtliche Zuweisung „schlägt“ all diese normalen Rechte an der Wohnung. Dies wurde in der Diskussion über das Gesetz auch als zu weiter Eingriff in das Eigentumsrecht kritisiert.
Etwas abgemildert wird dies durch die Pflicht des Gerichts, die Überlassung auf eine gewisse Zeit zu befristen (Abs. 2) und durch ein der Billigkeit unterliegendes Recht auf Nutzungsentgelt für die Wohnung (Abs. 5).
Was bedeutet ein Kontaktverbot?
Ein Kontaktverbot kann sehr weitgehend sein und sowohl der direkten persönlichen Kontakt also auch Kommunikationsmittel aller Art umfassen. Häufig wird auch geregelt, dass man selbst bei zufälligem Zusammentreffen Abstand halten und weggehen muss. Auch sämtliche modernen Nachrichtendienste wie WhatsApp und Facebook werden oft ausdrücklich aufgelistet, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.
Wie kann man die antragstellende Person trotz eines Kontaktverbots erreichen?
Das Kontaktverbot gilt grundsätzlich nicht, wenn man mit dem Kontakt ein berechtigtes Interesse wahrnimmt. Dies kann gegeben sein, wenn der Verletzte bspw. noch Eigentum des angeblichen Täters besitzt, wenn es um Sorgerecht oder Scheidung geht, wenn man ein Schmerzensgeld zahlen oder sich entschuldigen will o.ä.
Allerdings besteht die Gefahr, dass die kontaktierte Person hierfür kein Verständnis hat und das als Verstoß gegen das Schutzgebot versteht. Dann können erhebliche Folgen drohen (siehe sogleich). Diese Gefahr trägt dann der vermeintliche Täter.
Daher empfiehlt es sich, derartige Kontaktaufnahmen nur über den Anwalt vorzunehmen. Dieser kann dann entweder den Anwalt der Gegenseite anschreiben oder auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens anzuregen, dass bestimmte Übereinkünfte erzielt werden. Problematisch ist es aber auch hier, wenn der Anwalt persönliche Briefe o.ä. übermittelt – denn der direkte Kontakt soll ja über alle Kommunikationsmittel unterbunden werden.
Was passiert bei Verstößen gegen die Schutzgebote?
Als Betroffener sollte man auf keinen Fall gegen die im Beschluss ausgesprochenen Verbote verstoßen. Folgen können sein:
- Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gemäß § 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG i.V.m. § 890 ZPO
- Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr gemäß § 4 GewSchG
- Schadenersatz und Schmerzensgeld
Ab wann gelten die Verbote?
Ab sofort. Es gibt auch kein Rechtsmittel, mit dem man die Geltung hinausschieben könnte.
Wie lang gelten die Verbote?
Alle Verbote werden regelmäßig befristet, die Dauer ergibt sich aus dem Beschluss. Mit Fristende treten sie automatisch außer Kraft, allerdings ist eine Verlängerung möglich.
Wie bekomme ich einen Beschluss gegen eine andere Person?
Wenn Sie selbst Opfer von Gewalt sind und sich von einer gerichtlichen Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz etwas erhoffen, können Sie einen entsprechenden Antrag auf der Rechtsantragsstelle Ihres zuständigen Familiengerichts stehen. Das Familiengericht ist Teil des Amtsgerichts, aber nicht zwingend im gleichen Gebäude untergebracht. Dies Adresse finden Sie über Internet-Suchmaschinen ohne Weiteres heraus. Dort wird Ihnen kompetent geholfen, insbesondere müssen Sie keinen perfekt formulierten Antrag stellen.
Bei schwierigeren Konstellationen sowie dann, wenn Sie sich nicht sicher gehen, welches Vorgehen in Ihrem speziellen Fall das richtige ist, schadet ein Gang zum Anwalt sicher nicht.
Wie soll ich reagieren, wenn ein Beschluss nach dem GewSchG gegen mich erlassen wird?
Ein Gewaltschutzbeschluss ist insofern äußerst ernst als er sofort beachtet werden muss. Der Betroffene muss sich also den Brief des Gerichts genau durchlesen, um alle verbotenen Handlungen zu verinnerlichen. Zuwiderhandlungen haben, siehe oben, erhebliche Folgen. Bei Unsicherheiten sollten Sie daher sofort einen Anwalt konsultieren.
Andererseits ist die Entscheidung des Gerichts noch lange nicht das letzte Wort in der Sache. Wenn man sich mit der regelmäßig als erstes erfolgenden einstweiligen Anordnung nicht abfinden will, kann man mündliche Verhandlung beantragen und seine Sicht darstellen. Häufig endet dies dann in einem Vergleich. Auch dafür ist aber anwaltliche Beratung vernünftig.
Die bisherigen und weitere Beiträge zum Gewaltschutzgesetz finden Sie in Kürze auf www.gewschg.de.