Bekanntlich ist die deutsche Staatsbürgerschaft für alle Deutschen dieselbe. Es gab einmal Zeiten, in denen dies anders war und die deutsche Staatsangehörigkeit nur von den Staatsangehörigkeiten der Länder abgeleitet war. Man war also beispielsweise Sachse und daraus abgeleitet auch Deutscher. Seit nunmehr 80 Jahren besteht die aktuelle Regelung und es gibt eben nur diese eine deutsche (seit 1990: bundesdeutsche) Staatsangehörigkeit.
Das gilt aber nur für den Bund, denn nur die Staatsangehörigkeit im Bund ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes überhaupt vom Bund zu regeln. Daraus folgt denklogisch, dass es auch eine Staatsangehörigkeit der Länder gibt. Eine solche sieht z. B. Bayern in Artikel 6 seiner Verfassung vor:
(1) Die Staatsangehörigkeit wird erworben
1. durch Geburt;
2. durch Legitimation;
3. durch Eheschließung;
4. durch Einbürgerung.(2) Die Staatsangehörigkeit kann nicht aberkannt werden.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz über die Staatsangehörigkeit.
In der Praxis spielt diese Staatsangehörigkeit keine Rolle, da gemäß Art. 8 der Bayerischen Verfassung und Art. 33 Abs. 1 des Grundgesetzes alle Deutschen in Bayern gleich zu behandeln sind. Darum hat man sich auch nicht lange aufgehalten, das Ausführungsgesetz nach Abs. 3 zu verabschieden, das das „Nähere über die Staatsangehörigkeit“ regelt. Damit ist es sehr schwierig, die bayerische Staatsangehörigkeit in der Praxis zu behandeln, da ziemlich unklar bleibt, wie und nach welchem Verfahren sie erworben und verloren wird. Nach absolut herrschender Meinung ändert das jedoch nichts daran, dass es eine bayerische Staatsangehörigkeit gemäß Verfassung gibt.
Wer also z. B. als Tochter bayerischer Eltern in Bayern geboren wird, ist Bayerin. Es mag einige Zweifelsfälle geben, vor allem, wenn sich die Staatsbürgerschaft nicht bis auf Vorfahren zurückführen lässt, die vor 1934 noch die „echte“ bayerische Staatsbürgerschaft besaßen. Mangels Relevanz gibt es auch nicht viele Gerichtsurteile, die diese feine Trennlinie herausarbeiten konnten. Aber im Großen und Ganzen dürfte schon klar sein, wer Bayer ist und wer nicht.
In dem Zusammenhang stellt sich aber eine interessante Frage, die auch praktische Bedeutung erlangen könnte: Kann man Bayer sein, ohne Deutscher zu sein?
Der Schreiber dieser Zeilen wurde in den 1970er Jahren in Niederbayern geboren. Seine Eltern lebten seit Geburt in Niederbayern, ebenso die Großelterngeneration. Die Urgroßeltern stammten größtenteils aus Niederbayern, ein Urgroßvater aus Oberbayern, eine Urgroßmutter aus Mittelfranken. Sie alle waren bayerische Staatsbürger. Ohne vernünftigen Zweifel bin damit auch ich selbst Bayer nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verfassung („durch Geburt“).
Die deutsche Staatsbürgerschaft habe ich über § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (das bis zum Anfang dieses Jahrtausends noch völlig anachronistisch „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“, RuStAG hieß) ebenfalls noch am ersten Lebenstag erhalten und besitze sie noch immer.
Ich könnte die deutsche Staatszugehörigkeit aber ablegen, wenn ich das wollen würde (§ 26 StAG). Das geht zwar nur, wenn ich mehrere Staatsbürgerschaften besäße. Die bayerische nehmen wir hier mal raus, um die Dinge nicht zu verkomplizieren; aber tun wir so als hätte ich daneben noch die österreichische Staatsbürgerschaft, weil ich mich irgendwann einmal (juristisch einwandfrei) hätte einbürgern lassen.
Was passiert dann mit meiner bayerischen Staatsbürgerschaft?
Möglicherweise ist mein Verzicht auf die bayerische Staatsbürgerschaft im Verzicht auf die deutsche schlüssig enthalten. Dahinter müsste man ein großes Fragezeichen setzen, denn so ohne Weiteres wird dieser Wille sicher nicht klar. Wenn ich in die (verpflichtend schriftliche, § 26 Abs. 1 Satz 2 StAG) Erklärung ausdrücklich hinzufüge „Dieser Verzicht erstreckt sich nicht auf die bayerische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 6 BV“, dann bleibt für eine anderweitige Auslegung keinerlei Spielraum mehr.
Unter Umständen verliert man mit der deutschen automatisch auch die bayerische Staatsbürgerschaft. Das könnte das bayerische Staatsangehörigkeitsgesetz freilich so anordnen; aber ein solches gibt es ja gerade nicht. Daher bleibt es bei der Regelung des Art. 6 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung, dass die bayerische Staatsangehörigkeit nicht aberkannt werden kann. Damit ist auch untersagt, sie demjenigen zu entziehen, der kein Deutscher sein mag.
In meinem Beispiel wäre ich also Bayer und Österreicher, aber kein Deutscher mehr.
In welchen Konstellationen dies von Bedeutung wäre, werde ich mit dem nächsten Beitrag ansprechen.
Ein Gedanke zu „Bayerische Staatsangehörigkeit: Bayer, aber kein Deutscher?“
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